Beim Thema Dialekt pflegen wir an dieser Stelle sehr zurückhaltend zu sein, und zwar aus einem einfachen Grund: Da kann allein schon die genaue Aussprache von Ort zu Ort schwanken, ganz zu schweigen von der nicht klar festgelegten Schreibweise.
Fragte doch unlängst ein Bekannter, woher eigentlich der Ausdruck budelnarret kommt, den der Schwabe gerne benutzt, wenn einer furchtbar narret wird, also in höchste Wut gerät. Hat das mit budel zu tun, wie man hierzulande zum Babyschoppen sagt und – wenn die durstige Seele schon älter ist – zu einer kleinen Schnapsflasche? Oder müsste man eigentlich pudelnarret sagen und schreiben, weil es hier wirklich um den Hund geht?
Auch wenn Leute unter Alkoholeinfluss gerne aggressiv werden, so spricht doch nichts für die Flasche als Erklärung für dieses schwäbische Kraftwort. In der Tat steht der Pudel Pate. Wobei er dafür eigentlich nichts kann. Denn dieser Hund – im komplizierten Rassengefüge des Hundedachverbands Gruppe 9, Sektion 2, Standard Nr. 172 – ist mit seinen lustigen Kräusellocken, seiner Familientauglichkeit und seiner hohen Intelligenz rundum positiv besetzt. Ursprünglich galt er als Jagdhund und wurde gerne bei der Pirsch auf Wildvögel im Wasser eingesetzt. Daher kommt auch sein Name. Denn pudeln ist ein altes Wort für im Wasser plantschen, und Pudel sind in der Tat gute Schwimmer. Das ist auch der Grund, warum man sie oft geschoren hat. Ihr dichtes Fell trocknete nur sehr langsam. Manche französischen Pudel ließ man allerdings bewusst ungeschoren. Sie wurden in Paris noch bis in die 1950er durch die Kanalisation gejagt, damit sie mit ihrer Wolle die Röhren putzten…
Zurück zu unserem Problem: Angesichts der Freude von Pudeln am Wasser hat der Ausdruck pudelnass also seine Berechtigung, und auch pudelnackt mit der Anspielung auf die Glattrasur geht sprachlich in Ordnung. Bei diesem pudel in pudelnarret aber dürfte es sich – ähnlich wie bei pudelwohl – ganz einfach um ein verstärkendes Element handeln. Wenn narret noch nicht reicht, dann halt pudelnarret. Wir kennen das von anderen Adjektiven: Bei stinkfaul, stinkfein, stinklangweilig oder stinknormal geht es ja auch nicht um irgendwelche üblen Gerüche.
Und noch ein schönes Beispiel: Wenn man bedenkt, was dem armen Schwein alles angehängt wird, von saublöd über saudumm, saugrob, saukomisch und saukalt bis sauschwer, dann ist das – um im Jargon zu bleiben – ja auch saumäßig ungerecht.
Dies also war des Pudels Kern – dieser bildungsbeflissene Schlenker muss jetzt natürlich noch sein. Um Goethe kommt man schlecht herum. Da nimmt sein Faust einen seltsamen schwarzen Pudel mit ins Studierzimmer, und als was entpuppt er sich zu seinem großen Erstaunen? Als der Teufel! Auch das hat dieser nette Hund eigentlich nicht verdient.
Freitag, 3. Mai 2013
Der Pudel und sein Kern
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