Kirschen rot, Spargel tot. So heißt es im Volksmund.
Oder etwas geschwollener gesagt: Wenn prunus avium reif am Baum hängt, ist die Zeit von asparagus officinalis abgelaufen. Auch wenn sich das dieses Jahr durch die sibirischen Maitemperaturen um etliche Tage verschieben dürfte, die alte Regel stimmt allemal. Die Spargelfreunde wird der Aufschub freuen, und etwas süßer veranlagte Zeitgenossen müssen halt noch ein bisschen warten. Nun ist hier nicht der Ort für Nachrichten aus dem Obst- und Gemüseanbau.
Aber asparagus, der lateinische Name des Spargels, steht auch für eine hübsche sprachliche Fundsache. Wer als Deutscher auf das englische Wort sparrowgrass stößt, wird zunächst einmal brav übersetzen: sparrow = Spatz, grass = Gras, also Spatzengras – was immer das auch sein mag. In der Tat hat dieses Wort weder etwas mit dem Spatz zu tun noch mit Gras. Unsere englischen Vettern haben schlichtweg asparagus volksetymologisch umgedeutet. Das über Latein aus dem Griechischen in moderne Sprachen gekommene Wort klingt – englisch ausgesprochen – so ähnlich wie sparrowgrass, und so hat sich dieser eigentlich unsinnige Begriff eingebürgert.
Aber dieses Phänomen kennen wir auch im Deutschen. Ein fremdsprachliches oder uns fremd erscheinendes Wort wird einfach nach dem Vorbild eines sich ähnlich anhörenden deutschen Wortes umgemodelt, und irgendwann gerät die Herkunft in Vergessenheit.
Drei Beispiele: Dass die Eingeborenen der karibischen Inseln in kunstvoll geflochtenen Gebilden zwischen Palmen hin- und herschaukelten, muss schon die ersten Eroberer der Neuen Welt beeindruckt haben. Das Indio-Wort hamaka gelangte als hamaca ins Spanische, und als hamac ins Französische. Die Niederländer münzten es dann zur hangmat um, und als Hängematte landete es schließlich zwischen deutschen Bäumen.
Unser Friedhof hat mit Frieden ursprünglich nichts zu tun, sondern hieß früher einmal frithof, und dieses frit bedeutete einhegen, mit einem Hag umgeben – zum Beispiel ein Gelände um die Kirche. Und weil man dort die Toten bestattete, wo sie – requiescant in pace! – in Frieden ruhen sollten, lag die Umdeutung nahe.
Schließlich noch eine kulinarische Spielart von Volksetymologie: Der Meerrettich wächst nicht im Meer oder am Meer und kam auch nicht übers Meer zu uns, wie man irgendwann einmal mutmaßte, sondern der Name bedeutet wohl mehr als ein Rettich und bezieht sich auf die tränentreibende Schärfe dieser Wurzel.
Da loben wir uns doch den Spargel, und dann am liebsten mit Kratzete, wie man sowohl in Baden als auch im Schwabenland die zerrupften Pfannkuchen nennt. Aber nur nebenbei: Krátzete, bitteschön, mit der Betonung auf dem a! Nicht Kratzéte, wie Zugereiste gerne sagen!
Und wenn der Spargel tot ist? Dann gibt es Kratzete mit Kirschenkompott.
Freitag, 24. Mai 2013
Wembley und die Wehmut
In den bayerischen Medien steigt verständlicherweise das Wembley-Fieber. Da wurde dieser Tage mehrfach ein Text abgedruckt, in dem von der Rührung des Jupp Heynckes am letzten Samstag die Rede ist und von seinen Tränen, die sich im Finale von Wembley hoffentlich in Freudentränen verwandeln. Aber dann folgt die Einschränkung: Der einzige Wehmutstropfen im Bayernlager sei derzeit die neuerliche schwere Verletzung von Verteidiger Holger Badstuber.
