"In höheren Lagen ist noch Schneefall möglich." Alle Zeitgenossen, die eher auf Wanderstiefel stehen als auf Skischuhe, hören das bei uns im Süden derzeit mit größtem Missmut. Nichts ist mit den ersten Frühlingstouren auf den Widderstein, die Kanisfluh oder das Nebelhorn, den Säntis, die Schesaplana oder das Hohe Licht.
Aber warum eigentlich der Säntis und die Schesaplana?
Das führt uns zu einem speziellen, aber nicht uninteressanten Thema: dem Geschlecht von Bergnamen. Da gibt es zwar ein paar Gesetzmäßigkeiten, aber dennoch ist Vorsicht geboten.
Viele Bergnamen sind männlich, weil ja auch der Berg im Deutschen männlich ist oder weil wortgeschichtlich ein Maskulinum vorliegt: der Kilimandscharo, der Chimborazo, der Popocatepetl, der Vesuv, der Ortler oder eben der Säntis.
Er hat wohl seinen frühmittelalterlichen Namen von irgendeinem Älpler, der auf Rätoromanisch ein Sambatinus war, sprich: am Samstag geboren.
Und hier ein paar Beispiele aus Deutschland: der Brocken, der Kyffhäuser und der Arber;
aus dem Schwarzwald: der Belchen, der Blauen und der Kniebis;
von der Schwäbischen Alb: der Zoller, der Ipf und der Lupfen.
Bei Bergen mit zusammengesetzten Namen richtet sich das Geschlecht nach dem Grundwort: der Mount Everest, der Monte Rosa, der Piz Buin, der Gran Sasso, der Patscherkofel, der Großglockner, der Lemberg, der Biberkopf, der Wendelstein und der Hochgrat sind männlich.
Den sächlichen Artikel haben logischerweise das Fellhorn und das Söllereck.
Die Kanisfluh aber, die Kanzelwand, die Wasserkuppe und natürlich die Zugspitze – immerhin Deutschlands höchster Berg – haben durch ihr Grundwort eine weibliche Anmutung.
Zudem sind die meisten auf a endenden Bergnamen weiblich: die Marmolata in den Dolomiten, die Bellavista in der Berninagruppe oder eben die Schesaplana, was rätoromanisch so viel heißt wie Flacher Stein. Aber der Ätna tanzt aus der Reihe. Sein Name soll auf ein noch vorgriechisches Wort für brennend zurückgehen. Feuer spuckt er ja bis heute – erst dieser Tage wieder.
Kunterbunt durcheinander läuft es auch bei den Gebirgsnamen. Viele stehen zwar im Plural, weil – etwas vereinfacht gesagt – bei dem kollektiven Begriff Gebirge immer mehrere Berge assoziiert werden: also die Anden, die Kordilleren, die Alpen, die Cevennen, die Vogesen oder die Karpaten.
Ist der Name aber ein Singular und das Geschlecht nicht wie bei der Schwarzwald sofort erkennbar, so heißt es aufpassen: Korrekt sind der Atlas, der Ural, der Apennin, der Harz, der Taunus, der Hunsrück, der Spessart und der Elm. Aber fährt man in die Rhön, die Eifel oder die Haardt in der Pfalz, so hat man es wieder mit femininen Erhebungen zu tun.
Und warum fehlt bislang die Wilhelmskuppe? Weil es sie nicht mehr gibt. Aber eigentlich gibt es sie doch noch: So hieß einst der Kilimandscharo, und zur Kolonialzeit zwischen 1902 und 1918 galt er mit seinen 5895 Metern – gegenüber lächerlichen 2962 der Zugspitze – unter dem Namen Wilhelmskuppe oder Kaiser-Wilhelm-Spitze als höchster Berg des Deutschen Reiches.
In den Sechzigern gab es mal einen hübschen französischen Schlager mit dem Titel "Les neiges du Kilimandjaro". Für uns Deutsche war es der Schnee von vorgestern.
Freitag, 13. April 2012
Diese Woche machte eine Umfrage Schlagzeilen: Die Piraten haben laut Forsa die Grünen in der Wählergunst abgehängt. 13 Prozent zu 11 Prozent lautet nun das Verhältnis. Das ist ein politisch hochinteressanter Vorgang, aber auch aus sprachlichen Gründen lohnt sich das nähere Hinschauen.
Der Ursprung der beiden Parteien ähnelt sich bekanntlich: Irgendwann formierte sich eine Protestbewegung und zog dann mehr und mehr Wähler an. Während aber der Name der Grünen – Grün als Symbol des Eintretens für die Natur – von Anfang an positiv besetzt war und dies immer blieb, lief die Sache bei den Piraten anders ab.
Geprägt wurde der Begriff Piraten um das Jahr 2000 von der Musik- und Filmindustrie, um damit Personen zu brandmarken, die unrechtmäßig Kopien im Internet zogen. Aber die derart Abqualifizierten drehten den Spieß einfach um, verkauften fortan das Schimpfwort als positiv besetztes Markenzeichen für Bürgerfreiheit – und das hat funktioniert. Wobei hier sicherlich die ganze Aura der Piraterie eine Rolle spielte. Denn mag man sie Piraten nennen oder Seeräuber, Freibeuter oder Korsaren, all die gesetzlosen Außenseiter auf den Weltmeeren umgibt – so ähnlich wie bei Robin Hood – schon immer ein Hauch von sozialromantischer Schwärmerei.
Diese ungebrochene Faszination ist nicht zuletzt an Fastnacht zu erleben, wenn sich ansonsten kreuzbrave Bürger eine schwarze Augenklappe aufsetzen und einen auf Captain Flint machen. Oder aber wenn Millionen von Kinogängern einem Jack Sparrow alias Johnny Depp bei seinen karibischen Kaperfahrten zu Füßen liegen.
In der Sprachwissenschaft gibt es den Begriff des Euphemismus für ein beschönigendes Wort.
Wenn man zum Beispiel einschlafen sagt statt sterben, Minuswachstum statt Rezession, Schadstoffemission statt Luftververgiftung.
Und es gibt das Gegenteil: den Dysphemismus, das herabsetzende Wort. Wenn zum Beispiel ein kritischer Geist als Querulant verunglimpft wird und eine Regierung als Regime, oder wenn man – wie gerade in Syrien zu erleben – oppositionelle Kräfte als Terroristen zusammenkartätscht.
Nun weisen allerdings Sprachpsychologen darauf hin, dass hier auch gegenläufige Prozesse ablaufen. Von einer Euphemismus-Tretmühle spricht man, wenn ein ursprünglich beschönigendes Wort zum negativ besetzten wird. Ein gutes Exempel ist abwickeln: So nannten die Macher der Treuhand verharmlosend das Abschaffen ganzer Industriezweige der Ex-DDR. Durch den andauernden Gebrauch – deswegen Tretmühle – fiel der Euphemismus allerdings auf die Erfinder des Wortes selbst zurück und wurde zum Synonym für einen kaltschnäuzigen Kahlschlag.
Aber auch die gerade umgekehrt arbeitende Dysphemismus-Tretmühle sorgt immer wieder einmal für Bedeutungsveränderungen: So heften sich Homosexuelle heutzutage das frühere Schmähwort schwul wie einen Orden an die Brust. Zum Slutwalk (Schlampenmarsch) treffen sich Frauen, um für ihre sexuelle Selbstbestimmung in punkto Kleidung zu demonstrieren. Und – was zu beweisen war – die neuerdings umschwärmten Freibeuter des Internets lehren die bereits etablierten Parteien das Fürchten, indem sie Gewinn aus ihrem Außenseiterstatus ziehen.
Bis sie eines Tages selbst etabliert sind – und dann lehrt man sie das Fürchten.
Der Ursprung der beiden Parteien ähnelt sich bekanntlich: Irgendwann formierte sich eine Protestbewegung und zog dann mehr und mehr Wähler an. Während aber der Name der Grünen – Grün als Symbol des Eintretens für die Natur – von Anfang an positiv besetzt war und dies immer blieb, lief die Sache bei den Piraten anders ab.
Geprägt wurde der Begriff Piraten um das Jahr 2000 von der Musik- und Filmindustrie, um damit Personen zu brandmarken, die unrechtmäßig Kopien im Internet zogen. Aber die derart Abqualifizierten drehten den Spieß einfach um, verkauften fortan das Schimpfwort als positiv besetztes Markenzeichen für Bürgerfreiheit – und das hat funktioniert. Wobei hier sicherlich die ganze Aura der Piraterie eine Rolle spielte. Denn mag man sie Piraten nennen oder Seeräuber, Freibeuter oder Korsaren, all die gesetzlosen Außenseiter auf den Weltmeeren umgibt – so ähnlich wie bei Robin Hood – schon immer ein Hauch von sozialromantischer Schwärmerei.
Diese ungebrochene Faszination ist nicht zuletzt an Fastnacht zu erleben, wenn sich ansonsten kreuzbrave Bürger eine schwarze Augenklappe aufsetzen und einen auf Captain Flint machen. Oder aber wenn Millionen von Kinogängern einem Jack Sparrow alias Johnny Depp bei seinen karibischen Kaperfahrten zu Füßen liegen.
In der Sprachwissenschaft gibt es den Begriff des Euphemismus für ein beschönigendes Wort.
Wenn man zum Beispiel einschlafen sagt statt sterben, Minuswachstum statt Rezession, Schadstoffemission statt Luftververgiftung.
Und es gibt das Gegenteil: den Dysphemismus, das herabsetzende Wort. Wenn zum Beispiel ein kritischer Geist als Querulant verunglimpft wird und eine Regierung als Regime, oder wenn man – wie gerade in Syrien zu erleben – oppositionelle Kräfte als Terroristen zusammenkartätscht.
Nun weisen allerdings Sprachpsychologen darauf hin, dass hier auch gegenläufige Prozesse ablaufen. Von einer Euphemismus-Tretmühle spricht man, wenn ein ursprünglich beschönigendes Wort zum negativ besetzten wird. Ein gutes Exempel ist abwickeln: So nannten die Macher der Treuhand verharmlosend das Abschaffen ganzer Industriezweige der Ex-DDR. Durch den andauernden Gebrauch – deswegen Tretmühle – fiel der Euphemismus allerdings auf die Erfinder des Wortes selbst zurück und wurde zum Synonym für einen kaltschnäuzigen Kahlschlag.
Aber auch die gerade umgekehrt arbeitende Dysphemismus-Tretmühle sorgt immer wieder einmal für Bedeutungsveränderungen: So heften sich Homosexuelle heutzutage das frühere Schmähwort schwul wie einen Orden an die Brust. Zum Slutwalk (Schlampenmarsch) treffen sich Frauen, um für ihre sexuelle Selbstbestimmung in punkto Kleidung zu demonstrieren. Und – was zu beweisen war – die neuerdings umschwärmten Freibeuter des Internets lehren die bereits etablierten Parteien das Fürchten, indem sie Gewinn aus ihrem Außenseiterstatus ziehen.
Bis sie eines Tages selbst etabliert sind – und dann lehrt man sie das Fürchten.
Freitag, 30. März 2012
„Warum gehen Sie fast nie auf Wörter im Dialekt ein?“ So fragte jetzt wieder einmal eine Leserin ziemlich unwirsch an.
