Noch drei Tage, und dann wird wieder eine ganze Nation auf die Rutsche geschickt. An Silvester wünscht jeder jedem einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Nun gibt es die Theorie, dass diese Redensart gar nichts mit rutschen zu tun hat. Auch wir haben an dieser Stelle vor einigen Jahren – und gedeckt durch Spezialwerke wie den Duden Nr. 11 "Redewendungen" – darauf hingewiesen, dass hier das Jiddische Pate gestanden haben könnte. Rutsch wäre demnach eine volkstümliche Umdeutung von jüdisch Rosch = Kopf, Anfang, was wiederum in Rosch ha-Schana steckt, und das heißt nichts anderes als Neujahrsfest.
Aber vielleicht stimmt das auch gar nicht, und der Gute Rutsch kommt wirklich von rutschen. Auch hierfür lässt sich eine Begründung finden. Schon Goethe benutzte rutschen im Sinn von eine kleine Reise machen, und weil man solche Ausfahrten im Winter mit dem Schlitten unternahm, wäre das Rutschen ganz einfach das sanfte Hinübergleiten in das nächste Jahr – eigentlich eine nette Vorstellung.
Nun gibt es aber auch entschieden unsanftere Varianten des Rutschens. Zum Beispiel beim Erdrutsch, und hier wollen wir schnell noch eine Frage beantworten, die uns schon mehrfach aus der Leserschaft gestellt wurde: "Warum spricht man eigentlich von einem Erdrutschsieg, obwohl ein Erdrutsch doch nichts Positives ist?" In der Tat haben wir es hier mit einer gängigen Metapher zu tun – erst letzte Woche verkündeten wieder unzählige Medien den Erdrutschsieg von Shinzo Abe in Japan. Und – zugegeben – es klingt wirklich etwas absurd. Schließlich geht es beim Erdrutsch abwärts und beim Wahlsieg aufwärts. Aber Sprache lässt halt manchmal die Logik vermissen. Man muss den Erdrutschsieg in diesem Fall einfach als etwas Unerwartetes, Überwältigendes begreifen, und dann stimmt das Bild schon eher.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dieser Begriff übrigens eine wörtliche Lehnübersetzung von englisch landslide victory. Und bei Übernahmen aus dem Englischen schalten die Deutschen ja ohnehin ihr Hirn aus. Vielleicht wünschen wir uns ab nächstem Jahr A good slide!
Unmöglich, sagen Sie? Den Christmas Lunch im Pfarrstadl haben wir schon.
Freitag, 21. Dezember 2012
Jeder kennt die Rechtschreibfehler, die sich ganz einfach einschleichen, teils aus Unaufmerksamkeit, teils aus Unkenntnis. Gradwanderung statt Gratwanderung, Koma statt Komma, auf Trapp statt auf Trab, Wehmutstropfen statt Wermutstropfen, Imbus-Schlüssel statt Inbus-Schlüssel, begleiten statt bekleiden, Stehgreif statt Stegreif – an Beispielen ist wahrhaft kein Mangel.
Und ein hübscher Dauerbrenner dieser Art fand sich dieser Tage auch in unserem Blatt: Da war im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit von Müttern wieder einmal von der Kindergrippe die Rede. Nun bleiben unsere Kinder zwar nicht von Erkältungskrankheiten verschont, aber hier hätte es natürlich Kinderkrippe heißen müssen.
Verwandt sind die beiden Wörter Grippe und Krippe nicht. Grippe kam in der ursprünglichen Bedeutung Laune im 18. Jahrhundert aus Frankreich und wurde auf die Krankheit übertragen, weil sie den Menschen wie eine Laune ganz plötzlich ergreift.
Ergreift ist dabei das Schlüsselwort: Denn das französische Verb gripper geht auf eine germanische Wurzel zurück, die auch in unserem Wort greifen steckt. Die Grippe greift zu, und dann geht es uns schlicht und ergreifend schlecht.
Krippe wiederum hat sprachgeschichtlich etwas mit Kringel zu tun und bedeutet eigentlich Flechtwerk. Zunächst war damit ein geflochtener Heubehälter gemeint. Später übertrug man den Begriff auf Futtertröge jedweder Art, also auch aus Holz oder Stein. Weil es im Lukas-Evangelium heißt, dass Maria ihr Kind in einem armseligen Stall zur Welt brachte und in eine Krippe legte, wurde dieser Begriff bald auch für die gesamte Szenerie verwandt, und die Weihnachtskrippe begann ihren Siegeszug durch die christliche Welt.
In Anlehnung an dieses Bild vom behüteten Jesuskind nannte man im Frankreich des 19. Jahrhunderts die ersten Heimstätten für Säuglinge crèche pour enfants, was dann – wörtlich übersetzt – bei uns als Kinderkrippe auftauchte. Wenn man heute allerdings eher von Kindertagesstätte spricht, so hat das wohl mit der Abkürzung zu tun: Kita sagt sich halt leichter als Kikri...