Da haben wir ihn wieder einmal, jenen Wehmutstropfen, der seit Jahren statt des richtigen Begriffs Wermutstropfen herumgeistert, allen Versuchen der Ächtung trotzt und sich stattdessen wachsender Beliebtheit erfreut. 68 800 Einträge für den falschen Begriff auf Google sprechen allemal eine deutliche Sprache.
Woher das Bild vom Wermutstropfen kommt, ist klar: Trübt eine Kleinigkeit den eigentlich positiven Gesamteindruck einer Sache, so ist das, wie wenn bedauerlicherweise ein Tropfen bitteren Wermuts in ein süßes Getränk fällt. Da nun das schöne, alte Wort Wehmut ebenfalls diesen Anklang von Einschränkung, Klage und Trauer hat, kam es zu der Fehlinterpretation.
Die Internet-Einträge sind übrigens eine wahre Fundgrube für stilistische Missgriffe von unfreiwilliger Komik. Schier alles kann ein Wehmutstropfen sein: das miserable Wetter im Urlaub oder der Mitgliederschwund beim Schützenverein, die Parkplatzsituation in der Innenstadt oder die illegale Aktion des Verfassungsschutzes, der fehlende sechste Gang im Auto oder der falsche Schinken auf der Pizza, das Hundeverbot in der Mietwohnung oder die Geruchsbelästigung durch die Biogasanlage, die Zustimmung der Grünen zum Kosovo-Einsatz oder die narbige Haut nach Akne… Auch bei der Schließung des Kindergartens, bei der Verletzung der Torfrau und bei der Küchenzeile ohne Dunstabzug tropft die Wehmut, und manchmal wird das feuchte Gebilde sogar direkt personalisiert: Der Wehmutstropfen des Opernabends war der Tenor, steht da in einem Magazin!
(Nur am Rande bemerkt: Auch der Wehrmutstropfen hat es in unsere Sprache geschafft. Ein Beispiel: „Der einzige Wehrmutstropfen der neuen Anlage im Tierpark Hellabrunn ist der Felsen, der keiner ist.“ Aha.)
Nebenbei haben wir es hier aber mit einem hochinteressanten Phänomen zu tun: Einige Belege beim Googeln beweisen, wie sehr das – wenn man so will – seelenlos-unbekümmerte Internet einem solchen Fehler durch Nichterkennen Vorschub leistet und zur Verselbständigung beiträgt. Bei www.synonyme.de/ wird festgestellt, dass für das Wort wehmutstropfen in der Datenbank noch keine Synonyme hinterlegt seien, aber vielleicht finde sich bald eines. Auf www.was-reimt-sich-auf.de klagt man, leider habe noch niemand einen Reim auf Wehmutstropfen geliefert. Bei www.woxikon.de
wird die fehlende Übersetzung ins Englische bedauert. Und www.wikipedia.de meldet lapidar, zu Wehmutstropfen sei noch kein Stichwort vorhanden. Möglicherweise sei Wermutstropfen gemeint. Möglicherweise.
Wen wundert’s da noch, dass bereits viele Zeitgenossen der felsenfesten Meinung sind, das Falsche sei das Richtige. Deswegen gilt jetzt die Wette: Irgendjemand wird nach dem morgigen Abend schreiben, man habe ein tolles Finale erlebt, der einzige Wehmutstropfen sei gewesen, dass eine Mannschaft ausscheiden musste.
Ob Bayern oder Dortmund, lassen wir jetzt offen. Eines ist allerdings gewiss: Bei einem von beiden Teams wird ein biblisches Heulen und Zähneknirschen anheben. Und Wehmut obendrein.
Da haben wir ihn wieder einmal, jenen Wehmutstropfen, der seit Jahren statt des richtigen Begriffs Wermutstropfen herumgeistert, allen Versuchen der Ächtung trotzt und sich stattdessen wachsender Beliebtheit erfreut. 68 800 Einträge für den falschen Begriff auf Google sprechen allemal eine deutliche Sprache.
