Winterreifen im Sprachtest
Der Winter naht, und aus den Autohäusern trudeln die Reifen-Prospekte ein. "Mein Sohn ist kaum zu bremsen, meine Winterräder ganz sicher." So liest man da - und zuckt zusammen. Warum? Grammatikalisch gesehen, ist das ein sogenannter elliptischer Satz. Wie einer Ellipse etwas zum Kreis fehlt, so fehlt in diesem Fall das Verb im zweiten Teil des Satzes. Man muss das Verb aus dem ersten Teil also mitdenken. Aber - und darin liegt das Problem - die richtige Verbform wäre dann sind und nicht ist. Denn in seiner Gänze lautet der Satz: "Mein Sohn ist kaum zu bremsen, meine Winterräder sind ganz sicher zu bremsen." Stünde da "Mein Sohn ist kaum zu bremsen, mein Auto ganz sicher", wären also beide Satzteile in der Einzahl, dann hätte alles seine Richtigkeit.
Der Duden Nr. 9 "Richtiges und gutes Deutsch" hält fest, dass man in solchen Kombi-Sätzen das Verb im Allgemeinen nicht weglassen kann, wenn es im Numerus abweicht. Der Satz "Erst wurden die Teppiche verkauft und dann (wurde) der Schmuck verhökert" ist danach nicht korrekt. Aber die Formulierung im Allgemeinen hat die Duden-Redaktion mit Bedacht gewählt.
Denn gelegentlich, so heißt es weiter, finde man auch elliptische Konstruktionen, bei denen die Abweichung akzeptiert wird. Und dann folgt ein interessantes Beispiel: Im Johannesevangelium (14,10) steht nach Luthers Übersetzung: "Glaubst du nicht, dass ich im Vater (bin) und der Vater in mir ist?" Der Reformator hatte also die Diskrepanz in Kauf genommen.
In der "Einheitsübersetzung" allerdings, die heute im katholischen Gottesdienst benutzt wird und an deren Entstehen nach 1962 auch evangelische Theologen beteiligt waren, heißt es: "Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist?" Da hatte man sich also für grammatikalische Klarheit entschieden. Bei der besagten Reifen-Werbung wäre das auch besser gewesen.
Nebenbei bemerkt: Verpönt sind auch elliptische Sätze, bei denen ein einziges Verb für zwei unterschiedliche Vorgänge herhalten muss. Merke: "Die Uhr schlug Mitternacht und der Gast mit der Faust auf den Tisch." Wird diese Verknappung allerdings als Stilmittel eingesetzt, so drücken Sprachhüter ein Auge zu. An schönen Beispielen ist ja auch kein Mangel. Etwa: "Nimm dir Zeit und nicht das Leben!" Oder: "Das Kabinett hielt den Mund und Adenauer seine Rede". Vor allem Heinz Erhardt liebte solche Pointen: "Es war sehr kalt, ich fror vor mich hin, denn nicht nur meine Mutter, auch der Ofen war ausgegangen."
Wie schon gesagt: Der Winter naht.
Freitag, 9. Oktober 2015
Von Achaia ins Allgäu
Wundert sich eine deutsche Dame auf Griechenlandfahrt: "Warum sagen wir eigentlich Griechen, obwohl sich die Einheimischen Hellenen nennen?" Eine berechtigte Frage, die auf ein weites Feld führt - zu weit, als dass sie hier umfassend beantwortet werden könnte. Nur so viel:
In seiner "Ilias", geschrieben wohl um 700 v. Chr., nannte Homer die Heerscharen, die von Griechenland gen Troja zogen, noch Achaier, Danaer oder Argiver. Im 5. Jahrhundert v. Chr. bürgerte sich der Begriff Hellenen ein, der auf einen nordgriechischen Volksstamm zurückgehen dürfte. Hellenen war dann im spätrömischen Reich die Bezeichnung für die Anhänger der altgriechischen Kulte in Abgrenzung zum Christentum, während sich die griechischen Christen selbst Romei (Römer) nannten. Später wurde der Terminus Hellenen wieder allgemein für alle griechisch Sprechenden verwendet - und darauf beruht Ellines, wie sich die Griechen jetzt nennen.
