Aus gegebenem Anlass rief am Dienstag eine Dame an. Da gerade so viel von Frankreich die Rede sei, könnten wir doch auch einmal auf die vielen Wörter zu sprechen kommen, die die Franzosen aus dem Deutschen entlehnt haben. Der Austausch zwischen unseren beiden Sprachen sei ja trotz aller Dominanz gallischer Lebensart über Jahrhunderte hinweg nicht nur eine Einbahnstraße in Richtung Deutschland gewesen.
Die Liste der Germanismen auf der anderen Rheinseite ist in der Tat länger, als man zunächst denkt. Von Aurochs bis Zugzwang gibt es eine Fülle von Begriffen aus allen Lebensbereichen, für die das Deutsche Pate stand.
Dass viele dieser Wörter mit dem Militärwesen zu tun haben, verwundert bei der Anzahl von Kriegen zwischen den beiden Ländern nicht: Bei le bivouac (von einem alten Wort Beiwacht) oder bei le lansquenet (von Landsknecht) sieht man es nicht sofort. Bei la hallebarde, la landwehr, le blitzkrieg, le panzer oder la wehrmacht dagegen liegen die deutschen Wurzeln auf der Hand.
Auch einen gewissen kulinarischen Import haben die Franzosen von unserer Seite akzeptiert: le bock, le bretzel, la choucroute, le kirsch, le kummel, le quetsche, le schnaps, le rollmops, le stollen…
Unsere Nachbarn sind – wenn man so will – zudem auf den deutschen Hund gekommen: le schnauzer, le spitz, le teckel, allesamt deutsche Importfiffis.
Wir haben ihnen so seltsame Figuren wie le poltergeist oder le doppelgaenger gebracht, aber auch le foehn, le leitmotiv, le singspiel, le minnesang, la mannschaft und le putsch.
Und schließlich fanden einige spezielle abstrakte Begriffe den Weg ins Französische – von la weltanschauung über le zeitgeist und le waldsterben bis zu le berufsverbot.
Aber ein Wort ist etwas ganz Besonderes: Schaut man im Großen Französisch-Wörterbuch von Langenscheidt unter le vasistas, so steht da Oberlicht. Ausgesprochen wird es wie deutsch was ist das. Und genau daher kommt es auch. Angeblich sollen schon im 18. Jahrhundert deutsche Reisende in Frankreich erstaunt vor den ihnen unbekannten, meist halbrunden Fenstern über einem Türsturz stehen geblieben sein und dann gefragt haben: „Was ist das?“ Das muss so oft passiert sein, dass die Franzosen diesen Begriff in ihren Wortschatz übernommen haben. Ob sie heute alle wissen, was es ursprünglich heißt, steht auf einem anderen Blatt.
Allemal sind skurrile Sätze denkbar. Auf der einen Seite: „Was ist das, ein vasistas?“ Auf der anderen Seite: „Vasistas, c’est qu’est-ce que c’est?“ Aber wir haben ja einen ähnlichen Fall im Schwäbischen: Petäderle sagt man zu einem Feuerzeug, weil es – von französisch peut-être = vielleicht – vielleicht geht, vielleicht aber auch nicht. Ob alle Schwaben diesen Hintergrund kennen, ist auch zu bezweifeln.
Ein Petäderle – was ist das?
Freitag, 18. Januar 2013
Alles pyro oder was?
"Das war gestern total pyro", schwärmt der Teenager in der Supermarktschlange der Freundin vor.
Pyro? Kein Problem: Pyro ist ein anderes Wort für gigantisch, wahnsinnig, top. Und woher weiß man so etwas? Seit einiger Zeit gibt der Langenscheidt Verlag unter dem hübschen Titel "Hä?? – Jugendsprache unplugged" eine kleine Broschüre heraus, die rund 650 aktuelle Begriffe auflistet. Gerade kam die Ausgabe für 2013 heraus, und da steht auch pyro drin.
Wie gewohnt ist die Lektüre zu einem Gutteil vor allem eins: nicht jugendfrei - zumindest im früheren Wortsinn, als Abgeordnete staatstragender Parteien nächtens noch mit dem Farbtopf ausrückten, um allzu unzüchtige Kinoplakate schwarz zu überpinseln. Viele der Neuschöpfungen, die Langenscheidt-Mitarbeiter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hier laut Verlag „ungefiltert, unverfälscht und unzensiert“ zusammengetragen haben, lassen ältere Semester nach Luft ringen. In seiner rotzfrechen Mischung aus Respektlosigkeit und Obszönität, Provokation und Aggression spiegelt dieser Jargon allerdings ja nur Tendenzen einer Freizügigkeit, die ohnehin in weiten Teilen der Gesellschaft grassiert.