Woher das Bild vom Wermutstropfen kommt, ist klar: Trübt eine Kleinigkeit den eigentlich positiven Gesamteindruck einer Sache, so ist das, wie wenn bedauerlicherweise ein Tropfen bitteren Wermuts in ein süßes Getränk fällt. Da nun das schöne, alte Wort Wehmut ebenfalls diesen Anklang von Einschränkung, Klage und Trauer hat, kam es zu der Fehlinterpretation.
Die Internet-Einträge sind übrigens eine wahre Fundgrube für stilistische Missgriffe von unfreiwilliger Komik. Schier alles kann ein Wehmutstropfen sein: das miserable Wetter im Urlaub oder der Mitgliederschwund beim Schützenverein, die Parkplatzsituation in der Innenstadt oder die illegale Aktion des Verfassungsschutzes, der fehlende sechste Gang im Auto oder der falsche Schinken auf der Pizza, das Hundeverbot in der Mietwohnung oder die Geruchsbelästigung durch die Biogasanlage, die Zustimmung der Grünen zum Kosovo-Einsatz oder die narbige Haut nach Akne… Auch bei der Schließung des Kindergartens, bei der Verletzung der Torfrau und bei der Küchenzeile ohne Dunstabzug tropft die Wehmut, und manchmal wird das feuchte Gebilde sogar direkt personalisiert: Der Wehmutstropfen des Opernabends war der Tenor, steht da in einem Magazin!
(Nur am Rande bemerkt: Auch der Wehrmutstropfen hat es in unsere Sprache geschafft. Ein Beispiel: „Der einzige Wehrmutstropfen der neuen Anlage im Tierpark Hellabrunn ist der Felsen, der keiner ist.“ Aha.)
Nebenbei haben wir es hier aber mit einem hochinteressanten Phänomen zu tun: Einige Belege beim Googeln beweisen, wie sehr das – wenn man so will – seelenlos-unbekümmerte Internet einem solchen Fehler durch Nichterkennen Vorschub leistet und zur Verselbständigung beiträgt. Bei www.synonyme.de/ wird festgestellt, dass für das Wort wehmutstropfen in der Datenbank noch keine Synonyme hinterlegt seien, aber vielleicht finde sich bald eines. Auf www.was-reimt-sich-auf.de klagt man, leider habe noch niemand einen Reim auf Wehmutstropfen geliefert. Bei www.woxikon.de
wird die fehlende Übersetzung ins Englische bedauert. Und www.wikipedia.de meldet lapidar, zu Wehmutstropfen sei noch kein Stichwort vorhanden. Möglicherweise sei Wermutstropfen gemeint. Möglicherweise.
Wen wundert’s da noch, dass bereits viele Zeitgenossen der felsenfesten Meinung sind, das Falsche sei das Richtige. Deswegen gilt jetzt die Wette: Irgendjemand wird nach dem morgigen Abend schreiben, man habe ein tolles Finale erlebt, der einzige Wehmutstropfen sei gewesen, dass eine Mannschaft ausscheiden musste.
Ob Bayern oder Dortmund, lassen wir jetzt offen. Eines ist allerdings gewiss: Bei einem von beiden Teams wird ein biblisches Heulen und Zähneknirschen anheben. Und Wehmut obendrein.
Freitag, 17. Mai 2013
Wo das Reich weiterlebt
Solang das Deutsche Reich besteht, wird die Schraube rechts gedreht. Diese Eselsbrücke bemühen ältere Mitbürger gerne. Allerdings stimmt das heute nur noch zur Hälfte. Noch immer dreht man zwar etwas nach rechts herum zu, das Deutsche Reich aber gibt es nicht mehr. Dass es manchmal noch im Verborgenen weiterlebt, zum Beispiel in Abkürzungen, steht auf einem anderen Blatt.
