Steter Tropfen höhlt den Stein, sagt man. Ähnliches gilt auch für den Sprachgebrauch. Ein fragwürdiges Wort muss nur oft genug benutzt werden, dann nimmt es eines Tages auch der Duden in seine nächste Ausgabe auf – und muss es auch aufnehmen, da er ja den jeweiligen Ist-Zustand der Sprache spiegeln soll.
So stößt zum Beispiel, wer täglich Zeitung liest, Radio hört oder vor dem Fernseher sitzt, immer wieder einmal auf den Begriff lohnenswert. Wer meint, das sei ein altes Wort, irrt. Der Duden hat es erst 1991 aufgenommen. Siw Malmquist sang 1964 ja auch nicht "Liebeskummer ist nicht lohnenswert, my Darling"...
Schauen wir mal näher hin: Wohl kann etwas beachtenswert sein, also wert, beachtet zu werden. Oder begrüßenswert, also wert, begrüßt zu werden. Oder sehenswert, also wert, gesehen zu werden. Oder liebenswert, also wert, geliebt zu werden…
Aber bei lohnenswert versagt dieses Muster. Kann etwas wert sein, gelohnt zu werden? Diese Analogbildung ergibt keinen Sinn.
Zwei Deutungen bieten sich an: Vielleicht spielt bei diesem lohnenswert ähnlich wie bei stillschweigend ein Moment der Doppelung hinein. Wenn sich der Besuch eines Films lohnt, dann war er den Besuch wert.
Aber wahrscheinlich haben wir es schlicht und einfach mit einem Blähwort zu tun. Obwohl lohnend völlig ausreichend wäre, greift man zu lohnenswert, weil es irgendwie gewichtiger klingt. Diese Tendenz zum Aufblähen liegt zwar zu einem Gutteil in der Natur des Sprechvorgangs begründet – je mehr Worthülsen, desto mehr Zeit hat der Sprecher, nebenher weiter zu denken. Das ist einer der Gründe für die Redundanz in der Rede, den Hang zum Überfluss.
Aber spätestens beim Schreiben sollte Bescheidung die Maxime sein. Wir haben eh schon genug von diesen wichtigtuerischen Blähwörtern: schlussendlich statt schließlich, Räumlichkeit statt Raum, Grundbefindlichkeit statt Befinden, Witterungsbedingungen statt Wetter oder – ganz schlimm – nichtsdestowenigertrotz statt dennoch, wo nichtsdestotrotz doch schon heftig genug ist.
Lessing hat einmal allen Schwätzern geraten, sechs von sieben Wörtern wegzulassen. Da hat er zwar stark übertrieben, aber im Ansatz ist das Nachdenken darüber lohnenswert – pardon, es lohnt sich.
Freitag, 15. Juli 2011
Liebeskummer ist nicht lohnenswert
Trackbacks
Trackback-URL für diesen Eintrag
Keine Trackbacks
Kommentare
Ansicht der Kommentare:
(Linear | Verschachtelt)
#1
tipps gegen Liebeskummer
(Homepage)
am
30.01.2012 15:24
(Antwort)