Kirschen rot, Spargel tot. So heißt es im Volksmund.
Oder etwas geschwollener gesagt: Wenn prunus avium reif am Baum hängt, ist die Zeit von asparagus officinalis abgelaufen. Auch wenn sich das dieses Jahr durch die sibirischen Maitemperaturen um etliche Tage verschieben dürfte, die alte Regel stimmt allemal. Die Spargelfreunde wird der Aufschub freuen, und etwas süßer veranlagte Zeitgenossen müssen halt noch ein bisschen warten. Nun ist hier nicht der Ort für Nachrichten aus dem Obst- und Gemüseanbau.
Aber asparagus, der lateinische Name des Spargels, steht auch für eine hübsche sprachliche Fundsache. Wer als Deutscher auf das englische Wort sparrowgrass stößt, wird zunächst einmal brav übersetzen: sparrow = Spatz, grass = Gras, also Spatzengras – was immer das auch sein mag. In der Tat hat dieses Wort weder etwas mit dem Spatz zu tun noch mit Gras. Unsere englischen Vettern haben schlichtweg asparagus volksetymologisch umgedeutet. Das über Latein aus dem Griechischen in moderne Sprachen gekommene Wort klingt – englisch ausgesprochen – so ähnlich wie sparrowgrass, und so hat sich dieser eigentlich unsinnige Begriff eingebürgert.
Aber dieses Phänomen kennen wir auch im Deutschen. Ein fremdsprachliches oder uns fremd erscheinendes Wort wird einfach nach dem Vorbild eines sich ähnlich anhörenden deutschen Wortes umgemodelt, und irgendwann gerät die Herkunft in Vergessenheit.
Drei Beispiele: Dass die Eingeborenen der karibischen Inseln in kunstvoll geflochtenen Gebilden zwischen Palmen hin- und herschaukelten, muss schon die ersten Eroberer der Neuen Welt beeindruckt haben. Das Indio-Wort hamaka gelangte als hamaca ins Spanische, und als hamac ins Französische. Die Niederländer münzten es dann zur hangmat um, und als Hängematte landete es schließlich zwischen deutschen Bäumen.
Unser Friedhof hat mit Frieden ursprünglich nichts zu tun, sondern hieß früher einmal frithof, und dieses frit bedeutete einhegen, mit einem Hag umgeben – zum Beispiel ein Gelände um die Kirche. Und weil man dort die Toten bestattete, wo sie – requiescant in pace! – in Frieden ruhen sollten, lag die Umdeutung nahe.
Schließlich noch eine kulinarische Spielart von Volksetymologie: Der Meerrettich wächst nicht im Meer oder am Meer und kam auch nicht übers Meer zu uns, wie man irgendwann einmal mutmaßte, sondern der Name bedeutet wohl mehr als ein Rettich und bezieht sich auf die tränentreibende Schärfe dieser Wurzel.
Da loben wir uns doch den Spargel, und dann am liebsten mit Kratzete, wie man sowohl in Baden als auch im Schwabenland die zerrupften Pfannkuchen nennt. Aber nur nebenbei: Krátzete, bitteschön, mit der Betonung auf dem a! Nicht Kratzéte, wie Zugereiste gerne sagen!
Und wenn der Spargel tot ist? Dann gibt es Kratzete mit Kirschenkompott.
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