Ein Beispiel: Alles neu macht der Mai, heißt es so schön im Sprichwort. Also nimmt man sich zurzeit das Holz am Haus vor, um ihm einen neuen Anstrich zu verpassen. Und welcher Farbton ist das genau? Schließlich fällt die Entscheidung für Grauweiß RAL 9002, ausgesucht aus dem Musterkatalog der RAL-Farben. Wobei dann die Frage auftaucht: Wofür steht eigentlich dieses RAL, das man im Zusammenhang mit Farben immer liest? RAL ist ganz einfach die Abkürzung von Reichsausschuss für Lieferbedingungen. Diese Institution wurde 1925, also während der Weimarer Republik, von Regierung und Wirtschaft gemeinsam gegründet, um über eine Art Gütesiegel die technischen und qualitativen Anforderungen der verschiedensten Produkte zu sichern. So kam es unter anderem schon 1927 zu einer Normung von 40 Farben, die dann 1940 in einem vierstelligen Nummernsystem erfasst wurden. Derzeit zählt man insgesamt 2328 weltweit beachtete RAL-Farbnuancen.
Und auch der RAL ist übrigens nicht verschwunden, sondern existiert weiter als RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.
Nun gab es natürlich eine Vielzahl von Abkürzungen von Begriffen mit Reichs- - im Kaiserreich, während der Weimarer Republik und in der Nazi-Zeit. Manche sind auch heute noch im Gebrauch. Wenn die Eltern oder Großeltern vom Dritten Reich erzählen, ist schon mal die Rede vom RAD, also vom Reichsarbeitsdienst, den von 1935 an jeder junge Mann ableisten musste, mit Beginn des Weltkriegs auch die weibliche Jugend. Das ist völlig normal.
Gewisse Kürzel sind aber Gott sei Dank verschwunden oder allenfalls noch in der Fachliteratur zu finden: RKFdV für Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums oder RMVP für Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda.
Andere Abkürzungen aus brauner Zeit tauchen dagegen in anderem Zusammenhang wieder auf, obwohl sie doch eigentlich mit einem absoluten Tabu belegt sein müssten. Aber weit gefehlt. So kann man im Internet auf unsägliche Debatten stoßen. Da wird auf dem Portal einer großen Familiencommunity doch allen Ernstes darüber räsoniert, warum es heute eigentlich anstößig sein soll, in Internet-Foren oder in SMS von SS oder KZ zu reden, wenn man Schwangerschaft und Kinderzimmer meint. Irgendwann müsse ja mal Schluss sein, schreibt da jemand, natürlich – wie in diesem Medium ja leider üblich – aus der Deckung der Anonymität heraus.
Nichts gegen die gebotene Kürze bei SMS – das heißt ja auch Short Message Service, also Kurznachrichtendienst. Aber um im SMS-Jargon zu bleiben: Wer so etwas absondert, gehört zu den DAU – zu den dümmsten anzunehmenden Usern.
Ein Beispiel: Alles neu macht der Mai, heißt es so schön im Sprichwort. Also nimmt man sich zurzeit das Holz am Haus vor, um ihm einen neuen Anstrich zu verpassen. Und welcher Farbton ist das genau? Schließlich fällt die Entscheidung für Grauweiß RAL 9002, ausgesucht aus dem Musterkatalog der RAL-Farben. Wobei dann die Frage auftaucht: Wofür steht eigentlich dieses RAL, das man im Zusammenhang mit Farben immer liest? RAL ist ganz einfach die Abkürzung von Reichsausschuss für Lieferbedingungen. Diese Institution wurde 1925, also während der Weimarer Republik, von Regierung und Wirtschaft gemeinsam gegründet, um über eine Art Gütesiegel die technischen und qualitativen Anforderungen der verschiedensten Produkte zu sichern. So kam es unter anderem schon 1927 zu einer Normung von 40 Farben, die dann 1940 in einem vierstelligen Nummernsystem erfasst wurden. Derzeit zählt man insgesamt 2328 weltweit beachtete RAL-Farbnuancen.