Die Antwort ist einfach: Weil man da allzu leicht zwischen alle Fronten gerät. Denn Rechtschreibung ist seit der reformierten Reform der Rechtschreibreform ohnehin schon ein schwieriges Geschäft. Aber beim Dialekt versagt jede Rechtschreibung, da sich jeder das Recht herausnimmt, die Laute so in Buchstaben umzusetzen, wie es ihm rechtens erscheint – und das variiert manchmal schon von Dorf zu Dorf.
Nehmen wir nur mal das Wort Brestling, wie die Schwaben gemeinhin zur Erdbeere sagen. Da ist von Brestling über Breschtling, Bräschtling, Bräschtleng, Prestling, Prestleng und Präschtling bis Präschtleng zwar alles möglich, aber die Bevorzugung der einen oder anderen Variante in der Zeitung löst fast schon Blutfehden aus.
Doch damit nicht genug des Dilemmas: Denn aus Brestlingen macht die schwäbische Hausfrau bekanntlich Gsälz, und da kursiert auch die Nebenform Gselz, was schnell zu einem neuen Glaubenskrieg führen kann.
Aber wenn wir schon mal beim Gsälz sind, so wollen wir hier etwas tiefer eintauchen und eine oft gestellte Frage abhaken: Was die Variante Gsälz schon von der Schreibe her nahelegt, stimmt in der Tat. Obwohl es sich hier um süße Marmelade dreht, geht das Wort auf die Wurzel Salz zurück. Etwas vereinfacht dargestellt: Weil man früher Salz zum Konservieren von Speisen benutzte, wurde im Lauf der Zeit auch durch Zucker und Gewürze haltbar gemachtes Obst als Gesalzenes/Gesalztes bezeichnet und im Schwäbischen eben als Gsälz.
Damit wird aber der Blick frei auf eine ganze Wortfamilie: Das lateinische sal für Salz steckt in Begriffen wie Saline, wie man Anlagen zur Verdunstung von Salzwasser nennt, oder auch Salpeter, das auf lateinisch sal petrae zurückgeht, also das Salz, das sich an Felsen bildet. (Nur zur Erinnerung: Du bist Petrus, der Fels…)
In der Salami steckt neben vielem Undefinierbarem auch ein altes italienisches Wort für Salzfleisch, das Salär war bei den alten Römern der in kostbarem Salz ausbezahlte Sold des Legionärs, und schließlich bedeutet unser Wort Sauce/Soße, das über das Französische auf vulgärlateinisch salsa zurückgeht, eigentlich nichts anders als salzige, würzige Brühe.
Womit wir jetzt bei den lateinamerikanischen Tänzen gelandet sind. Die aus der Karibik importierte Salsa heißt wohl so, weil es dabei auch ganz schön scharf hergehen kann.
Und was ist, wenn ein Gsälzbär eine flotte Chica zur Salsa bittet? Dann hat sie eher Pech gehabt. Ein Gsälzbär ist im Schwabenland so etwas wie ein tapsiger Teddy, sprich: ein unbedarfter Zeitgenosse. Und einem solchen Tollpatsch geht jeder Pfeffer ab – bis zum Beweis des Gegenteils, wohlgemerkt.
Oléle!
Die Antwort ist einfach: Weil man da allzu leicht zwischen alle Fronten gerät. Denn Rechtschreibung ist seit der reformierten Reform der Rechtschreibreform ohnehin schon ein schwieriges Geschäft. Aber beim Dialekt versagt jede Rechtschreibung, da sich jeder das Recht herausnimmt, die Laute so in Buchstaben umzusetzen, wie es ihm rechtens erscheint – und das variiert manchmal schon von Dorf zu Dorf.
Nehmen wir nur mal das Wort Brestling, wie die Schwaben gemeinhin zur Erdbeere sagen. Da ist von Brestling über Breschtling, Bräschtling, Bräschtleng, Prestling, Prestleng und Präschtling bis Präschtleng zwar alles möglich, aber die Bevorzugung der einen oder anderen Variante in der Zeitung löst fast schon Blutfehden aus.
Doch damit nicht genug des Dilemmas: Denn aus Brestlingen macht die schwäbische Hausfrau bekanntlich Gsälz, und da kursiert auch die Nebenform Gselz, was schnell zu einem neuen Glaubenskrieg führen kann.
Aber wenn wir schon mal beim Gsälz sind, so wollen wir hier etwas tiefer eintauchen und eine oft gestellte Frage abhaken: Was die Variante Gsälz schon von der Schreibe her nahelegt, stimmt in der Tat. Obwohl es sich hier um süße Marmelade dreht, geht das Wort auf die Wurzel Salz zurück. Etwas vereinfacht dargestellt: Weil man früher Salz zum Konservieren von Speisen benutzte, wurde im Lauf der Zeit auch durch Zucker und Gewürze haltbar gemachtes Obst als Gesalzenes/Gesalztes bezeichnet und im Schwäbischen eben als Gsälz.
Damit wird aber der Blick frei auf eine ganze Wortfamilie: Das lateinische sal für Salz steckt in Begriffen wie Saline, wie man Anlagen zur Verdunstung von Salzwasser nennt, oder auch Salpeter, das auf lateinisch sal petrae zurückgeht, also das Salz, das sich an Felsen bildet. (Nur zur Erinnerung: Du bist Petrus, der Fels…)
In der Salami steckt neben vielem Undefinierbarem auch ein altes italienisches Wort für Salzfleisch, das Salär war bei den alten Römern der in kostbarem Salz ausbezahlte Sold des Legionärs, und schließlich bedeutet unser Wort Sauce/Soße, das über das Französische auf vulgärlateinisch salsa zurückgeht, eigentlich nichts anders als salzige, würzige Brühe.
Womit wir jetzt bei den lateinamerikanischen Tänzen gelandet sind. Die aus der Karibik importierte Salsa heißt wohl so, weil es dabei auch ganz schön scharf hergehen kann.
Und was ist, wenn ein Gsälzbär eine flotte Chica zur Salsa bittet? Dann hat sie eher Pech gehabt. Ein Gsälzbär ist im Schwabenland so etwas wie ein tapsiger Teddy, sprich: ein unbedarfter Zeitgenosse. Und einem solchen Tollpatsch geht jeder Pfeffer ab – bis zum Beweis des Gegenteils, wohlgemerkt.
Oléle!
Freitag, 23. März 2012
Der Seifensieder als Auslaufmodell
Frage eines Lesers: "Was ist eigentlich ein Metzgersgang?"
Eine interessante Frage, denn die naheliegende Erklärung – der Gang in die Metzgerei, um sich mit Fleisch und Wurst zu versorgen – führt in die Irre.
Die Redensart, mit der auf ein vergebliches Unterfangen angespielt wird, kommt vielmehr aus früheren Zeiten, als der Metzger noch über Land fahren musste, um sein Schlachtvieh zu kaufen. Fand er keine ihm genehme Kuh oder wurde er mit dem Bauern nicht handelseinig, so hatte er einen Metzgersgang gemacht.
An Redensarten aus den verschiedensten Berufsfeldern ist kein Mangel: Schuster, bleib bei deinem Leisten! – so rät man jemand, der sich bei etwas übernommen hat. Wobei der Leisten das Holzstück in Form eines Fußes ist, über das der Schuhmacher das Leder spannt.
Aber warum friert man wie ein Schneider? Schneider waren schlecht bezahlt, saßen beim Nähen stundenlang im ebenfalls sprichwörtlichen Schneidersitz auf dem Tisch in der kalten Stube und waren – denken wir an Schneider Böck in „Max und Moritz“ – gemeinhin spindeldürr.
Warum ausgerechnet die Kesselflicker, die übers Land zogen und Kochgerätschaften reparierten, für ihr unflätiges Fluchen bekannt waren, bleibt im Dunkeln.
Klarer liegt der Fall dagegen bei den Bürstenbindern. Ihnen sagt man nach, dass sie gerne einen über den Durst tranken. Sprachforscher meinen, hier klinge zum einen das alte Wort bürsten für sich volllaufen lassen an, und bei Binder denke man unweigerlich an jemand, der Hochprozentiges hinter die Binde, sprich: hinter den Schlips gießt. Vielleicht war das ehrwürdige Handwerk des Bürstenbinders aber auch nur ein besonders staubiges Geschäft.
Eines ist bei diesen Beispielen allemal klar: Um richtig moderne Berufe handelt es sich nicht. Der Volksmund spiegelt halt immer althergebrachte Verhaltensweisen. Heutige Industrie-Elektroniker, Prozess-Controller oder Software-Entwickler haben sicherlich auch ihre Marotten, doch die sind halt noch nicht redensartenreif. Aber wer weiß, vielleicht sagt man bald einmal: Mir geht ein Soap-Entwickler auf. Früher hieß es: Mir geht ein Seifensieder auf – und gemeint war, weil Seifensieder auch Kerzen machten, ganz einfach ein Licht.
Eine interessante Frage, denn die naheliegende Erklärung – der Gang in die Metzgerei, um sich mit Fleisch und Wurst zu versorgen – führt in die Irre.
Die Redensart, mit der auf ein vergebliches Unterfangen angespielt wird, kommt vielmehr aus früheren Zeiten, als der Metzger noch über Land fahren musste, um sein Schlachtvieh zu kaufen. Fand er keine ihm genehme Kuh oder wurde er mit dem Bauern nicht handelseinig, so hatte er einen Metzgersgang gemacht.
An Redensarten aus den verschiedensten Berufsfeldern ist kein Mangel: Schuster, bleib bei deinem Leisten! – so rät man jemand, der sich bei etwas übernommen hat. Wobei der Leisten das Holzstück in Form eines Fußes ist, über das der Schuhmacher das Leder spannt.
Aber warum friert man wie ein Schneider? Schneider waren schlecht bezahlt, saßen beim Nähen stundenlang im ebenfalls sprichwörtlichen Schneidersitz auf dem Tisch in der kalten Stube und waren – denken wir an Schneider Böck in „Max und Moritz“ – gemeinhin spindeldürr.
Warum ausgerechnet die Kesselflicker, die übers Land zogen und Kochgerätschaften reparierten, für ihr unflätiges Fluchen bekannt waren, bleibt im Dunkeln.
Klarer liegt der Fall dagegen bei den Bürstenbindern. Ihnen sagt man nach, dass sie gerne einen über den Durst tranken. Sprachforscher meinen, hier klinge zum einen das alte Wort bürsten für sich volllaufen lassen an, und bei Binder denke man unweigerlich an jemand, der Hochprozentiges hinter die Binde, sprich: hinter den Schlips gießt. Vielleicht war das ehrwürdige Handwerk des Bürstenbinders aber auch nur ein besonders staubiges Geschäft.
Eines ist bei diesen Beispielen allemal klar: Um richtig moderne Berufe handelt es sich nicht. Der Volksmund spiegelt halt immer althergebrachte Verhaltensweisen. Heutige Industrie-Elektroniker, Prozess-Controller oder Software-Entwickler haben sicherlich auch ihre Marotten, doch die sind halt noch nicht redensartenreif. Aber wer weiß, vielleicht sagt man bald einmal: Mir geht ein Soap-Entwickler auf. Früher hieß es: Mir geht ein Seifensieder auf – und gemeint war, weil Seifensieder auch Kerzen machten, ganz einfach ein Licht.
Freitag, 16. März 2012
Wer stiehlt schon eine Stele!
