"Salomos Hohelied ist ja ins Alte Testament reingerutscht wie Pontius Pilatus ins Credo." Dieser Satz fiel unlängst in einem Gespräch. Wobei sich sofort eine Frage erhebt: Heißt es nun Salomos Hohelied? Oder Salomos Hoheslied? Oder Salomos Hohes Lied?
Der Fall ist im Duden klar geregelt: Entweder man schreibt zusammen, und dann heißt es das Hohelied (Nominativ), und die gebeugten Formen lauten des Hohelieds (Genitiv) und dem Hohelied (Dativ). Oder man schreibt getrennt, und dann wird der erste Bestandteil auch gebeugt: das Hohe Lied, des Hohen Lieds, dem Hohen Lied. Demnach ist die Form Salomos Hoheslied falsch.
Genau gleich verhält es sich übrigens bei dem Wortpaar der Hohepriester / der Hohe Priester. Es heißt also: Die Hohepriester durften das Tempelinnere betreten, oder: Die Hohen Priester ..., aber nicht: Die Hohenpriester ...
Damit fällt ganz nebenbei der Blick auf ein ähnliches, wenn auch entschieden profaneres Problem: die Schreibweise von Straßennamen. Kommunalverwaltungen sind zwar angehalten, sich an die gängigen orthografischen Regeln zu halten, aber dennoch kommt es hier immer wieder zu Wildwuchs. Ein paar Grundsätze sind festzuhalten: Bestehen Straßennamen aus zwei Wörtern, so wird das erste Wort immer großgeschrieben: Es heißt also die Lange Gasse, der Obere Waldweg, die Französische Straße. Im Satzzusammenhang wird dann wie oben gebeugt: Es heißt also nicht: Herr Maier wohnt in der Lange Gasse, sondern: Herr Maier wohnt in der Langen Gasse.
Nicht ganz einheitlich ist die Schreibung, wenn der erste Bestandteil ein Substantiv, oft ein Eigenname, ist und der zweite eine für Straßennamen übliche Bezeichnung: Zusammengeschrieben werden normalerweise die Burgstraße, die Rathausgasse, der Finkenweg, die Römerallee, der Bismarckdamm, der Werderplatz. Bei Zusammensetzungen mit Ableitungen von Ortsnamen auf -er wird allerdings eher getrennt: Freiburger Straße, Berliner Chaussee, Ulmer Ring.
Und noch eines ist wichtig. Besteht der vordere Bestandteil des Straßennamens aus mehreren ungebeugten Wörtern, so werden durchgehend Bindestriche gesetzt. Man wohnt also an der Reinhold-Maier-Promenade, im Graf-von-Stauffenberg-Weg, am Rainer-Maria-Rilke-Platz oder in der Notre-Dame-de-Gravenchon-Straße.
Wunderbare Verse
Aber kommen wir auf den eingangs zitierten Satz zurück: Einmal abgesehen von der Tatsache, dass König Salomos Urheberschaft bei dieser Sammlung von orientalisch angehauchten, zärtlich-blumigen Liebesliedern durchaus umstritten ist, wirkt das Hohelied im Umfeld des Alten Testaments zwar in der Tat wie ein Fremdkörper. Aber der Vergleich mit Pontius Pilatus ist unfair. Während der römische Statthalter, der Jesus kreuzigen ließ, im Glaubensbekenntnis wirklich nur eine unrühmliche Nebenrolle spielt, sind die wunderbaren Verse des Liedes der Lieder, wie man auch sagt, allemal eine Bereicherung der Bibel zwischen Gottessuche und Geburtswehen des alten Israel.
Wer sie nicht kennt, sollte sie unbedingt lesen. Schon mancher ist dabei ganz schnell zum Liebhaber geworden – und singt fortan das hohe Lied vom Hohelied.
Freitag, 13. Januar 2012
Das hohe Lied vom Hohelied
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