Vom griechischen Stamm der Ionier wiederum, die in der heutigen Westtürkei siedelten, leiteten die Perser den Namen Yauna ab, der dann auf andere Sprachen des Ostens abfärbte - vom Hebräischen über das Arabische bis zum Indischen. Ansonsten stand aber ein lateinischer Begriff Pate: Graeci nannten die Römer jene Griechen, die schon lange vor Christi Geburt in Süditalien Kolonien gründeten, wobei dieser Name entweder von einer griechischen Stadt namens Graia unweit Athen herrührt oder vom kleinen Stamm der Graikoi. Lateinisch Graecia für Griechenland sorgte dann für Ableger zuhauf - von albanisch Greqia über englisch Greece, finnisch Kreikka, französisch Grèce und ungarisch Görögország bis walisisch Groeg.
Ganz schön kompliziert. Wir Deutsche stehen den Griechen allerdings überhaupt nicht nach. Duits (niederländisch), tedesco (italienisch) german (englisch), yoeraman (thailändisch), allemand (französisch), niemiecki (polnisch), saksa (finnisch) - das sind nur einige der anderssprachigen Bezeichnungen für deutsch. Stoff genug für eine eigene Betrachtung - ganz zu schweigen von den despektierlichen Übernamen, mit denen uns manche belegen: von Fritz über Kraut, Boche und Mof bis Piefke.
Womit wir bei den Ethnophaulismen wären. So heißt das schöne Fremdwort für abwertende Bezeichnungen von Nationalitäten (griechisch ethnos = Volk, phaulis = gering, wertlos, böse).
Aber apropos Mehrfachbenennung: Lebt jemand in Wangen, Leutkirch oder Isny, so ist er Allgäuer, Schwabe und Württemberger zugleich.
Auch ganz schön kompliziert. Nur die Definition des Allgäuers ist relativ einfach: Beugt man sechs übereinander, dann ist der oberste genauso vrdruckt wie der unterste. Sagt man. Aber das grenzt auch schon wieder an Ethnophaulismus.
Wundert sich eine deutsche Dame auf Griechenlandfahrt: "Warum sagen wir eigentlich Griechen, obwohl sich die Einheimischen Hellenen nennen?" Eine berechtigte Frage, die auf ein weites Feld führt - zu weit, als dass sie hier umfassend beantwortet werden könnte. Nur so viel:
In seiner "Ilias", geschrieben wohl um 700 v. Chr., nannte Homer die Heerscharen, die von Griechenland gen Troja zogen, noch Achaier, Danaer oder Argiver. Im 5. Jahrhundert v. Chr. bürgerte sich der Begriff Hellenen ein, der auf einen nordgriechischen Volksstamm zurückgehen dürfte. Hellenen war dann im spätrömischen Reich die Bezeichnung für die Anhänger der altgriechischen Kulte in Abgrenzung zum Christentum, während sich die griechischen Christen selbst Romei (Römer) nannten. Später wurde der Terminus Hellenen wieder allgemein für alle griechisch Sprechenden verwendet - und darauf beruht Ellines, wie sich die Griechen jetzt nennen.
Vom griechischen Stamm der Ionier wiederum, die in der heutigen Westtürkei siedelten, leiteten die Perser den Namen Yauna ab, der dann auf andere Sprachen des Ostens abfärbte - vom Hebräischen über das Arabische bis zum Indischen. Ansonsten stand aber ein lateinischer Begriff Pate: Graeci nannten die Römer jene Griechen, die schon lange vor Christi Geburt in Süditalien Kolonien gründeten, wobei dieser Name entweder von einer griechischen Stadt namens Graia unweit Athen herrührt oder vom kleinen Stamm der Graikoi. Lateinisch Graecia für Griechenland sorgte dann für Ableger zuhauf - von albanisch Greqia über englisch Greece, finnisch Kreikka, französisch Grèce und ungarisch Görögország bis walisisch Groeg.
Ganz schön kompliziert. Wir Deutsche stehen den Griechen allerdings überhaupt nicht nach. Duits (niederländisch), tedesco (italienisch) german (englisch), yoeraman (thailändisch), allemand (französisch), niemiecki (polnisch), saksa (finnisch) - das sind nur einige der anderssprachigen Bezeichnungen für deutsch. Stoff genug für eine eigene Betrachtung - ganz zu schweigen von den despektierlichen Übernamen, mit denen uns manche belegen: von Fritz über Kraut, Boche und Mof bis Piefke.