"Verbaselt Bayern jetzt die Champions League?" Kaum ein Medium hat sich nach dem Debakel der Münchner Kicker beim Hinspiel gegen Basel vor drei Wochen dieses hübsche Wortspiel entgehen lassen. Seit dem 7:0 vom Dienstagabend wissen wir, dass diese Angst unbegründet war. Dagegen haben jetzt die Basler ihr Weiterkommen in Europas Spitzenfußballwettbewerb verbaselt.
Wobei sich schon einmal die Frage aufdrängt, was dieses verbaseln eigentlich bedeutet. Wie zu erwarten, hat das Wort mit der Schweizer Stadt und ihren schaffigen Bürgern rein gar nichts zu tun. Verbaseln im Sinn von verbocken, verschlafen, verschlampen, verschwitzen, verbummeln, versieben kommt von einem mittelniederdeutschen Wort vorbasen, und das gehört wiederum zu basen = unsinnig reden, unsinnig handeln.
So kann der Schein trügen.
Aber apropos Schein: Journalisten sind ohnehin nie dagegen gefeit, in der Schnelle des aufreibenden Tagesgeschäfts dem Schein zu erliegen. Weil unsere Leser jedoch stets ein waches Auge auf die Zeitung haben, entgehen ihnen solche Schnitzer nicht, und sie melden sich.
Drei Ordnungsrufe aus jüngerer Zeit seien hier zitiert: Wenn ein Pfarrer das Amt des Dekans begleitet, so ist das falsch. Er bekleidet es, und dabei klingt wirklich die alte Sitte an, jemand bei Antritt seines Amtes feierlich einzukleiden (lateinisch investire). So ging es ja beim Investiturstreit im Mittelalter darum, wer Bischöfe einkleiden, sprich: ernennen durfte – ob der Kaiser oder der Papst.
Eine Fehlleistung war es auch, als unlängst in einem Bericht eine Stehle auftauchte, die jetzt in einer oberschwäbischen Kleinstadt steht. Gemeint war vielmehr eine Stele, und so nannten schon die alten Griechen freistehende Säulen, Pfeiler oder hohe, schlanke Grabmäler.
Kaum ausrotten lässt sich schließlich ein weiterer Lapsus: Immer wieder einmal treten Leute eine Gradwanderung an. Aber auch das ist selbstredend Unsinn, weil hier ja niemand über einen Grad, also eine Einheit für Temperatur oder Winkel, hinweg marschiert, sondern über einen Gebirgskamm – ob in Wirklichkeit oder im übertragenen Sinn.
Um den Grad geht es allerdings in der Formulierung von hohen Graden. Jemand ist zum Beispiel ein Musiker von hohen Graden, und nicht von hohen Gnaden, wie man es oft liest, weil da an begnadet gedacht wird.
Beim richtigen Sprachgebrauch bewegt man sich eben auf schmalem Grat, und sehr schnell ist da etwas verbaselt. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt – zum Beispiel die Hoffnung auf Besserung. Siehe FC Bayern!
Wobei sich schon einmal die Frage aufdrängt, was dieses verbaseln eigentlich bedeutet. Wie zu erwarten, hat das Wort mit der Schweizer Stadt und ihren schaffigen Bürgern rein gar nichts zu tun. Verbaseln im Sinn von verbocken, verschlafen, verschlampen, verschwitzen, verbummeln, versieben kommt von einem mittelniederdeutschen Wort vorbasen, und das gehört wiederum zu basen = unsinnig reden, unsinnig handeln.
So kann der Schein trügen.
Aber apropos Schein: Journalisten sind ohnehin nie dagegen gefeit, in der Schnelle des aufreibenden Tagesgeschäfts dem Schein zu erliegen. Weil unsere Leser jedoch stets ein waches Auge auf die Zeitung haben, entgehen ihnen solche Schnitzer nicht, und sie melden sich.
Drei Ordnungsrufe aus jüngerer Zeit seien hier zitiert: Wenn ein Pfarrer das Amt des Dekans begleitet, so ist das falsch. Er bekleidet es, und dabei klingt wirklich die alte Sitte an, jemand bei Antritt seines Amtes feierlich einzukleiden (lateinisch investire). So ging es ja beim Investiturstreit im Mittelalter darum, wer Bischöfe einkleiden, sprich: ernennen durfte – ob der Kaiser oder der Papst.
Eine Fehlleistung war es auch, als unlängst in einem Bericht eine Stehle auftauchte, die jetzt in einer oberschwäbischen Kleinstadt steht. Gemeint war vielmehr eine Stele, und so nannten schon die alten Griechen freistehende Säulen, Pfeiler oder hohe, schlanke Grabmäler.
Kaum ausrotten lässt sich schließlich ein weiterer Lapsus: Immer wieder einmal treten Leute eine Gradwanderung an. Aber auch das ist selbstredend Unsinn, weil hier ja niemand über einen Grad, also eine Einheit für Temperatur oder Winkel, hinweg marschiert, sondern über einen Gebirgskamm – ob in Wirklichkeit oder im übertragenen Sinn.
Um den Grad geht es allerdings in der Formulierung von hohen Graden. Jemand ist zum Beispiel ein Musiker von hohen Graden, und nicht von hohen Gnaden, wie man es oft liest, weil da an begnadet gedacht wird.
Beim richtigen Sprachgebrauch bewegt man sich eben auf schmalem Grat, und sehr schnell ist da etwas verbaselt. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt – zum Beispiel die Hoffnung auf Besserung. Siehe FC Bayern!
Freitag, 9. März 2012
Im Nachgang zur letzten Plauderei, in der es unter anderem um Abkürzungen wie P + M für Parken und Mitnehmen ging, bietet sich ein ähnliches Thema an. Schon öfter haben Leser nachgefragt, warum eigentlich manche Abkürzungen wie ein Wort gesprochen werden, andere aber Buchstabe für Buchstabe. Warum man also UNESCO zusammenhängend liest, ADAC aber nicht. Um es gleich vorwegzunehmen: Klare Regeln fehlen hier.
Bei vielen dieser sogenannten Initialkurzwörter, die aus den ersten Buchstaben anderer Wörter gebildet sind, spricht man aus naheliegenden Gründen Buchstabe für Buchstabe: BGB, AKW, CDU, KGB, UKW, ZDF, CVJM. Denn wohlklingende Sprachgebilde sind hier beim besten Willen nicht zu erwarten.
Bei Abkürzungen wie ARD, USA oder MAN böte sich eine Aussprache als Wort von der Lautfolge her zwar an, aber man macht es trotzdem nicht.
Dagegen haben andere Abkürzungen wirklich den Charakter von Wörtern angenommen und werden auch wie solche gesprochen: UNICEF, NATO, UNO, UFO, DAX, AIDS, SARS. Für viele unter ihnen hat sich mit der Zeit neben der Großschreibung auch die Kleinschreibung eingebürgert, also Unicef, Nato, Uno, Ufo, Dax, Aids, Sars. Bei anderen Abkürzungen wie TÜV oder GAU wiederum wird die Kleinschreibung bislang vermieden.
Und nun noch zu einem Sonderfall: WLAN für Wireless Local Area Network (drahtloses lokales Netzwerk) wird normalerweise großgeschrieben und gemischt gesprochen, zunächst das W solo und dann das LAN, also WeLAN.
Da lobt man sich doch jenes einfache GZ, das gestern in aller Munde war. Wobei das nicht die Hälfte von GZSZ (Gute Zeiten Schlechte Zeiten) ist, sondern im Bundeswehrjargon die Abkürzung für Großer Zapfenstreich.
Im Rahmen einer Sprachglosse drängt sich zwangsläufig die Frage auf, welcher Zapfen da eigentlich gestrichen wird. Ganz einfach: Streich ist ein altes deutsches Wort für Schlag. So gibt es den Backenstreich, den Staatsstreich und eben auch den Zapfenstreich, bei dem ursprünglich mal gegen Mitternacht mit dem Degen an den Zapfhahn des Bierfasses geschlagen wurde, um allzu trinkfreudigen Soldaten das Ende des Ausschanks anzukündigen. Später wurde daraus der Kasernenschluss und im übertragenen Sinn der große Auftritt zum Abtritt eines mehr oder minder großen Staatsmannes.
GZSZ ist übrigens ein gutes Stichwort: Wie die Wulff-Soap letztlich weitergeht, wissen wir ja noch nicht. Aber wie sagt man so schön im Volksmund? Zunächst mal ist bei unserem Ex-BP der Zapfen ab.
Bei vielen dieser sogenannten Initialkurzwörter, die aus den ersten Buchstaben anderer Wörter gebildet sind, spricht man aus naheliegenden Gründen Buchstabe für Buchstabe: BGB, AKW, CDU, KGB, UKW, ZDF, CVJM. Denn wohlklingende Sprachgebilde sind hier beim besten Willen nicht zu erwarten.
Bei Abkürzungen wie ARD, USA oder MAN böte sich eine Aussprache als Wort von der Lautfolge her zwar an, aber man macht es trotzdem nicht.
Dagegen haben andere Abkürzungen wirklich den Charakter von Wörtern angenommen und werden auch wie solche gesprochen: UNICEF, NATO, UNO, UFO, DAX, AIDS, SARS. Für viele unter ihnen hat sich mit der Zeit neben der Großschreibung auch die Kleinschreibung eingebürgert, also Unicef, Nato, Uno, Ufo, Dax, Aids, Sars. Bei anderen Abkürzungen wie TÜV oder GAU wiederum wird die Kleinschreibung bislang vermieden.
Und nun noch zu einem Sonderfall: WLAN für Wireless Local Area Network (drahtloses lokales Netzwerk) wird normalerweise großgeschrieben und gemischt gesprochen, zunächst das W solo und dann das LAN, also WeLAN.
Da lobt man sich doch jenes einfache GZ, das gestern in aller Munde war. Wobei das nicht die Hälfte von GZSZ (Gute Zeiten Schlechte Zeiten) ist, sondern im Bundeswehrjargon die Abkürzung für Großer Zapfenstreich.
Im Rahmen einer Sprachglosse drängt sich zwangsläufig die Frage auf, welcher Zapfen da eigentlich gestrichen wird. Ganz einfach: Streich ist ein altes deutsches Wort für Schlag. So gibt es den Backenstreich, den Staatsstreich und eben auch den Zapfenstreich, bei dem ursprünglich mal gegen Mitternacht mit dem Degen an den Zapfhahn des Bierfasses geschlagen wurde, um allzu trinkfreudigen Soldaten das Ende des Ausschanks anzukündigen. Später wurde daraus der Kasernenschluss und im übertragenen Sinn der große Auftritt zum Abtritt eines mehr oder minder großen Staatsmannes.
GZSZ ist übrigens ein gutes Stichwort: Wie die Wulff-Soap letztlich weitergeht, wissen wir ja noch nicht. Aber wie sagt man so schön im Volksmund? Zunächst mal ist bei unserem Ex-BP der Zapfen ab.
Freitag, 2. März 2012
Park + Ride, Knutsch + Weg
Reisen bildet – und wenn es nur um ein simples Verkehrszeichen geht. Seit geraumer Zeit sind manche Parkplätze an Autobahn-Auffahrten mit einem blauen Schild gekennzeichnet: P + M. Was auf solchen Plätzen passiert, ist klar: Pendler stellen dort ihre Autos ab und steigen bei Kollegen ein.