Und auch der RAL ist übrigens nicht verschwunden, sondern existiert weiter als RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.
Nun gab es natürlich eine Vielzahl von Abkürzungen von Begriffen mit Reichs- - im Kaiserreich, während der Weimarer Republik und in der Nazi-Zeit. Manche sind auch heute noch im Gebrauch. Wenn die Eltern oder Großeltern vom Dritten Reich erzählen, ist schon mal die Rede vom RAD, also vom Reichsarbeitsdienst, den von 1935 an jeder junge Mann ableisten musste, mit Beginn des Weltkriegs auch die weibliche Jugend. Das ist völlig normal.
Gewisse Kürzel sind aber Gott sei Dank verschwunden oder allenfalls noch in der Fachliteratur zu finden: RKFdV für Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums oder RMVP für Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda.
Andere Abkürzungen aus brauner Zeit tauchen dagegen in anderem Zusammenhang wieder auf, obwohl sie doch eigentlich mit einem absoluten Tabu belegt sein müssten. Aber weit gefehlt. So kann man im Internet auf unsägliche Debatten stoßen. Da wird auf dem Portal einer großen Familiencommunity doch allen Ernstes darüber räsoniert, warum es heute eigentlich anstößig sein soll, in Internet-Foren oder in SMS von SS oder KZ zu reden, wenn man Schwangerschaft und Kinderzimmer meint. Irgendwann müsse ja mal Schluss sein, schreibt da jemand, natürlich – wie in diesem Medium ja leider üblich – aus der Deckung der Anonymität heraus.
Nichts gegen die gebotene Kürze bei SMS – das heißt ja auch Short Message Service, also Kurznachrichtendienst. Aber um im SMS-Jargon zu bleiben: Wer so etwas absondert, gehört zu den DAU – zu den dümmsten anzunehmenden Usern.
Freitag, 10. Mai 2013
Soviel ist nicht so viel
"Soviel du brauchst". Kein deutscher Satz wurde wohl letzte Woche mehr zitiert als dieses Motto des Evangelischen Kirchentags in Hamburg mit seinen Hunderttausenden von Besuchern. Es war mit seiner Anspielung auf die christliche Verpflichtung zum Maßhalten sehr sinnfällig. Es war griffig.
Und es war falsch - wenn man es durch die Rechtschreibbrille anschaut. "So viel du brauchst", also getrennt geschrieben, wäre richtig gewesen. Die Kirchentagsoberen erwiesen sich wohl als bibelfest, als sie dieses Zitat nach dem 2. Buch Mose, Kapitel 16, Vers 18, aussuchten, aber nicht als dudenfest. Jedes gute Rechtschreib- und Grammatikprogramm im PC meckert die Zusammenschreibung von soviel in diesem Kontext an. Aber irgendwie scheint das untergegangen zu sein. Oder man reagierte im Unterbewusstsein – Luther lässt sich nicht anmeckern.
Darin liegt das Versehen wohl auch begründet. Luther selbst hatte in "Die gantze Heilige Schrifft: Deudsch" von 1545 so viel zwar noch getrennt. Später aber bürgerte sich die Zusammenschreibung ein, und in den Bibeln des letzten Jahrhunderts findet sich durchgehend soviel, was nach Konrad Dudens alter Rechtschreibung auch völlig korrekt war. Gerade bei einem so sakrosankten Werk wie Luthers Bibelübersetzung mag dann aber anlässlich der Rechtschreib-Revision nach 1996 die Tendenz zum Übersehen alter Schreibweisen besonders groß gewesen sein. Deswegen sollte man hier christliche Milde walten lassen.