Womit wir bei den Ethnophaulismen wären. So heißt das schöne Fremdwort für abwertende Bezeichnungen von Nationalitäten (griechisch ethnos = Volk, phaulis = gering, wertlos, böse).
Aber apropos Mehrfachbenennung: Lebt jemand in Wangen, Leutkirch oder Isny, so ist er Allgäuer, Schwabe und Württemberger zugleich.
Auch ganz schön kompliziert. Nur die Definition des Allgäuers ist relativ einfach: Beugt man sechs übereinander, dann ist der oberste genauso vrdruckt wie der unterste. Sagt man. Aber das grenzt auch schon wieder an Ethnophaulismus.
Freitag, 2. Oktober 2015
Mit Klunker auf die Wiesn
Da steht man wie gebannt vor einem Gemälde, staunt über die Farben - und landet in der Wunderwelt der Edelsteine. So geschehen dieser Tage auf Schloss Achberg bei Wangen, wo derzeit feine Plein-Air-Kunst um 1900 zu erleben ist. Betörend blau schimmert das Wasser im Bild "Der Moorgraben" von Heinrich Vogeler -Lapislazuli pur. Was für ein Name! Da klingt schon etwas an von der Magie der Juwelen quer durch die Kulturgeschichte, von der geheimnisvollen Aura dieser jahrmillionenalten Launen der Chemie.
Der Name Lapislazuli spiegelt die Herkunft aus dem Orient. Lapis ist zwar lateinisch und heißt Stein. Aber lazuli geht auf das arabische Wort azul für himmelblau zurück, das wiederum aus dem Persischen entlehnt ist. Dieselbe Wurzel steckt in Lasurit, einem anderen Namen für den Lapislazuli. Unser Wort azurblau ist davon abgeleitet, ebenso spanisch azul für blau. Côte d'Azur nennen die Franzosen ihre Mittelmeerküste, und Azzurri heißen Italiens Kicker, weil sie in blauen Trikots spielen.
Auch bei anderen Edelsteinen klingt schon in ihren exotischen Namen an, dass sie aus den sagenhaften Ländern des Ostens stammen, aus den Tempeln, Serails und Schatzkammern der Priester, Sultane und Moguln. Der tiefblaue Saphir - einer der zwölf Grundsteine der Mauern des himmlischen Jerusalem in der Geheimen Offenbarung - wurde wohl von den alten Israeliten so benannt. Turmalin ist ein ceylonesisches Wort für eine ganze Familie von bunten Edelsteinen. Der Beryll - bekannteste Spielarten sind der grüne Smaragd und der blassblaue Aquamarin - hat eine aus dem Altindischen stammende Bezeichnung, auf die übrigens auch unser Wort Brille zurückgeht.
Aber auch der Opal mit seinem irisierenden Leuchten sowie der Topas in seinen Variationen von Blau bis Goldgelb haben Namen aus dem Sanskrit.
In Rubin dagegen lebt ein mittellateinisches Wort für rot weiter. Dass er in den alten Kulturen unter vielerlei Namen als Stein der Steine galt, lag wohl auch an seinem symbolträchtigen, intensiven Blutrot. Blut war halt schon immer ein besonderer Saft.
Bevor wir aber nun die Schmuckschatulle wieder zuklappen, noch kurz zu einem sehr beliebten Juwel: dem Amethyst. Sein Name ist Programm. Amethystos heißt nicht berauscht. Die violette Farbe erinnerte die alten Griechen wohl an mit Wasser gemischten Rotwein, von dem man nicht so schnell beschwipst war. Und so meinten sie auch, der Amethyst schütze vor Trunkenheit.
Unzählige Zeitgenossen glauben heute noch an die Heilkraft der Steine. Am Sonntag geht das Oktoberfest zu Ende. Wäre interessant zu wissen, wie viele auf der Wiesn mit einem violetten Klunker unterwegs waren.
Da steht man wie gebannt vor einem Gemälde, staunt über die Farben - und landet in der Wunderwelt der Edelsteine. So geschehen dieser Tage auf Schloss Achberg bei Wangen, wo derzeit feine Plein-Air-Kunst um 1900 zu erleben ist. Betörend blau schimmert das Wasser im Bild "Der Moorgraben" von Heinrich Vogeler -Lapislazuli pur. Was für ein Name! Da klingt schon etwas an von der Magie der Juwelen quer durch die Kulturgeschichte, von der geheimnisvollen Aura dieser jahrmillionenalten Launen der Chemie.