Aber was heißt das Kürzel genau? Ganz einfach: Parken und Mitfahren. Wenn da viele ins Grübeln kommen, so ist das allerdings verständlich. Denn auf diese simple Lösung kommt man schon gar nicht mehr angesichts ähnlicher, aber englisch angehauchter Verkehrszeichen wie P + R, das - wenn ausgeschrieben - für Park + Ride steht oder für Park + Rail, also für das Umsteigen vom Auto in eine Straßenbahn oder vom Auto in einen Zug.
Fairerweise sei es angemerkt: Im offiziellen Verkehrszeichenkatalog wird die Abkürzung P+R bislang immer noch als Parken und Reisen geführt. Aber durchgesetzt haben sich die englischen Bezeichnungen, wobei hier ja auch differenziert wird: ride steht allgemein für fahren, rail dagegen für mit der Eisenbahn fahren.
Wie zu erwarten, ließen sich andere Werbestrategen von solchen als besonders trendy empfundenen Anglizismen anstecken. Mit Bike + Ride oder Bike + Rail wird für Fahrradunterstände an Busparkplätzen oder Bahnhöfen geworben. Schilder mit Park + Fly sowie Rail + Fly finden sich an Flugplätzen. Und Kiss + Fly steht seit einiger Zeit an jenen Seitenstreifen, wo man Flugpassagiere kurz aussteigen lassen kann. Will sagen: „Küsschen zum Abschied – und dann aber hopp!“
Kiss + Ride gibt es ebenfalls. Aber hier sind Fehlinterpretationen möglich. So entbrannte in Wien ein heftiger Streit wegen Kiss + Ride-Bereichen am Bahnhof. Weil sie unweit eines Amüsierviertels platziert waren, lösten die Schilder bei manchen Zeitgenossen mit überbordender Fantasie wohl pikante Assoziationen aus. Selbst die Kirche wurde eingeschaltet…
Bei Küssen + Fahren wäre das nicht passiert. Auch nicht bei Küss + Tschüss, was noch griffiger wäre, und selbst nicht bei Knutsch + Weg. Unsere Deutsche Bahn hat schließlich auch versprochen, die Anglizismen-Flut einzudämmen, also wieder wegzukommen von Service Point für Auskunft oder Ticket Counter für Fahrkartenschalter – übrigens beides Begriffe, die so im Englischen gar nicht existieren. Längst weiß man ja, wie viele Bürger – weit über 50 Prozent sind des Englischen nicht mächtig – an solchen Schildern vorbeilaufen, ohne sie zu verstehen.
Apropos: Ein bayerischer Friseur warb vor einiger Zeit mit dem Spruch „Your head is our universe“. Ein Kunde nahm das wörtlich, rief auf Englisch an, um einen Termin auszumachen. Und was hörte er am anderen Ende der Leitung? Zunächst Schweigen, und dann den Ruf in den Raum: „Do is oaner, der red so komisch.“
Aber was heißt das Kürzel genau? Ganz einfach: Parken und Mitfahren. Wenn da viele ins Grübeln kommen, so ist das allerdings verständlich. Denn auf diese simple Lösung kommt man schon gar nicht mehr angesichts ähnlicher, aber englisch angehauchter Verkehrszeichen wie P + R, das - wenn ausgeschrieben - für Park + Ride steht oder für Park + Rail, also für das Umsteigen vom Auto in eine Straßenbahn oder vom Auto in einen Zug.
Fairerweise sei es angemerkt: Im offiziellen Verkehrszeichenkatalog wird die Abkürzung P+R bislang immer noch als Parken und Reisen geführt. Aber durchgesetzt haben sich die englischen Bezeichnungen, wobei hier ja auch differenziert wird: ride steht allgemein für fahren, rail dagegen für mit der Eisenbahn fahren.
Wie zu erwarten, ließen sich andere Werbestrategen von solchen als besonders trendy empfundenen Anglizismen anstecken. Mit Bike + Ride oder Bike + Rail wird für Fahrradunterstände an Busparkplätzen oder Bahnhöfen geworben. Schilder mit Park + Fly sowie Rail + Fly finden sich an Flugplätzen. Und Kiss + Fly steht seit einiger Zeit an jenen Seitenstreifen, wo man Flugpassagiere kurz aussteigen lassen kann. Will sagen: „Küsschen zum Abschied – und dann aber hopp!“
Kiss + Ride gibt es ebenfalls. Aber hier sind Fehlinterpretationen möglich. So entbrannte in Wien ein heftiger Streit wegen Kiss + Ride-Bereichen am Bahnhof. Weil sie unweit eines Amüsierviertels platziert waren, lösten die Schilder bei manchen Zeitgenossen mit überbordender Fantasie wohl pikante Assoziationen aus. Selbst die Kirche wurde eingeschaltet…
Bei Küssen + Fahren wäre das nicht passiert. Auch nicht bei Küss + Tschüss, was noch griffiger wäre, und selbst nicht bei Knutsch + Weg. Unsere Deutsche Bahn hat schließlich auch versprochen, die Anglizismen-Flut einzudämmen, also wieder wegzukommen von Service Point für Auskunft oder Ticket Counter für Fahrkartenschalter – übrigens beides Begriffe, die so im Englischen gar nicht existieren. Längst weiß man ja, wie viele Bürger – weit über 50 Prozent sind des Englischen nicht mächtig – an solchen Schildern vorbeilaufen, ohne sie zu verstehen.
Apropos: Ein bayerischer Friseur warb vor einiger Zeit mit dem Spruch „Your head is our universe“. Ein Kunde nahm das wörtlich, rief auf Englisch an, um einen Termin auszumachen. Und was hörte er am anderen Ende der Leitung? Zunächst Schweigen, und dann den Ruf in den Raum: „Do is oaner, der red so komisch.“
Freitag, 24. Februar 2012
Unlängst war in einem Leitartikel der SZ vom Lackmustest die Rede. Weil ohnehin Leser schon oft nach diesem Begriff gefragt haben, sei er hier einmal erklärt: Lackmus ist ein aus dem Niederländischen stammendes Wort für einen aus Baumflechten gewonnenen blau-rot-violetten Farbstoff, der je nach ph-Wert die Farbe ändert. So dient der Lackmustest – ob mit einer Tinktur oder mit einem Papierstreifen – zur Bestimmung von Säuren und Basen in der Chemie.
Im übertragenen Sinn bedeutet Lackmustest dann logischerweise die Prüfung eines Sachverhalts mit dem Blick auf unterschiedliche Konsequenzen. So wäre zurzeit folgender Satz möglich: "Die Einhaltung der Sparziele durch die Griechen wird nun zum Lackmustest für weitere Hilfsmaßnahmen von EU und IWF."
Das ist auch eine durchaus gängige Formulierung. Man darf nur dieses Wort Lackmus nicht mit Lapsus verwechseln, was immer wieder einmal passiert. Denn Lapsus kommt aus dem Lateinischen, heißt ursprünglich Fehltritt und wird heute generell im Sinn von Fehler, Schnitzer, Versehen verwandt.
Aber apropos Lapsus: Letzte Woche war Schmutziger Donnerstag. Da werden die Rathäuser in Oberschwaben stillgelegt, und da sollte man vielleicht auch seinen PC stilllegen und keine Sprachplaudereien schreiben. Sonst riskiert man in der Tat einen peinlichen Lapsus. Es war natürlich nicht – wie in der Plauderei vom vergangenen Freitag behauptet – Odysseus, der vor den Toren Thebens als einziger das Rätsel der menschenfressenden Sphinx löste, sondern Ödipus. Eine spontane Fehlschaltung wider besseres Wissen – und schon war es passiert. Zwar meldeten sich gerade mal sieben Leser und monierten diesen Ausrutscher, aber ihnen soll hiermit signalisiert werden: Auch ein nach-antiker Mensch weiß, wann er sich wacker zu dem unausweichlichen Schicksal bekennen muss, das ihm die Parzen weben.
Und wie sieht dieses Schicksal aus? Tragische Helden des klassischen Altertums stürzten sich in ihr Schwert. Das muss jetzt nicht unbedingt sein. Aber selbst wenn Rücktritte derzeit im Trend liegen, eine Demission als Glossenschreiber wäre wohl auch ein bisschen hart. Deswegen hier ein Angebot zur Güte: Ich überwinde meinen Odysseus-Komplex – und schreibe weiter.
Im übertragenen Sinn bedeutet Lackmustest dann logischerweise die Prüfung eines Sachverhalts mit dem Blick auf unterschiedliche Konsequenzen. So wäre zurzeit folgender Satz möglich: "Die Einhaltung der Sparziele durch die Griechen wird nun zum Lackmustest für weitere Hilfsmaßnahmen von EU und IWF."
Das ist auch eine durchaus gängige Formulierung. Man darf nur dieses Wort Lackmus nicht mit Lapsus verwechseln, was immer wieder einmal passiert. Denn Lapsus kommt aus dem Lateinischen, heißt ursprünglich Fehltritt und wird heute generell im Sinn von Fehler, Schnitzer, Versehen verwandt.
Aber apropos Lapsus: Letzte Woche war Schmutziger Donnerstag. Da werden die Rathäuser in Oberschwaben stillgelegt, und da sollte man vielleicht auch seinen PC stilllegen und keine Sprachplaudereien schreiben. Sonst riskiert man in der Tat einen peinlichen Lapsus. Es war natürlich nicht – wie in der Plauderei vom vergangenen Freitag behauptet – Odysseus, der vor den Toren Thebens als einziger das Rätsel der menschenfressenden Sphinx löste, sondern Ödipus. Eine spontane Fehlschaltung wider besseres Wissen – und schon war es passiert. Zwar meldeten sich gerade mal sieben Leser und monierten diesen Ausrutscher, aber ihnen soll hiermit signalisiert werden: Auch ein nach-antiker Mensch weiß, wann er sich wacker zu dem unausweichlichen Schicksal bekennen muss, das ihm die Parzen weben.
Und wie sieht dieses Schicksal aus? Tragische Helden des klassischen Altertums stürzten sich in ihr Schwert. Das muss jetzt nicht unbedingt sein. Aber selbst wenn Rücktritte derzeit im Trend liegen, eine Demission als Glossenschreiber wäre wohl auch ein bisschen hart. Deswegen hier ein Angebot zur Güte: Ich überwinde meinen Odysseus-Komplex – und schreibe weiter.
Freitag, 17. Februar 2012
Im Monster-Zoo der Antike
"Papademos bleibt nur die Wahl zwischen Skylla und Charybdis", so befand dieser Tage Claus Kleber im ZDF-"heute journal" mit Blick auf die zwei Monster der griechischen Mythologie.
Was er damit meinte, war klar: Erfüllt der Athener Ministerpräsident die Forderungen der EU nicht, so bleibt der Geldhahn zu. Erfüllt er sie, hat er große Probleme an der Heimatfront. Es geht also um die notgedrungene Wahl zwischen zwei Übeln.
Aber woher kommt das?
Auch auf die Gefahr hin, dass wieder einmal der Vorwurf der Bildungshuberei laut wird, wollen wir hier nachhaken. Denn alle diese Ungeheuer der Antike sind zwar schon weit über 2500 Jahre alt, aber sie treiben bis heute ihr Unwesen – zumindest sprachlich.