Aber um ehrlich zu sein: Man lernt auch sehr viel über die Spontaneität von Sprache, über ihr Kreativitätspotenzial und nicht zuletzt ihren Witz. Ein Baumkuschler ist ein Öko-Aktivist, eine Knödelfee eine dicke Frau und ein Drehstuhlpilot ein fauler Büroangestellter.
Hausfrauenpanzer steht für schicker Geländewagen, Mafiatorte für Pizza, Vertreterschal für Krawatte, Achselterror für Schweißgeruch, Karussellfleisch für Döner, Maurerbrause für Bier…
Und auch die ältere Generation bekommt ihr Fett ab: Friedhofsgemüse (Rentner) im Gammelfleischsilo (Altersheim) – so sieht uns der Nachwuchs.
Da bleibt nur eines: gute Miene zum bösen Wortspiel machen. Vielleicht sagt so ein Teenager in der Supermarktschlange ja auch mal zur Freundin: "Die Graukappe hinter uns hat noch TÜV." Das hieße dann: Der Alte sieht noch ganz gut aus. Das wäre auf jeden Fall pyro!
Pyro? Kein Problem: Pyro ist ein anderes Wort für gigantisch, wahnsinnig, top. Und woher weiß man so etwas? Seit einiger Zeit gibt der Langenscheidt Verlag unter dem hübschen Titel "Hä?? – Jugendsprache unplugged" eine kleine Broschüre heraus, die rund 650 aktuelle Begriffe auflistet. Gerade kam die Ausgabe für 2013 heraus, und da steht auch pyro drin.
Wie gewohnt ist die Lektüre zu einem Gutteil vor allem eins: nicht jugendfrei - zumindest im früheren Wortsinn, als Abgeordnete staatstragender Parteien nächtens noch mit dem Farbtopf ausrückten, um allzu unzüchtige Kinoplakate schwarz zu überpinseln. Viele der Neuschöpfungen, die Langenscheidt-Mitarbeiter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hier laut Verlag „ungefiltert, unverfälscht und unzensiert“ zusammengetragen haben, lassen ältere Semester nach Luft ringen. In seiner rotzfrechen Mischung aus Respektlosigkeit und Obszönität, Provokation und Aggression spiegelt dieser Jargon allerdings ja nur Tendenzen einer Freizügigkeit, die ohnehin in weiten Teilen der Gesellschaft grassiert.
Aber um ehrlich zu sein: Man lernt auch sehr viel über die Spontaneität von Sprache, über ihr Kreativitätspotenzial und nicht zuletzt ihren Witz. Ein Baumkuschler ist ein Öko-Aktivist, eine Knödelfee eine dicke Frau und ein Drehstuhlpilot ein fauler Büroangestellter.
Hausfrauenpanzer steht für schicker Geländewagen, Mafiatorte für Pizza, Vertreterschal für Krawatte, Achselterror für Schweißgeruch, Karussellfleisch für Döner, Maurerbrause für Bier…
Und auch die ältere Generation bekommt ihr Fett ab: Friedhofsgemüse (Rentner) im Gammelfleischsilo (Altersheim) – so sieht uns der Nachwuchs.
Da bleibt nur eines: gute Miene zum bösen Wortspiel machen. Vielleicht sagt so ein Teenager in der Supermarktschlange ja auch mal zur Freundin: "Die Graukappe hinter uns hat noch TÜV." Das hieße dann: Der Alte sieht noch ganz gut aus. Das wäre auf jeden Fall pyro!
Freitag, 11. Januar 2013
"Was haben eure Fußballclubs eigentlich mit den Russen zu tun?", so fragte unlängst ein amerikanischer Freund, der sich bei Namen wie Borussia Dortmund oder Borussia Mönchengladbach immer verwundert die Augen reibt.
Aus seiner Sicht ist das ja nicht ganz abwegig: Russia heißt auf Englisch nun mal Russland. Aber natürlich stimmt es trotzdem nicht. Schuld an dieser Verwirrung ist eine Ansammlung von ähnlich klingenden Namen, die auch Deutschen manchmal zu schaffen machen.
Dass sich die Dortmunder Kicker bei der Clubgründung 1909 im Gasthaus Wildschütz den Namen Borussia gaben, muss man aus der Zeit heraus verstehen. Borussia war neben Prussia eine der beiden latinisierten Formen des Namens Preußen, das im damaligen Deutschen Reich eben von der Mosel bis an die Memel reichte und von Königsberg bis zur Kö. Rex Borussiae lautete demnach auch der Titel der preußischen Könige. Aber an die dachten die wackeren Fußballer wohl weniger. Die Legende will es, dass Bier aus der nahen Borussia-Brauerei ausgeschenkt wurde, als man zur Vereinstaufe schritt.