Von der – wenn man so will – berühmtesten aller Kindernachtstätten wird in den nächsten Tagen sehr viel gesungen und geredet. Schon jetzt bereiten viele Eltern und Großeltern die Kinder auf die Krippe vor, die bald unterm Christbaum steht. Was manchmal nicht zu fruchten scheint: Eine befreundete Oma nahm sich den ganzen Advent über ihre kleinen Enkelinnen vor, zeigte ihnen Bilder von Krippen, klärte sie auf, wie eine solche Krippe aussieht, was alles zu einer Krippe gehört, wer in einer Krippe zu finden ist… Dann war es endlich soweit. "Und was steht jetzt unter dem Christbaum?", wollte die Oma wissen: "Ein Vogelhäusle!"
So isch no au wiedr, sagt da der Schwabe.
Und ein hübscher Dauerbrenner dieser Art fand sich dieser Tage auch in unserem Blatt: Da war im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit von Müttern wieder einmal von der Kindergrippe die Rede. Nun bleiben unsere Kinder zwar nicht von Erkältungskrankheiten verschont, aber hier hätte es natürlich Kinderkrippe heißen müssen.
Verwandt sind die beiden Wörter Grippe und Krippe nicht. Grippe kam in der ursprünglichen Bedeutung Laune im 18. Jahrhundert aus Frankreich und wurde auf die Krankheit übertragen, weil sie den Menschen wie eine Laune ganz plötzlich ergreift.
Ergreift ist dabei das Schlüsselwort: Denn das französische Verb gripper geht auf eine germanische Wurzel zurück, die auch in unserem Wort greifen steckt. Die Grippe greift zu, und dann geht es uns schlicht und ergreifend schlecht.
Krippe wiederum hat sprachgeschichtlich etwas mit Kringel zu tun und bedeutet eigentlich Flechtwerk. Zunächst war damit ein geflochtener Heubehälter gemeint. Später übertrug man den Begriff auf Futtertröge jedweder Art, also auch aus Holz oder Stein. Weil es im Lukas-Evangelium heißt, dass Maria ihr Kind in einem armseligen Stall zur Welt brachte und in eine Krippe legte, wurde dieser Begriff bald auch für die gesamte Szenerie verwandt, und die Weihnachtskrippe begann ihren Siegeszug durch die christliche Welt.
In Anlehnung an dieses Bild vom behüteten Jesuskind nannte man im Frankreich des 19. Jahrhunderts die ersten Heimstätten für Säuglinge crèche pour enfants, was dann – wörtlich übersetzt – bei uns als Kinderkrippe auftauchte. Wenn man heute allerdings eher von Kindertagesstätte spricht, so hat das wohl mit der Abkürzung zu tun: Kita sagt sich halt leichter als Kikri...
Von der – wenn man so will – berühmtesten aller Kindernachtstätten wird in den nächsten Tagen sehr viel gesungen und geredet. Schon jetzt bereiten viele Eltern und Großeltern die Kinder auf die Krippe vor, die bald unterm Christbaum steht. Was manchmal nicht zu fruchten scheint: Eine befreundete Oma nahm sich den ganzen Advent über ihre kleinen Enkelinnen vor, zeigte ihnen Bilder von Krippen, klärte sie auf, wie eine solche Krippe aussieht, was alles zu einer Krippe gehört, wer in einer Krippe zu finden ist… Dann war es endlich soweit. "Und was steht jetzt unter dem Christbaum?", wollte die Oma wissen: "Ein Vogelhäusle!"
So isch no au wiedr, sagt da der Schwabe.
Freitag, 7. Dezember 2012
Die hohe Zeit des Quempas
"Im Quempas stehen die alle drin“, befand die Gattin, als wir uns dieser Tage über Weihnachtslieder unterhielten. In der Tat, im Quempas stehen die alle drin.
Aber was versteht man unter Quempas? Und woher kommt dieser eigentümliche Name? Weil zurzeit auf allen Radiokanälen eher "Driving home for Christmas" durchgedudelt wird, wollen wir uns hier mal antizyklisch unserem altehrwürdigen Liedgut der Weihnachtszeit zuwenden. Und ganz nebenbei kann einem dabei wieder einmal bewusst werden, wie quicklebendig das totgesagte Latein im Sprachgebrauch noch immer ist.
Quempas sind die beiden ersten Silben des lateinischen Weihnachtsliedes Quem pastores laudavere. Sehr bekannt wurde es nach 1600 unter dem wörtlich übersetzten Titel Den die Hirten lobeten sehre in der hübschen Version von Michael Prätorius. Im evangelischen Mitteldeutschland erwuchs aus dem Quempas-Singen oder Quempas-Laufen im Gottesdienst und auf den Straßen ein fester Brauch, der bald auf andere Teile Deutschlands übergriff. Und als vier Musikfreunde 1930 im Bärenreiter-Verlag ein Büchlein mit rund 40 alten deutschen Weihnachtsliedern herausbrachten, nannten sie es Das Quempas-Heft. Um den Erfolg brauchten sie sich nicht zu sorgen: Bis heute hat die kleine Sammlung – seit 1962 unter dem Namen Das Quempas-Buch vertrieben – eine sensationelle Auflage von weit über drei Millionen Exemplaren erreicht.