Mit Skylla und Charybdis bekam es der arme Odysseus zu tun, als er auf seinen Irrfahrten durch eine Meerenge hindurch musste: Auf dem einen Felsen hauste Charybdis, eine in Homers "Odyssee" nicht näher definierte abscheuliche Frauengestalt, die Unmengen von Wasser verschluckte und damit Schiffe zum Kentern brachte. Wollten die Seefahrer ihr aber ausweichen und passten nicht auf, so fielen sie in die Fänge der Skylla, eines hundeähnlichen Mischwesens mit sechs Köpfen sowie zwölf Beinen auf dem anderen Felsen, das sie dann genüsslich verschlang. Auch Odysseus büßte auf diese Art sechs Gefährten ein.
Mehr Glück war dem Helden mit der Sphinx beschieden. Dieses Fabeltier – geflügelter Löwenrumpf mit Mädchenkopf (bei den Ägyptern übrigens mit Männerkopf und ohne Flügel) – hauste auf einem Felsen und tötete jeden Wanderer, der ein ihm gestelltes Rätsel nicht lösen konnte. Daher rührt unser Ausdruck von der rätselhaften Sphinx, wie man eine undurchschaubare Frau gerne nennt. Odysseus aber fand die Lösung, und da stürzte sich das Ungetüm aus Scham in die Tiefe.
Einige Mühe hatte dagegen ein anderer alter Grieche mit einem besonders wüsten Biest. Herakles musste auf seiner Heldentour gegen die Hydra kämpfen, eine riesige Wasserschlange mit neun Köpfen, die unangenehmerweise wieder nachwuchsen, wenn man sie abschlug. Aber was ein echter Heros ist, der schafft so etwas. Auch dieses Ungeheuer lebt bis heute in Sprachgebrauch weiter, wenn man etwa die Mafia als Hydra bezeichnet, weil jeder Kampf gegen die vielköpfige Verbrecherorganisation als aussichtslos erscheint.
Und noch drei letzte Beispiele aus dem absurden Zoo der Antike: Sagt man über einen herrischen Hausmeister, Parkwächter oder Platzwart, er sei ein rechter Zerberus, so erinnert man an Kerberos, den griechischen Höllenhund mit seinen drei Köpfen und Schlangenschwanz, der am Eingang der Unterwelt unerbittlich darüber wachte, dass alles seine Ordnung hatte und niemand entfloh.
Die Chimeira wiederum war eine feuerspeiende Bestie, vorne Löwe, in der Mitte Ziege und hinten Drachen. In diesem Fall führte die völlig abstruse Gestalt zu der übertragenen Bedeutung von Hirngespinst oder Trugbild. Wer also heute Schimären sieht, hat Sinnestäuschungen.
Schließlich gibt es ein Fabeltier, dem man seine griechische Herkunft nicht sofort ansieht: den Greif. Auch dieser geflügelte Löwe mit Raubvogelkopf (lateinisch gryphius, griechisch gryps) geht auf ein Mischwesen aus frühen Kulturen zurück, das später – weil ausnahmsweise als Symbol der Stärke auch positiv belegt – in der Heraldik eine große Rolle spielte. Heute steht er als badischer Greif auf der linken Seite des Landeswappens von Baden-Württemberg, und derzeit wagt er mit seinem Gegenüber, dem württembergischen Hirsch, auf dem Emblem zu den 60-Jahr-Feiern des Landes gar ein flottes Tänzchen.
Die Monster sind halt auch nicht mehr das, was sie mal waren.
Aber kein Wunder, wir haben ja auch keine Helden mehr.
Was er damit meinte, war klar: Erfüllt der Athener Ministerpräsident die Forderungen der EU nicht, so bleibt der Geldhahn zu. Erfüllt er sie, hat er große Probleme an der Heimatfront. Es geht also um die notgedrungene Wahl zwischen zwei Übeln.
Aber woher kommt das?
Auch auf die Gefahr hin, dass wieder einmal der Vorwurf der Bildungshuberei laut wird, wollen wir hier nachhaken. Denn alle diese Ungeheuer der Antike sind zwar schon weit über 2500 Jahre alt, aber sie treiben bis heute ihr Unwesen – zumindest sprachlich.
Mit Skylla und Charybdis bekam es der arme Odysseus zu tun, als er auf seinen Irrfahrten durch eine Meerenge hindurch musste: Auf dem einen Felsen hauste Charybdis, eine in Homers "Odyssee" nicht näher definierte abscheuliche Frauengestalt, die Unmengen von Wasser verschluckte und damit Schiffe zum Kentern brachte. Wollten die Seefahrer ihr aber ausweichen und passten nicht auf, so fielen sie in die Fänge der Skylla, eines hundeähnlichen Mischwesens mit sechs Köpfen sowie zwölf Beinen auf dem anderen Felsen, das sie dann genüsslich verschlang. Auch Odysseus büßte auf diese Art sechs Gefährten ein.
Mehr Glück war dem Helden mit der Sphinx beschieden. Dieses Fabeltier – geflügelter Löwenrumpf mit Mädchenkopf (bei den Ägyptern übrigens mit Männerkopf und ohne Flügel) – hauste auf einem Felsen und tötete jeden Wanderer, der ein ihm gestelltes Rätsel nicht lösen konnte. Daher rührt unser Ausdruck von der rätselhaften Sphinx, wie man eine undurchschaubare Frau gerne nennt. Odysseus aber fand die Lösung, und da stürzte sich das Ungetüm aus Scham in die Tiefe.
Einige Mühe hatte dagegen ein anderer alter Grieche mit einem besonders wüsten Biest. Herakles musste auf seiner Heldentour gegen die Hydra kämpfen, eine riesige Wasserschlange mit neun Köpfen, die unangenehmerweise wieder nachwuchsen, wenn man sie abschlug. Aber was ein echter Heros ist, der schafft so etwas. Auch dieses Ungeheuer lebt bis heute in Sprachgebrauch weiter, wenn man etwa die Mafia als Hydra bezeichnet, weil jeder Kampf gegen die vielköpfige Verbrecherorganisation als aussichtslos erscheint.
Und noch drei letzte Beispiele aus dem absurden Zoo der Antike: Sagt man über einen herrischen Hausmeister, Parkwächter oder Platzwart, er sei ein rechter Zerberus, so erinnert man an Kerberos, den griechischen Höllenhund mit seinen drei Köpfen und Schlangenschwanz, der am Eingang der Unterwelt unerbittlich darüber wachte, dass alles seine Ordnung hatte und niemand entfloh.
Die Chimeira wiederum war eine feuerspeiende Bestie, vorne Löwe, in der Mitte Ziege und hinten Drachen. In diesem Fall führte die völlig abstruse Gestalt zu der übertragenen Bedeutung von Hirngespinst oder Trugbild. Wer also heute Schimären sieht, hat Sinnestäuschungen.
Schließlich gibt es ein Fabeltier, dem man seine griechische Herkunft nicht sofort ansieht: den Greif. Auch dieser geflügelte Löwe mit Raubvogelkopf (lateinisch gryphius, griechisch gryps) geht auf ein Mischwesen aus frühen Kulturen zurück, das später – weil ausnahmsweise als Symbol der Stärke auch positiv belegt – in der Heraldik eine große Rolle spielte. Heute steht er als badischer Greif auf der linken Seite des Landeswappens von Baden-Württemberg, und derzeit wagt er mit seinem Gegenüber, dem württembergischen Hirsch, auf dem Emblem zu den 60-Jahr-Feiern des Landes gar ein flottes Tänzchen.
Die Monster sind halt auch nicht mehr das, was sie mal waren.
Aber kein Wunder, wir haben ja auch keine Helden mehr.
Freitag, 10. Februar 2012
Gemengelage im Argental
Als Sprachplaudertasche steht man unter scharfer Beobachtung – auch wenn man einmal für andere SZ-Seiten schreibt. So rief jetzt ein Leser an, der sich – gelinde gesagt – befremdet zeigte, dass auch ich dieses "saublöde Modewort Gemengelage" benutze. Tatsächlich stand in meinem Text über die Zwangsehe von Gelbfüßlern und Sauschwoben für die Beilage zum 60. Geburtstag Baden-Württembergs der Satz: "Bei dieser Gemengelage wird jedes Räsonieren über bestimmte Mentalitäten letztlich problematisch."
Hier mein Versuch einer Rechtfertigung:
In der Tat wird heute geradezu inflationär von einer Gemengelage gesprochen – ob es um Kinderpsychologie geht oder um Hühnerzucht, um die Finanzkrise oder das Dschungelcamp. Und da schwingt wie bei allen Modewörtern immer eine gewisse Wichtigtuerei mit.
Aber im Zusammenhang mit dem Werden des Südweststaats war das Bild von der Gemengelage nicht ganz abwegig.
Was heißt das eigentlich genau?
Der Begriff – das Grundwort ist mengen = mischen – kommt aus der Landwirtschaft und steht für die Zerstreuung einzelner Grundstücke eines Besitzes über eine größere Fläche hinweg. Davon abgeleitet sind die übertragenen Bedeutungen Gemisch, Nebeneinander von Nicht-Zusammengehörendem, Durcheinander, Sammelsurium. Betrachtet man sich nun den landsmannschaftlichen Fleckerlteppich unseres Bundeslandes, so liegt es auf der Hand: Der Homo baden-württembergensis wurde nicht wie weiland Adam nur aus einem einzigen Klumpen Lehm erschaffen, sondern entstammt einer echten Gemengelage: Alemannen, Schwaben, Franken, Kurpfälzer – und dann schön zusammengebacken…
Bei diesem Wort Gemengelage können allerdings auch andere Probleme auftreten. Manche lesen zunächst einmal Gemen-Gelage – also mit falscher Betonung, so ähnlich wie beim uralten Pennälerwitz von der Blumentopferde. Wieder andere meinen gar, es sei ein französisches Wort, ringen sich breimäulig so etwas wie Schemangschelasch ab – und liegen dann total daneben.
Aber das mit dem Total-Daneben-Liegen geht auch anders herum: Wir hatten unlängst französische Freunde zu Gast, und da man ja nicht versuchen sollte, den Erfindern der Kochkunst mit pseudogallischen Genüssen imponieren zu wollen, sahen wir nur regionale Kost vor. Also Allgäuer Flädlesuppe vorneweg, dann ein Allgäuer Rehbraten, und schließlich sollte vor die Allgäuer Apfelküchle noch ein Allgäuer Käse eingeschoben werden. Kurz in die Käsetheke geschaut, und da lag auch das Passende. Argental stand auf der Packung. Ob aus dem Tal der Oberen Argen oder aus dem Tal der Unteren Argen, egal – allgäuerischer ging es gar nicht.
Es war dann meiner Frau vorbehalten, über ihren Einkäufer den Kopf zu schütteln. Ich hatte in der Schnelle nur die Hälfte gelesen. Der Käse war ein echter Franzose! Denn auch in Frankreich gibt es ein Argental – nur anders ausgesprochen, etwa wie Arschangtal.
Aber geschmeckt hat er trotzdem.
Hier mein Versuch einer Rechtfertigung:
In der Tat wird heute geradezu inflationär von einer Gemengelage gesprochen – ob es um Kinderpsychologie geht oder um Hühnerzucht, um die Finanzkrise oder das Dschungelcamp. Und da schwingt wie bei allen Modewörtern immer eine gewisse Wichtigtuerei mit.
Aber im Zusammenhang mit dem Werden des Südweststaats war das Bild von der Gemengelage nicht ganz abwegig.
Was heißt das eigentlich genau?