Nun tragen die Preußen allerdings gar keinen deutschen Namen. In der Region, die später zu Ostpreußen wurde, saßen im frühen Mittelalter zunächst einmal die Prußen oder Pruzzen, ein baltischer Stamm. Nach ihnen wurde das Land genannt, in das der Deutsche Orden nach 1200 vorstieß, und irgendwann färbte die Bezeichnung auch auf die neuen deutschen Siedler ab.
Überhaupt nichts mit den Preußen zu tun haben wiederum die Reußen, wie man bei uns früher die Russen nannte und was noch in der Redensart vom Herrscher aller Reußen weiterlebt – gerade dieser Tage wieder mehrfach zu hören, als Putin in pseudo-zaristischer Attitüde den dicken Gérard an die Brust nahm. Und jetzt wird es ganz kompliziert: Russen sind zwar Slawen, doch ihr Name nach dem mittelalterlichen Großreich Rus in der Mitte des heutigen Russland könnte skandinavischen Ursprungs sein. Bekanntlich stießen Wikinger vom 7. Jahrhundert an über die Flüsse nach Süden vor und zählten zur Oberschicht in Rus. Für diesen Namen Rus aber sollen Finnen gesorgt haben. Sie nannten jene Nordgermanen Ruotsi, abgeleitet aus einem germanischen Wort für Ruder.
All dies dem Freund aus den USA im Detail zu erklären, wäre vielleicht zu viel des Guten gewesen – aus seiner Perspektive. Dazu noch eine wahre Geschichte: Bei der Landung in Miami plauderten wir einst mit einem Mann vom Flughafen. Woher wir kämen, wollte er wissen. Aus Deutschland, sagten wir. Und da legte er freudig nach: Seine Vorfahren seien aus Toulouse – nicht weit weg von der russischen Grenze …
Aus seiner Sicht ist das ja nicht ganz abwegig: Russia heißt auf Englisch nun mal Russland. Aber natürlich stimmt es trotzdem nicht. Schuld an dieser Verwirrung ist eine Ansammlung von ähnlich klingenden Namen, die auch Deutschen manchmal zu schaffen machen.
Dass sich die Dortmunder Kicker bei der Clubgründung 1909 im Gasthaus Wildschütz den Namen Borussia gaben, muss man aus der Zeit heraus verstehen. Borussia war neben Prussia eine der beiden latinisierten Formen des Namens Preußen, das im damaligen Deutschen Reich eben von der Mosel bis an die Memel reichte und von Königsberg bis zur Kö. Rex Borussiae lautete demnach auch der Titel der preußischen Könige. Aber an die dachten die wackeren Fußballer wohl weniger. Die Legende will es, dass Bier aus der nahen Borussia-Brauerei ausgeschenkt wurde, als man zur Vereinstaufe schritt.
Nun tragen die Preußen allerdings gar keinen deutschen Namen. In der Region, die später zu Ostpreußen wurde, saßen im frühen Mittelalter zunächst einmal die Prußen oder Pruzzen, ein baltischer Stamm. Nach ihnen wurde das Land genannt, in das der Deutsche Orden nach 1200 vorstieß, und irgendwann färbte die Bezeichnung auch auf die neuen deutschen Siedler ab.
Überhaupt nichts mit den Preußen zu tun haben wiederum die Reußen, wie man bei uns früher die Russen nannte und was noch in der Redensart vom Herrscher aller Reußen weiterlebt – gerade dieser Tage wieder mehrfach zu hören, als Putin in pseudo-zaristischer Attitüde den dicken Gérard an die Brust nahm. Und jetzt wird es ganz kompliziert: Russen sind zwar Slawen, doch ihr Name nach dem mittelalterlichen Großreich Rus in der Mitte des heutigen Russland könnte skandinavischen Ursprungs sein. Bekanntlich stießen Wikinger vom 7. Jahrhundert an über die Flüsse nach Süden vor und zählten zur Oberschicht in Rus. Für diesen Namen Rus aber sollen Finnen gesorgt haben. Sie nannten jene Nordgermanen Ruotsi, abgeleitet aus einem germanischen Wort für Ruder.
All dies dem Freund aus den USA im Detail zu erklären, wäre vielleicht zu viel des Guten gewesen – aus seiner Perspektive. Dazu noch eine wahre Geschichte: Bei der Landung in Miami plauderten wir einst mit einem Mann vom Flughafen. Woher wir kämen, wollte er wissen. Aus Deutschland, sagten wir. Und da legte er freudig nach: Seine Vorfahren seien aus Toulouse – nicht weit weg von der russischen Grenze …
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