Klar ist allerdings: Seit dem Inkrafttreten der Reform muss so viel in diesem Zusammenhang getrennt geschrieben werden. Was im Gegensatz zu vielen anderen höchst fragwürdigen und hirnrissigen Neuregelungen auch nicht ohne Logik ist. Wenn soviel als Konjunktion eingesetzt wird, schreibt man zusammen. Ein Beispiel: "Soviel ich weiß, kennt er die Bibel sehr genau." In allen anderen Verbindungen aber wird getrennt: "Er weiß so viel, dass man ihn bei Fragen zur Bibel kaum schlagen kann."
Diese Regel gilt auch für andere Verbindungen mit so, und weil hier bei vielen Schreibern – ob beruflich oder privat – ebenfalls eine merkliche Unsicherheit zu herrschen scheint, seien noch einige angeführt.
Eine ähnliche Bedeutung wie soviel hat soweit, und auch hier gilt: Bei der Konjunktion wird zusammengeschrieben, in allen anderen Fällen nicht. "Soweit ich weiß, studiert er Theologie." Aber: "Seine Eltern warten gespannt, bis er so weit ist mit seinem Studium."
Auch bei solange greift diese Unterscheidung: "Solange er noch an der Universität ist, müssen ihn die Eltern unterstützen." Aber: "Er hat so lange bis zum Examen gebraucht, weil das Theologiestudium so schwer ist."
Ein weiteres Exemplar dieser Spezies: "Sooft man ihn abends auch anruft, er sitzt immer über der Bibel." Aber: "Er geht so oft in die Bibliothek, weil er dort mehr Ruhe hat."
Und schließlich ein letzter Fall: "Sosehr man seinen Studieneifer auch bewundern mag, er sollte sich manchmal eine Pause gönnen." Aber: "Er legt sich bei seinem Studium so sehr ins Zeug, damit ihm auf jeden Fall ein gutes Examen gelingt."
Eingangs war von der christlichen Verpflichtung zum Maßhalten die Rede. Deswegen machen wir jetzt Schluss. So viel für heute.
Und es war falsch - wenn man es durch die Rechtschreibbrille anschaut. "So viel du brauchst", also getrennt geschrieben, wäre richtig gewesen. Die Kirchentagsoberen erwiesen sich wohl als bibelfest, als sie dieses Zitat nach dem 2. Buch Mose, Kapitel 16, Vers 18, aussuchten, aber nicht als dudenfest. Jedes gute Rechtschreib- und Grammatikprogramm im PC meckert die Zusammenschreibung von soviel in diesem Kontext an. Aber irgendwie scheint das untergegangen zu sein. Oder man reagierte im Unterbewusstsein – Luther lässt sich nicht anmeckern.
Darin liegt das Versehen wohl auch begründet. Luther selbst hatte in "Die gantze Heilige Schrifft: Deudsch" von 1545 so viel zwar noch getrennt. Später aber bürgerte sich die Zusammenschreibung ein, und in den Bibeln des letzten Jahrhunderts findet sich durchgehend soviel, was nach Konrad Dudens alter Rechtschreibung auch völlig korrekt war. Gerade bei einem so sakrosankten Werk wie Luthers Bibelübersetzung mag dann aber anlässlich der Rechtschreib-Revision nach 1996 die Tendenz zum Übersehen alter Schreibweisen besonders groß gewesen sein. Deswegen sollte man hier christliche Milde walten lassen.
Klar ist allerdings: Seit dem Inkrafttreten der Reform muss so viel in diesem Zusammenhang getrennt geschrieben werden. Was im Gegensatz zu vielen anderen höchst fragwürdigen und hirnrissigen Neuregelungen auch nicht ohne Logik ist. Wenn soviel als Konjunktion eingesetzt wird, schreibt man zusammen. Ein Beispiel: "Soviel ich weiß, kennt er die Bibel sehr genau." In allen anderen Verbindungen aber wird getrennt: "Er weiß so viel, dass man ihn bei Fragen zur Bibel kaum schlagen kann."
Diese Regel gilt auch für andere Verbindungen mit so, und weil hier bei vielen Schreibern – ob beruflich oder privat – ebenfalls eine merkliche Unsicherheit zu herrschen scheint, seien noch einige angeführt.