Der Begriff – das Grundwort ist mengen = mischen – kommt aus der Landwirtschaft und steht für die Zerstreuung einzelner Grundstücke eines Besitzes über eine größere Fläche hinweg. Davon abgeleitet sind die übertragenen Bedeutungen Gemisch, Nebeneinander von Nicht-Zusammengehörendem, Durcheinander, Sammelsurium. Betrachtet man sich nun den landsmannschaftlichen Fleckerlteppich unseres Bundeslandes, so liegt es auf der Hand: Der Homo baden-württembergensis wurde nicht wie weiland Adam nur aus einem einzigen Klumpen Lehm erschaffen, sondern entstammt einer echten Gemengelage: Alemannen, Schwaben, Franken, Kurpfälzer – und dann schön zusammengebacken…
Bei diesem Wort Gemengelage können allerdings auch andere Probleme auftreten. Manche lesen zunächst einmal Gemen-Gelage – also mit falscher Betonung, so ähnlich wie beim uralten Pennälerwitz von der Blumentopferde. Wieder andere meinen gar, es sei ein französisches Wort, ringen sich breimäulig so etwas wie Schemangschelasch ab – und liegen dann total daneben.
Aber das mit dem Total-Daneben-Liegen geht auch anders herum: Wir hatten unlängst französische Freunde zu Gast, und da man ja nicht versuchen sollte, den Erfindern der Kochkunst mit pseudogallischen Genüssen imponieren zu wollen, sahen wir nur regionale Kost vor. Also Allgäuer Flädlesuppe vorneweg, dann ein Allgäuer Rehbraten, und schließlich sollte vor die Allgäuer Apfelküchle noch ein Allgäuer Käse eingeschoben werden. Kurz in die Käsetheke geschaut, und da lag auch das Passende. Argental stand auf der Packung. Ob aus dem Tal der Oberen Argen oder aus dem Tal der Unteren Argen, egal – allgäuerischer ging es gar nicht.
Es war dann meiner Frau vorbehalten, über ihren Einkäufer den Kopf zu schütteln. Ich hatte in der Schnelle nur die Hälfte gelesen. Der Käse war ein echter Franzose! Denn auch in Frankreich gibt es ein Argental – nur anders ausgesprochen, etwa wie Arschangtal.
Aber geschmeckt hat er trotzdem.
Freitag, 3. Februar 2012
"Es wird immer offensichtlicher, dass Christian Wulff den Landtag nach Strich und Faden hinters Licht geführt hat." So befand jetzt Stefan Wenzel, der Fraktionsvorsitzende der Grünen in Hannover, und was er damit meinte, war klar.
Aber woher kommt eigentlich dieses nach Strich und Faden?
Ganz einfach: Wenn früher der Meister in einer Weberei die Qualität eines Gewebes überprüfte, so ging es ihm zum einen um den Strich, sprich: die Webart, und zum anderen um den Faden, sprich: den Webstoff. War beides in Ordnung, so hatte der Geselle seine Arbeit gründlich gemacht. Wenzel wollte also zum Ausdruck bringen, dass der damalige Ministerpräsident Wulff den Landtag gehörig, kräftig, massiv angelogen hat.
Überhaupt ist die Causa Wulff eine wahre Fundgrube für allerlei Metaphern rund um Strich und Faden.
Wenn viele Bürger den Bundespräsidenten derzeit auf dem Strich haben, so klingt dabei ein doch sehr kriegerischer Ausdruck an: Beim Schießen nimmt man jemand aufs Korn und hat ihn dann auf dem Strich, das heißt auf der Visierlinie bis ins Ziel.
Vielen geht auch gegen den Strich, was Wulff sich ihrer Meinung nach bisher geleistet hat. Hier spielt eine Erfahrung aus der Tierwelt herein: Insbesondere Katzen mögen es gar nicht gerne, wenn man gegen den Strich, sprich: gegen die natürliche Ausrichtung, über ihr Fell streicht.
Andere Zeitgenossen wiederum möchten nach all dem Hickhack der letzten Wochen endlich – wie beim Rechnen – einen Strich unter die ganze Affäre ziehen.
Aber lassen Sie uns den Faden doch noch etwas weiterspinnen: Wenn derzeit viele glauben, die Erklärungen unseres Staatsoberhauptes würden immer fadenscheiniger, so gibt es dafür einen guten Grund: Wulff hat wohl längst nicht mehr alle Fäden in der Hand. Diese Redensart stammt zur Abwechslung einmal nicht aus dem Weberhandwerk, sondern aus dem Marionettentheater, wo die Puppen an Fäden bewegt werden.
Aber noch einmal zurück zu unserem Webermeister vom Anfang. Bekam der ein schlechtes Werkstück in die Hand, so ließ er keinen guten Faden an ihm. So weit sind mittlerweile mehr als die Hälfte aller Deutschen, wenn sie nach ihrer Meinung zu Wulff befragt werden.
Wie auch immer man zu dem ganzen Fall steht: Ein Schaden für unser Land ist er unterm Strich allemal, da beißt die Maus keinen Faden ab.
Und woher kommt das nun schon wieder? Die plausibelste Erklärung: Am 17. März feiert man das Fest der heiligen Gertrud, Äbtissin von Nivelles im heutigen Belgien und Ururgroßtante von Karl dem Großen. Sie wurde vor allem zu Frühjahrsbeginn gegen die Mäuseplage angerufen. Weil man aber früher glaubte, die nach dem langen Winter wieder putzmunteren Mäuse würden von diesem 17. März an mit Vorliebe den Flachs in der Spinnstube fressen, stellten die Frauen das Spinnen vorher ein. Damit war alles klar – und da konnte dann die Maus keinen Faden mehr abbeißen.
Aus die Maus! So heißt übrigens ein bemerkenswertes Büchlein über ungewöhnliche Todesanzeigen.
Aber das ist eher eine Geschichte für November.
Aber woher kommt eigentlich dieses nach Strich und Faden?
Ganz einfach: Wenn früher der Meister in einer Weberei die Qualität eines Gewebes überprüfte, so ging es ihm zum einen um den Strich, sprich: die Webart, und zum anderen um den Faden, sprich: den Webstoff. War beides in Ordnung, so hatte der Geselle seine Arbeit gründlich gemacht. Wenzel wollte also zum Ausdruck bringen, dass der damalige Ministerpräsident Wulff den Landtag gehörig, kräftig, massiv angelogen hat.
Überhaupt ist die Causa Wulff eine wahre Fundgrube für allerlei Metaphern rund um Strich und Faden.
Wenn viele Bürger den Bundespräsidenten derzeit auf dem Strich haben, so klingt dabei ein doch sehr kriegerischer Ausdruck an: Beim Schießen nimmt man jemand aufs Korn und hat ihn dann auf dem Strich, das heißt auf der Visierlinie bis ins Ziel.
Vielen geht auch gegen den Strich, was Wulff sich ihrer Meinung nach bisher geleistet hat. Hier spielt eine Erfahrung aus der Tierwelt herein: Insbesondere Katzen mögen es gar nicht gerne, wenn man gegen den Strich, sprich: gegen die natürliche Ausrichtung, über ihr Fell streicht.
Andere Zeitgenossen wiederum möchten nach all dem Hickhack der letzten Wochen endlich – wie beim Rechnen – einen Strich unter die ganze Affäre ziehen.
Aber lassen Sie uns den Faden doch noch etwas weiterspinnen: Wenn derzeit viele glauben, die Erklärungen unseres Staatsoberhauptes würden immer fadenscheiniger, so gibt es dafür einen guten Grund: Wulff hat wohl längst nicht mehr alle Fäden in der Hand. Diese Redensart stammt zur Abwechslung einmal nicht aus dem Weberhandwerk, sondern aus dem Marionettentheater, wo die Puppen an Fäden bewegt werden.
Aber noch einmal zurück zu unserem Webermeister vom Anfang. Bekam der ein schlechtes Werkstück in die Hand, so ließ er keinen guten Faden an ihm. So weit sind mittlerweile mehr als die Hälfte aller Deutschen, wenn sie nach ihrer Meinung zu Wulff befragt werden.
Wie auch immer man zu dem ganzen Fall steht: Ein Schaden für unser Land ist er unterm Strich allemal, da beißt die Maus keinen Faden ab.
Und woher kommt das nun schon wieder? Die plausibelste Erklärung: Am 17. März feiert man das Fest der heiligen Gertrud, Äbtissin von Nivelles im heutigen Belgien und Ururgroßtante von Karl dem Großen. Sie wurde vor allem zu Frühjahrsbeginn gegen die Mäuseplage angerufen. Weil man aber früher glaubte, die nach dem langen Winter wieder putzmunteren Mäuse würden von diesem 17. März an mit Vorliebe den Flachs in der Spinnstube fressen, stellten die Frauen das Spinnen vorher ein. Damit war alles klar – und da konnte dann die Maus keinen Faden mehr abbeißen.
Aus die Maus! So heißt übrigens ein bemerkenswertes Büchlein über ungewöhnliche Todesanzeigen.
Aber das ist eher eine Geschichte für November.
Freitag, 27. Januar 2012
Eis oder Eisen, das ist hier die Frage
Jeder kennt die Folterqualen, wenn man im Morgengrauen wohlig im warmen Pfühl liegt, aber ein Nachbar unbedingt meint, seine Windschutzscheibe freikratzen zu müssen. Da reifen Mordgelüste. Dabei sollte man ja eigentlich froh sein, wenn er sein Auto enteist und sich nicht als Kamikaze-Fahrer in den Verkehr stürzt.
Aber apropos enteist: Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum auf Sprudelflaschen oft enteisent steht? Und zwar mit einem eher befremdlichen t am Schluss statt des zunächst viel logischer erscheinenden d?
Weil schon mehrere Leser uns deswegen angeschrieben haben, hier die Erklärung: Es gibt das Verb enteisenen mit der Bedeutung vom Eisengehalt befreien, und dessen Partizip Perfekt lautet enteisent.
Ein Satz zur Verdeutlichung: „Um zu verhindern, dass in stark eisenhaltigem Wasser durch Zufuhr von Sauerstoff unansehnlicher Rost ausflockt, wird es in einer Enteisenungsanlage, einem sogenannten Rieseler, enteisent.“ Einen ähnlichen Fall haben wir bei entmanganen also vom Mangangehalt befreien. Da heißt das Partizip Perfekt entmangant.
Nun kennen wir aber auch das Verb enteisen (vom Eis befreien), und da fängt die Verwirrung an. Denn während das Partizip Präsens von enteisenen logischerweise enteisenend heißt, lautet es beim Verb enteisen schlichtweg enteisend, also vom Eis befreiend, und das verführt dann eben zu falschen Schlüssen.
Zwar gab es einmal eine Zeit, da österreichische Winzer die Süßkraft von Frostschutzmitteln wie Glykol für ihre schändlichen Zwecke entdeckten und somit das Etikett enteisend auch auf Weinflaschen hätte prangen können. Aber auf Sprudelflaschen ergibt es keinen Sinn.
Bleibt uns nun nur noch, auf die enteisende Strahlkraft der Sonne zu setzen, damit wir bald wieder mit Goethe jubilieren können: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / durch des Frühlings holden belebenden Blick, / im Tale grünet Hoffnungsglück; / der alte Winter, in seiner Schwäche, / zog sich in rauhe Berge zurück…“
Gerade meckert das Korrekturprogramm. Rauh schreibt man heute eben rau, also ohne h. Mit dem Wort Pfühl im ersten Satz hatte der PC übrigens auch seine Probleme. So ist es halt leider mit schönen, alten Wörtern. Wilhelm Busch baute sie – wie in „Max und Moritz“ – noch gerne in seine Verse ein: „Drittens aber nimmt man auch / ihre Federn zum Gebrauch / in die Kissen und die Pfühle, / denn man liegt nicht gerne kühle.“ Heute gelten sie als völlig überholt.
