Dieser Tage bei einer Rundfunk-Sendung zur Havarie der Costa Concordia aufgeschnappt: "Und jetzt schreit alles Zetermordio. Dabei weiß man doch, dass die Kreuzschifffahrt immer mehr dem Gigantismus erliegt."
Dieses Zetermordio oder auch Zeter und Mordio im Sinne eines entsetzten Hilferufs ist aus zweierlei Gründen interessant. Zum einen geht der erste Bestandteil bis auf die mittelalterliche Rechtsprechung zurück. Ze aechte her war die Aufforderung, jemand zu verfolgen und dann zu ächten, also in Acht und Bann zu legen und aus der Gemeinschaft auszustoßen. Zum anderen hat Mordio natürlich mit Mord zu tun, aber durch die Nachsilbe -io bekam das Wort eine besondere, bewusst fremdländische und nicht zuletzt auch intensivierende Note.
Damit sind wir bei den sogenannten Pseudo-Fremdwörtern. Auf Italienisch frisierte Begriffe gibt es einige: Feurio (ein Warnruf der Nachtwächter) ist schon recht alt, futschikato für futsch, picobello für piekfein, null problemo (vor allem durch Weltraumrüpel Alf bekannt geworden) oder lecko mio (Kommentar überflüssig) sind neueren Datums. Oft haben solche Neuschöpfungen einen witzigen Unterton. Bei Monte Scherbelino, dem nach 1945 aus dem Ruinenschutt aufgetürmten Berg westlich von Stuttgart, handelte es sich noch eher um Galgenhumor. Der Palazzo Prozzo hingegen, wie der bombastische Palast der Republik in der Hauptstadt der DDR auch genannt wurde, war ein typisches Produkt der sprichwörtlichen Berliner Schnauze.
Aber auch bei anderen Sprachen haben wir Anleihen für solche flapsigen Pseudo-Fremdwörter genommen. Als der Begriff Radikalinski aufkam, spielte er auf dem Hintergrund anarchistisch-revolutionärer Strömungen im Osten bewusst mit dem Anklang an typisch slawische Familiennamen.
Zudem stand Französisch Pate bei manchen Neologismen: Stellage – mit abwertendem Unterton für irgendein Gestell – wurde mit Blick auf ähnliche französische Wörter wie blamage oder bagage gebildet.
Und hierher gehört auch das Wort Schmierage, wobei einem unweigerlich der Fall Wulff in den Sinn kommt. Zum einen hat dieses Wort – jemanden schmieren – mit gezielter Bestechung und schamloser Vorteilnahme zu tun, zum anderen – etwas hinschmieren – mit übereifrigem und verantwortungslosem Journalismus.
In einem Internet-Blog stand dieser Tage, die Causa Wulff ziehe sich hin wie eine Havarie auf Raten. Erst sei das Schiff beim Manövrieren gegen die Kaimauer geknallt, dann umgekippt, und nun treibe es kieloben. Derweil versichere die Reederei, der Kapitän leiste hervorragende Arbeit und niemand denke daran, ihn abzulösen…
Havarie kommt übrigens aus dem Arabischen und heißt so viel wie Schaden. Wie sagt man so schön: Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.
Freitag, 20. Januar 2012
Havarie im Schloss Bellevue
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