Eine ähnliche Bedeutung wie soviel hat soweit, und auch hier gilt: Bei der Konjunktion wird zusammengeschrieben, in allen anderen Fällen nicht. "Soweit ich weiß, studiert er Theologie." Aber: "Seine Eltern warten gespannt, bis er so weit ist mit seinem Studium."
Auch bei solange greift diese Unterscheidung: "Solange er noch an der Universität ist, müssen ihn die Eltern unterstützen." Aber: "Er hat so lange bis zum Examen gebraucht, weil das Theologiestudium so schwer ist."
Ein weiteres Exemplar dieser Spezies: "Sooft man ihn abends auch anruft, er sitzt immer über der Bibel." Aber: "Er geht so oft in die Bibliothek, weil er dort mehr Ruhe hat."
Und schließlich ein letzter Fall: "Sosehr man seinen Studieneifer auch bewundern mag, er sollte sich manchmal eine Pause gönnen." Aber: "Er legt sich bei seinem Studium so sehr ins Zeug, damit ihm auf jeden Fall ein gutes Examen gelingt."
Eingangs war von der christlichen Verpflichtung zum Maßhalten die Rede. Deswegen machen wir jetzt Schluss. So viel für heute.
Freitag, 3. Mai 2013
Der Pudel und sein Kern
Beim Thema Dialekt pflegen wir an dieser Stelle sehr zurückhaltend zu sein, und zwar aus einem einfachen Grund: Da kann allein schon die genaue Aussprache von Ort zu Ort schwanken, ganz zu schweigen von der nicht klar festgelegten Schreibweise.
Fragte doch unlängst ein Bekannter, woher eigentlich der Ausdruck budelnarret kommt, den der Schwabe gerne benutzt, wenn einer furchtbar narret wird, also in höchste Wut gerät. Hat das mit budel zu tun, wie man hierzulande zum Babyschoppen sagt und – wenn die durstige Seele schon älter ist – zu einer kleinen Schnapsflasche? Oder müsste man eigentlich pudelnarret sagen und schreiben, weil es hier wirklich um den Hund geht?
Auch wenn Leute unter Alkoholeinfluss gerne aggressiv werden, so spricht doch nichts für die Flasche als Erklärung für dieses schwäbische Kraftwort. In der Tat steht der Pudel Pate. Wobei er dafür eigentlich nichts kann. Denn dieser Hund – im komplizierten Rassengefüge des Hundedachverbands Gruppe 9, Sektion 2, Standard Nr. 172 – ist mit seinen lustigen Kräusellocken, seiner Familientauglichkeit und seiner hohen Intelligenz rundum positiv besetzt. Ursprünglich galt er als Jagdhund und wurde gerne bei der Pirsch auf Wildvögel im Wasser eingesetzt. Daher kommt auch sein Name. Denn pudeln ist ein altes Wort für im Wasser plantschen, und Pudel sind in der Tat gute Schwimmer. Das ist auch der Grund, warum man sie oft geschoren hat. Ihr dichtes Fell trocknete nur sehr langsam. Manche französischen Pudel ließ man allerdings bewusst ungeschoren. Sie wurden in Paris noch bis in die 1950er durch die Kanalisation gejagt, damit sie mit ihrer Wolle die Röhren putzten…
Zurück zu unserem Problem: Angesichts der Freude von Pudeln am Wasser hat der Ausdruck pudelnass also seine Berechtigung, und auch pudelnackt mit der Anspielung auf die Glattrasur geht sprachlich in Ordnung. Bei diesem pudel in pudelnarret aber dürfte es sich – ähnlich wie bei pudelwohl – ganz einfach um ein verstärkendes Element handeln. Wenn narret noch nicht reicht, dann halt pudelnarret. Wir kennen das von anderen Adjektiven: Bei stinkfaul, stinkfein, stinklangweilig oder stinknormal geht es ja auch nicht um irgendwelche üblen Gerüche.