Aber wie dem auch sei: Ob man nun im Pfühl liegt oder im Bett, der enteisende Nachbar ist immer eine Nervensäge.
Aber apropos enteist: Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum auf Sprudelflaschen oft enteisent steht? Und zwar mit einem eher befremdlichen t am Schluss statt des zunächst viel logischer erscheinenden d?
Weil schon mehrere Leser uns deswegen angeschrieben haben, hier die Erklärung: Es gibt das Verb enteisenen mit der Bedeutung vom Eisengehalt befreien, und dessen Partizip Perfekt lautet enteisent.
Ein Satz zur Verdeutlichung: „Um zu verhindern, dass in stark eisenhaltigem Wasser durch Zufuhr von Sauerstoff unansehnlicher Rost ausflockt, wird es in einer Enteisenungsanlage, einem sogenannten Rieseler, enteisent.“ Einen ähnlichen Fall haben wir bei entmanganen also vom Mangangehalt befreien. Da heißt das Partizip Perfekt entmangant.
Nun kennen wir aber auch das Verb enteisen (vom Eis befreien), und da fängt die Verwirrung an. Denn während das Partizip Präsens von enteisenen logischerweise enteisenend heißt, lautet es beim Verb enteisen schlichtweg enteisend, also vom Eis befreiend, und das verführt dann eben zu falschen Schlüssen.
Zwar gab es einmal eine Zeit, da österreichische Winzer die Süßkraft von Frostschutzmitteln wie Glykol für ihre schändlichen Zwecke entdeckten und somit das Etikett enteisend auch auf Weinflaschen hätte prangen können. Aber auf Sprudelflaschen ergibt es keinen Sinn.
Bleibt uns nun nur noch, auf die enteisende Strahlkraft der Sonne zu setzen, damit wir bald wieder mit Goethe jubilieren können: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / durch des Frühlings holden belebenden Blick, / im Tale grünet Hoffnungsglück; / der alte Winter, in seiner Schwäche, / zog sich in rauhe Berge zurück…“
Gerade meckert das Korrekturprogramm. Rauh schreibt man heute eben rau, also ohne h. Mit dem Wort Pfühl im ersten Satz hatte der PC übrigens auch seine Probleme. So ist es halt leider mit schönen, alten Wörtern. Wilhelm Busch baute sie – wie in „Max und Moritz“ – noch gerne in seine Verse ein: „Drittens aber nimmt man auch / ihre Federn zum Gebrauch / in die Kissen und die Pfühle, / denn man liegt nicht gerne kühle.“ Heute gelten sie als völlig überholt.
Aber wie dem auch sei: Ob man nun im Pfühl liegt oder im Bett, der enteisende Nachbar ist immer eine Nervensäge.
Freitag, 20. Januar 2012
Havarie im Schloss Bellevue
Dieser Tage bei einer Rundfunk-Sendung zur Havarie der Costa Concordia aufgeschnappt: "Und jetzt schreit alles Zetermordio. Dabei weiß man doch, dass die Kreuzschifffahrt immer mehr dem Gigantismus erliegt."
Dieses Zetermordio oder auch Zeter und Mordio im Sinne eines entsetzten Hilferufs ist aus zweierlei Gründen interessant. Zum einen geht der erste Bestandteil bis auf die mittelalterliche Rechtsprechung zurück. Ze aechte her war die Aufforderung, jemand zu verfolgen und dann zu ächten, also in Acht und Bann zu legen und aus der Gemeinschaft auszustoßen. Zum anderen hat Mordio natürlich mit Mord zu tun, aber durch die Nachsilbe -io bekam das Wort eine besondere, bewusst fremdländische und nicht zuletzt auch intensivierende Note.
Damit sind wir bei den sogenannten Pseudo-Fremdwörtern. Auf Italienisch frisierte Begriffe gibt es einige: Feurio (ein Warnruf der Nachtwächter) ist schon recht alt, futschikato für futsch, picobello für piekfein, null problemo (vor allem durch Weltraumrüpel Alf bekannt geworden) oder lecko mio (Kommentar überflüssig) sind neueren Datums. Oft haben solche Neuschöpfungen einen witzigen Unterton. Bei Monte Scherbelino, dem nach 1945 aus dem Ruinenschutt aufgetürmten Berg westlich von Stuttgart, handelte es sich noch eher um Galgenhumor. Der Palazzo Prozzo hingegen, wie der bombastische Palast der Republik in der Hauptstadt der DDR auch genannt wurde, war ein typisches Produkt der sprichwörtlichen Berliner Schnauze.
Aber auch bei anderen Sprachen haben wir Anleihen für solche flapsigen Pseudo-Fremdwörter genommen. Als der Begriff Radikalinski aufkam, spielte er auf dem Hintergrund anarchistisch-revolutionärer Strömungen im Osten bewusst mit dem Anklang an typisch slawische Familiennamen.
Zudem stand Französisch Pate bei manchen Neologismen: Stellage – mit abwertendem Unterton für irgendein Gestell – wurde mit Blick auf ähnliche französische Wörter wie blamage oder bagage gebildet.
Und hierher gehört auch das Wort Schmierage, wobei einem unweigerlich der Fall Wulff in den Sinn kommt. Zum einen hat dieses Wort – jemanden schmieren – mit gezielter Bestechung und schamloser Vorteilnahme zu tun, zum anderen – etwas hinschmieren – mit übereifrigem und verantwortungslosem Journalismus.
In einem Internet-Blog stand dieser Tage, die Causa Wulff ziehe sich hin wie eine Havarie auf Raten. Erst sei das Schiff beim Manövrieren gegen die Kaimauer geknallt, dann umgekippt, und nun treibe es kieloben. Derweil versichere die Reederei, der Kapitän leiste hervorragende Arbeit und niemand denke daran, ihn abzulösen…
Havarie kommt übrigens aus dem Arabischen und heißt so viel wie Schaden. Wie sagt man so schön: Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.
Dieses Zetermordio oder auch Zeter und Mordio im Sinne eines entsetzten Hilferufs ist aus zweierlei Gründen interessant. Zum einen geht der erste Bestandteil bis auf die mittelalterliche Rechtsprechung zurück. Ze aechte her war die Aufforderung, jemand zu verfolgen und dann zu ächten, also in Acht und Bann zu legen und aus der Gemeinschaft auszustoßen. Zum anderen hat Mordio natürlich mit Mord zu tun, aber durch die Nachsilbe -io bekam das Wort eine besondere, bewusst fremdländische und nicht zuletzt auch intensivierende Note.
Damit sind wir bei den sogenannten Pseudo-Fremdwörtern. Auf Italienisch frisierte Begriffe gibt es einige: Feurio (ein Warnruf der Nachtwächter) ist schon recht alt, futschikato für futsch, picobello für piekfein, null problemo (vor allem durch Weltraumrüpel Alf bekannt geworden) oder lecko mio (Kommentar überflüssig) sind neueren Datums. Oft haben solche Neuschöpfungen einen witzigen Unterton. Bei Monte Scherbelino, dem nach 1945 aus dem Ruinenschutt aufgetürmten Berg westlich von Stuttgart, handelte es sich noch eher um Galgenhumor. Der Palazzo Prozzo hingegen, wie der bombastische Palast der Republik in der Hauptstadt der DDR auch genannt wurde, war ein typisches Produkt der sprichwörtlichen Berliner Schnauze.
Aber auch bei anderen Sprachen haben wir Anleihen für solche flapsigen Pseudo-Fremdwörter genommen. Als der Begriff Radikalinski aufkam, spielte er auf dem Hintergrund anarchistisch-revolutionärer Strömungen im Osten bewusst mit dem Anklang an typisch slawische Familiennamen.
Zudem stand Französisch Pate bei manchen Neologismen: Stellage – mit abwertendem Unterton für irgendein Gestell – wurde mit Blick auf ähnliche französische Wörter wie blamage oder bagage gebildet.
Und hierher gehört auch das Wort Schmierage, wobei einem unweigerlich der Fall Wulff in den Sinn kommt. Zum einen hat dieses Wort – jemanden schmieren – mit gezielter Bestechung und schamloser Vorteilnahme zu tun, zum anderen – etwas hinschmieren – mit übereifrigem und verantwortungslosem Journalismus.
In einem Internet-Blog stand dieser Tage, die Causa Wulff ziehe sich hin wie eine Havarie auf Raten. Erst sei das Schiff beim Manövrieren gegen die Kaimauer geknallt, dann umgekippt, und nun treibe es kieloben. Derweil versichere die Reederei, der Kapitän leiste hervorragende Arbeit und niemand denke daran, ihn abzulösen…
Havarie kommt übrigens aus dem Arabischen und heißt so viel wie Schaden. Wie sagt man so schön: Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.
Freitag, 13. Januar 2012
Das hohe Lied vom Hohelied
"Salomos Hohelied ist ja ins Alte Testament reingerutscht wie Pontius Pilatus ins Credo." Dieser Satz fiel unlängst in einem Gespräch. Wobei sich sofort eine Frage erhebt: Heißt es nun Salomos Hohelied? Oder Salomos Hoheslied? Oder Salomos Hohes Lied?
Der Fall ist im Duden klar geregelt: Entweder man schreibt zusammen, und dann heißt es das Hohelied (Nominativ), und die gebeugten Formen lauten des Hohelieds (Genitiv) und dem Hohelied (Dativ). Oder man schreibt getrennt, und dann wird der erste Bestandteil auch gebeugt: das Hohe Lied, des Hohen Lieds, dem Hohen Lied. Demnach ist die Form Salomos Hoheslied falsch.
Genau gleich verhält es sich übrigens bei dem Wortpaar der Hohepriester / der Hohe Priester. Es heißt also: Die Hohepriester durften das Tempelinnere betreten, oder: Die Hohen Priester ..., aber nicht: Die Hohenpriester ...
Damit fällt ganz nebenbei der Blick auf ein ähnliches, wenn auch entschieden profaneres Problem: die Schreibweise von Straßennamen. Kommunalverwaltungen sind zwar angehalten, sich an die gängigen orthografischen Regeln zu halten, aber dennoch kommt es hier immer wieder zu Wildwuchs. Ein paar Grundsätze sind festzuhalten: Bestehen Straßennamen aus zwei Wörtern, so wird das erste Wort immer großgeschrieben: Es heißt also die Lange Gasse, der Obere Waldweg, die Französische Straße. Im Satzzusammenhang wird dann wie oben gebeugt: Es heißt also nicht: Herr Maier wohnt in der Lange Gasse, sondern: Herr Maier wohnt in der Langen Gasse.
Nicht ganz einheitlich ist die Schreibung, wenn der erste Bestandteil ein Substantiv, oft ein Eigenname, ist und der zweite eine für Straßennamen übliche Bezeichnung: Zusammengeschrieben werden normalerweise die Burgstraße, die Rathausgasse, der Finkenweg, die Römerallee, der Bismarckdamm, der Werderplatz. Bei Zusammensetzungen mit Ableitungen von Ortsnamen auf -er wird allerdings eher getrennt: Freiburger Straße, Berliner Chaussee, Ulmer Ring.