Auch der Name der in katholischen Gegenden so beliebten, stimmungsvollen Rorate-Messfeiern an den Werktagmorgen im Advent geht auf einen lateinischen Text zurück: Rorate coeli desuper et nubes pluant iustum heißt es im Buch Jesaja des Alten Testaments, und dieses sehnsuchtsvolle Flehen um die Ankunft des Herrn findet sich im Text eines sehr bekannten Adventsliedes wieder: Tauet Himmel den Gerechten, Wolken, regnet ihn herab! Aber auch die zweite Strophe von Oh Heiland, reiß die Himmel auf ist Jesaja pur: O Gott, ein Tau vom Himmel gieß! / Im Tau herab, o Heiland, fließ! / Ihr Wolken, brecht und regnet aus / Den König über Jakobs Haus!
Schließlich wurde auch für den alten Brauch des ebenfalls ursprünglich aus dem evangelischen Mitteldeutschland stammenden Kurrende-Singens ein lateinisches Wort bemüht. Currere heißt laufen, wobei es anfangs Schüler in schwarzen Mänteln und kleinen Zylinderhüten waren, die weihnachtsliedersingend durch die Ortschaften liefen. Und was sangen sie? Natürlich den Quempas.
Übrigens gibt es solche aufs erste rätselhaft klingenden Abkürzungen auch im Deutschen. Wenn unsere Söhne alle Jahre wieder für ein Mini-Konzert am Heiligabend ihre Blasinstrumente reaktivieren, steht eine bestimmte Weihnachtsmelodie unbedingt auf dem Programm: ODF. Und wir haben mittlerweile gelernt, was das heißt: O du fröhliche.
Aber was versteht man unter Quempas? Und woher kommt dieser eigentümliche Name? Weil zurzeit auf allen Radiokanälen eher "Driving home for Christmas" durchgedudelt wird, wollen wir uns hier mal antizyklisch unserem altehrwürdigen Liedgut der Weihnachtszeit zuwenden. Und ganz nebenbei kann einem dabei wieder einmal bewusst werden, wie quicklebendig das totgesagte Latein im Sprachgebrauch noch immer ist.
Quempas sind die beiden ersten Silben des lateinischen Weihnachtsliedes Quem pastores laudavere. Sehr bekannt wurde es nach 1600 unter dem wörtlich übersetzten Titel Den die Hirten lobeten sehre in der hübschen Version von Michael Prätorius. Im evangelischen Mitteldeutschland erwuchs aus dem Quempas-Singen oder Quempas-Laufen im Gottesdienst und auf den Straßen ein fester Brauch, der bald auf andere Teile Deutschlands übergriff. Und als vier Musikfreunde 1930 im Bärenreiter-Verlag ein Büchlein mit rund 40 alten deutschen Weihnachtsliedern herausbrachten, nannten sie es Das Quempas-Heft. Um den Erfolg brauchten sie sich nicht zu sorgen: Bis heute hat die kleine Sammlung – seit 1962 unter dem Namen Das Quempas-Buch vertrieben – eine sensationelle Auflage von weit über drei Millionen Exemplaren erreicht.
Auch der Name der in katholischen Gegenden so beliebten, stimmungsvollen Rorate-Messfeiern an den Werktagmorgen im Advent geht auf einen lateinischen Text zurück: Rorate coeli desuper et nubes pluant iustum heißt es im Buch Jesaja des Alten Testaments, und dieses sehnsuchtsvolle Flehen um die Ankunft des Herrn findet sich im Text eines sehr bekannten Adventsliedes wieder: Tauet Himmel den Gerechten, Wolken, regnet ihn herab! Aber auch die zweite Strophe von Oh Heiland, reiß die Himmel auf ist Jesaja pur: O Gott, ein Tau vom Himmel gieß! / Im Tau herab, o Heiland, fließ! / Ihr Wolken, brecht und regnet aus / Den König über Jakobs Haus!
Schließlich wurde auch für den alten Brauch des ebenfalls ursprünglich aus dem evangelischen Mitteldeutschland stammenden Kurrende-Singens ein lateinisches Wort bemüht. Currere heißt laufen, wobei es anfangs Schüler in schwarzen Mänteln und kleinen Zylinderhüten waren, die weihnachtsliedersingend durch die Ortschaften liefen. Und was sangen sie? Natürlich den Quempas.
Übrigens gibt es solche aufs erste rätselhaft klingenden Abkürzungen auch im Deutschen. Wenn unsere Söhne alle Jahre wieder für ein Mini-Konzert am Heiligabend ihre Blasinstrumente reaktivieren, steht eine bestimmte Weihnachtsmelodie unbedingt auf dem Programm: ODF. Und wir haben mittlerweile gelernt, was das heißt: O du fröhliche.
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