Und noch ein schönes Beispiel: Wenn man bedenkt, was dem armen Schwein alles angehängt wird, von saublöd über saudumm, saugrob, saukomisch und saukalt bis sauschwer, dann ist das – um im Jargon zu bleiben – ja auch saumäßig ungerecht.
Dies also war des Pudels Kern – dieser bildungsbeflissene Schlenker muss jetzt natürlich noch sein. Um Goethe kommt man schlecht herum. Da nimmt sein Faust einen seltsamen schwarzen Pudel mit ins Studierzimmer, und als was entpuppt er sich zu seinem großen Erstaunen? Als der Teufel! Auch das hat dieser nette Hund eigentlich nicht verdient.
Fragte doch unlängst ein Bekannter, woher eigentlich der Ausdruck budelnarret kommt, den der Schwabe gerne benutzt, wenn einer furchtbar narret wird, also in höchste Wut gerät. Hat das mit budel zu tun, wie man hierzulande zum Babyschoppen sagt und – wenn die durstige Seele schon älter ist – zu einer kleinen Schnapsflasche? Oder müsste man eigentlich pudelnarret sagen und schreiben, weil es hier wirklich um den Hund geht?
Auch wenn Leute unter Alkoholeinfluss gerne aggressiv werden, so spricht doch nichts für die Flasche als Erklärung für dieses schwäbische Kraftwort. In der Tat steht der Pudel Pate. Wobei er dafür eigentlich nichts kann. Denn dieser Hund – im komplizierten Rassengefüge des Hundedachverbands Gruppe 9, Sektion 2, Standard Nr. 172 – ist mit seinen lustigen Kräusellocken, seiner Familientauglichkeit und seiner hohen Intelligenz rundum positiv besetzt. Ursprünglich galt er als Jagdhund und wurde gerne bei der Pirsch auf Wildvögel im Wasser eingesetzt. Daher kommt auch sein Name. Denn pudeln ist ein altes Wort für im Wasser plantschen, und Pudel sind in der Tat gute Schwimmer. Das ist auch der Grund, warum man sie oft geschoren hat. Ihr dichtes Fell trocknete nur sehr langsam. Manche französischen Pudel ließ man allerdings bewusst ungeschoren. Sie wurden in Paris noch bis in die 1950er durch die Kanalisation gejagt, damit sie mit ihrer Wolle die Röhren putzten…
Zurück zu unserem Problem: Angesichts der Freude von Pudeln am Wasser hat der Ausdruck pudelnass also seine Berechtigung, und auch pudelnackt mit der Anspielung auf die Glattrasur geht sprachlich in Ordnung. Bei diesem pudel in pudelnarret aber dürfte es sich – ähnlich wie bei pudelwohl – ganz einfach um ein verstärkendes Element handeln. Wenn narret noch nicht reicht, dann halt pudelnarret. Wir kennen das von anderen Adjektiven: Bei stinkfaul, stinkfein, stinklangweilig oder stinknormal geht es ja auch nicht um irgendwelche üblen Gerüche.
Und noch ein schönes Beispiel: Wenn man bedenkt, was dem armen Schwein alles angehängt wird, von saublöd über saudumm, saugrob, saukomisch und saukalt bis sauschwer, dann ist das – um im Jargon zu bleiben – ja auch saumäßig ungerecht.
Dies also war des Pudels Kern – dieser bildungsbeflissene Schlenker muss jetzt natürlich noch sein. Um Goethe kommt man schlecht herum. Da nimmt sein Faust einen seltsamen schwarzen Pudel mit ins Studierzimmer, und als was entpuppt er sich zu seinem großen Erstaunen? Als der Teufel! Auch das hat dieser nette Hund eigentlich nicht verdient.
(Seite 1 von 1, insgesamt 5 Einträge)
Kommentare