Und noch eines ist wichtig. Besteht der vordere Bestandteil des Straßennamens aus mehreren ungebeugten Wörtern, so werden durchgehend Bindestriche gesetzt. Man wohnt also an der Reinhold-Maier-Promenade, im Graf-von-Stauffenberg-Weg, am Rainer-Maria-Rilke-Platz oder in der Notre-Dame-de-Gravenchon-Straße.
Wunderbare Verse
Aber kommen wir auf den eingangs zitierten Satz zurück: Einmal abgesehen von der Tatsache, dass König Salomos Urheberschaft bei dieser Sammlung von orientalisch angehauchten, zärtlich-blumigen Liebesliedern durchaus umstritten ist, wirkt das Hohelied im Umfeld des Alten Testaments zwar in der Tat wie ein Fremdkörper. Aber der Vergleich mit Pontius Pilatus ist unfair. Während der römische Statthalter, der Jesus kreuzigen ließ, im Glaubensbekenntnis wirklich nur eine unrühmliche Nebenrolle spielt, sind die wunderbaren Verse des Liedes der Lieder, wie man auch sagt, allemal eine Bereicherung der Bibel zwischen Gottessuche und Geburtswehen des alten Israel.
Wer sie nicht kennt, sollte sie unbedingt lesen. Schon mancher ist dabei ganz schnell zum Liebhaber geworden – und singt fortan das hohe Lied vom Hohelied.
Der Fall ist im Duden klar geregelt: Entweder man schreibt zusammen, und dann heißt es das Hohelied (Nominativ), und die gebeugten Formen lauten des Hohelieds (Genitiv) und dem Hohelied (Dativ). Oder man schreibt getrennt, und dann wird der erste Bestandteil auch gebeugt: das Hohe Lied, des Hohen Lieds, dem Hohen Lied. Demnach ist die Form Salomos Hoheslied falsch.
Genau gleich verhält es sich übrigens bei dem Wortpaar der Hohepriester / der Hohe Priester. Es heißt also: Die Hohepriester durften das Tempelinnere betreten, oder: Die Hohen Priester ..., aber nicht: Die Hohenpriester ...
Damit fällt ganz nebenbei der Blick auf ein ähnliches, wenn auch entschieden profaneres Problem: die Schreibweise von Straßennamen. Kommunalverwaltungen sind zwar angehalten, sich an die gängigen orthografischen Regeln zu halten, aber dennoch kommt es hier immer wieder zu Wildwuchs. Ein paar Grundsätze sind festzuhalten: Bestehen Straßennamen aus zwei Wörtern, so wird das erste Wort immer großgeschrieben: Es heißt also die Lange Gasse, der Obere Waldweg, die Französische Straße. Im Satzzusammenhang wird dann wie oben gebeugt: Es heißt also nicht: Herr Maier wohnt in der Lange Gasse, sondern: Herr Maier wohnt in der Langen Gasse.
Nicht ganz einheitlich ist die Schreibung, wenn der erste Bestandteil ein Substantiv, oft ein Eigenname, ist und der zweite eine für Straßennamen übliche Bezeichnung: Zusammengeschrieben werden normalerweise die Burgstraße, die Rathausgasse, der Finkenweg, die Römerallee, der Bismarckdamm, der Werderplatz. Bei Zusammensetzungen mit Ableitungen von Ortsnamen auf -er wird allerdings eher getrennt: Freiburger Straße, Berliner Chaussee, Ulmer Ring.
Und noch eines ist wichtig. Besteht der vordere Bestandteil des Straßennamens aus mehreren ungebeugten Wörtern, so werden durchgehend Bindestriche gesetzt. Man wohnt also an der Reinhold-Maier-Promenade, im Graf-von-Stauffenberg-Weg, am Rainer-Maria-Rilke-Platz oder in der Notre-Dame-de-Gravenchon-Straße.
Wunderbare Verse
Aber kommen wir auf den eingangs zitierten Satz zurück: Einmal abgesehen von der Tatsache, dass König Salomos Urheberschaft bei dieser Sammlung von orientalisch angehauchten, zärtlich-blumigen Liebesliedern durchaus umstritten ist, wirkt das Hohelied im Umfeld des Alten Testaments zwar in der Tat wie ein Fremdkörper. Aber der Vergleich mit Pontius Pilatus ist unfair. Während der römische Statthalter, der Jesus kreuzigen ließ, im Glaubensbekenntnis wirklich nur eine unrühmliche Nebenrolle spielt, sind die wunderbaren Verse des Liedes der Lieder, wie man auch sagt, allemal eine Bereicherung der Bibel zwischen Gottessuche und Geburtswehen des alten Israel.
Wer sie nicht kennt, sollte sie unbedingt lesen. Schon mancher ist dabei ganz schnell zum Liebhaber geworden – und singt fortan das hohe Lied vom Hohelied.
Freitag, 30. Dezember 2011
Wortmix zu Silvester
Vor einigen Tagen wurde das Wort des Jahres bekannt gegeben. Dabei belegte Arabellion hinter Stresstest (1. Platz) und hebeln (2. Platz) den dritten Rang. Nun ist dieser von der FAZ geprägte Begriff für den Wandel in Nordafrika und dem Vorderen Orient nicht nur eine intelligente Neuschöpfung an sich, sondern auch ein prägnantes Beispiel für die ebenso griffige wie witzige Verschmelzung von Wörtern.
Und was landete bei dieser Wahl der Gesellschaft für deutsche Sprache auf Platz 4? Merkozy – ebenfalls ein Neologismus, und zwar durch Zusammenziehung von Merkel und Sarkozy als Synonym für internationale Politik im Gleichschritt. Gleich zwei Gründe, um sich mit dem Phänomen des Blendings zu beschäftigen, wie man das Vermischen von Wörtern – ähnlich wie bei Wein oder Kaffee – auch nennt.
Solche Kofferwörter – weil da wie in einem Koffer mehrere Sachen zusammengepackt werden – gibt es häufiger, als man denkt. Manche sind schon sehr alt, wie zum Beispiel der Attentäter, bei dem das aus dem Lateinischen stammende Wort Attentat für einen meist politisch motivierten Mordanschlag mit unserem deutschen Wort Täter verschmolzen wurde.
Bekannte Beispiele für kreativen Mischmasch aus den letzten Jahrzehnten sind Motel (Motor + Hotel), Kurlaub (Kur + Urlaub), Politesse (Polizei + Hostesse) und denglisch (deutsch + englisch).
Gleich zwei Wortspielereien gibt es für die Stadt Frankfurt: Mainhattan (Main + Manhattan) sowie Bankfurt (Bank + Frankfurt).
Auch der Teuro (teuer + Euro) gehört hierher, obwohl er ja laut jüngsten Berichten nie einer war; die Missbrauchsdiskussion hat uns den Zölibazi beschert, eine Mischung aus Zölibat (Ehelosigkeit) und Bazi (bayerisch für Gauner);
und Kahnsinn (Oliver Kahn + Wahnsinn) war schlichtweg ein journalistischer Geniestreich, um die multiple Psyche dieses Torhüters zu umreißen. Bollywood (Bombay + Hollywood) für die indische Filmindustrie und Netiquette (Net + Etiquette) für anständige Umgangsformen im Internet sind zwei weitere hübsche Kofferwörter aus dem Englischen.
Noch zwei Beispiele für deutschen Wortwitz: Schachverstand, gebildet aus Schach und Sachverstand, spricht für sich, und bei Lustballon, wohl lustvoll zusammengebastelt aus Lust und Luftballon, muss man auch nicht lange überlegen, was damit gemeint ist.
Morgen ist der 31. Dezember, und da lädt unser aller Andy Borg in Graz zum Silvesterstadl, jener vor über 20 Jahren aus Silvester und Musikantenstadl verschmolzenen Alpengaudi. Wer darauf nicht stehen sollte, kann sich ja einen satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch zusammenbrauen. Mit diesem Cocktail aus Satan, Anarchie, Archäologie, Lüge, Genie, Alkohol und Hölle hat uns Michael Ende vor ebenfalls etwas über 20 Jahren ein Prachtexemplar von literarischem Kofferwort beschert.
Doch Vorsicht bei dieser irrwitzigen Rezeptur! Sonst wird es nichts mit dem Brunch am Neujahrsmorgen, auch ein berühmter Wortmix aus Breakfast und Lunch. Und statt der Araber rebelliert der Magen.
Und was landete bei dieser Wahl der Gesellschaft für deutsche Sprache auf Platz 4? Merkozy – ebenfalls ein Neologismus, und zwar durch Zusammenziehung von Merkel und Sarkozy als Synonym für internationale Politik im Gleichschritt. Gleich zwei Gründe, um sich mit dem Phänomen des Blendings zu beschäftigen, wie man das Vermischen von Wörtern – ähnlich wie bei Wein oder Kaffee – auch nennt.
Solche Kofferwörter – weil da wie in einem Koffer mehrere Sachen zusammengepackt werden – gibt es häufiger, als man denkt. Manche sind schon sehr alt, wie zum Beispiel der Attentäter, bei dem das aus dem Lateinischen stammende Wort Attentat für einen meist politisch motivierten Mordanschlag mit unserem deutschen Wort Täter verschmolzen wurde.
Bekannte Beispiele für kreativen Mischmasch aus den letzten Jahrzehnten sind Motel (Motor + Hotel), Kurlaub (Kur + Urlaub), Politesse (Polizei + Hostesse) und denglisch (deutsch + englisch).
Gleich zwei Wortspielereien gibt es für die Stadt Frankfurt: Mainhattan (Main + Manhattan) sowie Bankfurt (Bank + Frankfurt).
Auch der Teuro (teuer + Euro) gehört hierher, obwohl er ja laut jüngsten Berichten nie einer war; die Missbrauchsdiskussion hat uns den Zölibazi beschert, eine Mischung aus Zölibat (Ehelosigkeit) und Bazi (bayerisch für Gauner);
und Kahnsinn (Oliver Kahn + Wahnsinn) war schlichtweg ein journalistischer Geniestreich, um die multiple Psyche dieses Torhüters zu umreißen. Bollywood (Bombay + Hollywood) für die indische Filmindustrie und Netiquette (Net + Etiquette) für anständige Umgangsformen im Internet sind zwei weitere hübsche Kofferwörter aus dem Englischen.
Noch zwei Beispiele für deutschen Wortwitz: Schachverstand, gebildet aus Schach und Sachverstand, spricht für sich, und bei Lustballon, wohl lustvoll zusammengebastelt aus Lust und Luftballon, muss man auch nicht lange überlegen, was damit gemeint ist.
Morgen ist der 31. Dezember, und da lädt unser aller Andy Borg in Graz zum Silvesterstadl, jener vor über 20 Jahren aus Silvester und Musikantenstadl verschmolzenen Alpengaudi. Wer darauf nicht stehen sollte, kann sich ja einen satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch zusammenbrauen. Mit diesem Cocktail aus Satan, Anarchie, Archäologie, Lüge, Genie, Alkohol und Hölle hat uns Michael Ende vor ebenfalls etwas über 20 Jahren ein Prachtexemplar von literarischem Kofferwort beschert.
Doch Vorsicht bei dieser irrwitzigen Rezeptur! Sonst wird es nichts mit dem Brunch am Neujahrsmorgen, auch ein berühmter Wortmix aus Breakfast und Lunch. Und statt der Araber rebelliert der Magen.
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