Der Name Lapislazuli spiegelt die Herkunft aus dem Orient. Lapis ist zwar lateinisch und heißt Stein. Aber lazuli geht auf das arabische Wort azul für himmelblau zurück, das wiederum aus dem Persischen entlehnt ist. Dieselbe Wurzel steckt in Lasurit, einem anderen Namen für den Lapislazuli. Unser Wort azurblau ist davon abgeleitet, ebenso spanisch azul für blau. Côte d'Azur nennen die Franzosen ihre Mittelmeerküste, und Azzurri heißen Italiens Kicker, weil sie in blauen Trikots spielen.
Auch bei anderen Edelsteinen klingt schon in ihren exotischen Namen an, dass sie aus den sagenhaften Ländern des Ostens stammen, aus den Tempeln, Serails und Schatzkammern der Priester, Sultane und Moguln. Der tiefblaue Saphir - einer der zwölf Grundsteine der Mauern des himmlischen Jerusalem in der Geheimen Offenbarung - wurde wohl von den alten Israeliten so benannt. Turmalin ist ein ceylonesisches Wort für eine ganze Familie von bunten Edelsteinen. Der Beryll - bekannteste Spielarten sind der grüne Smaragd und der blassblaue Aquamarin - hat eine aus dem Altindischen stammende Bezeichnung, auf die übrigens auch unser Wort Brille zurückgeht.
Aber auch der Opal mit seinem irisierenden Leuchten sowie der Topas in seinen Variationen von Blau bis Goldgelb haben Namen aus dem Sanskrit.
In Rubin dagegen lebt ein mittellateinisches Wort für rot weiter. Dass er in den alten Kulturen unter vielerlei Namen als Stein der Steine galt, lag wohl auch an seinem symbolträchtigen, intensiven Blutrot. Blut war halt schon immer ein besonderer Saft.
Bevor wir aber nun die Schmuckschatulle wieder zuklappen, noch kurz zu einem sehr beliebten Juwel: dem Amethyst. Sein Name ist Programm. Amethystos heißt nicht berauscht. Die violette Farbe erinnerte die alten Griechen wohl an mit Wasser gemischten Rotwein, von dem man nicht so schnell beschwipst war. Und so meinten sie auch, der Amethyst schütze vor Trunkenheit.
Unzählige Zeitgenossen glauben heute noch an die Heilkraft der Steine. Am Sonntag geht das Oktoberfest zu Ende. Wäre interessant zu wissen, wie viele auf der Wiesn mit einem violetten Klunker unterwegs waren.
Freitag, 25. September 2015
Rechtschreibschock auf der Autobahn
Mit breiten Bannern an den Autobahnbrücken will derzeit das baden-württembergische Verkehrsministerium für mehr Sicherheit auf unseren Straßen sorgen. Sechs Promis aus dem Land - Natalia Wörner, Christina Obergföll, Regina Halmich, Christoph Sonntag, Dieter Thomas Kuhn sowie die Comedy-Gruppe "Eure Mütter" - haben sich für mehr oder minder pointierte Sprüche einspannen lassen, die uns Autofahrer nachdenklich stimmen sollen. Die Begegnung mit Regina Halmichs Slogan unlängst auf der A 8 ließ einen allerdings zusammenzucken. "Ich fahre devensiv - damit komme ich über die volle Distanz", so wurde da die Ex-Boxweltmeisterin aus Karlsruhe in großen Lettern zitiert - devensiv, statt defensiv.
Bei einer ersten Sondierung im Verkehrsministerium hieß es lapidar, davon wisse man nichts. Sollte man etwas in Erfahrung bringen, so melde man sich. Doch nichts geschah, und so drängte sich einem kurz der unangenehme Gedanke auf, einer Bewusstseinstrübung zum Opfer gefallen zu sein - und das am helllichten Tag, bei null Promille. Ein zweiter Anruf bei einer anderen Dame in derselben Pressestelle schuf dann Klarheit: Ja, es habe ein solches fehlerhaftes Banner gegeben. Das sei halt passiert, mittlerweile aber korrigiert. Und in der Tat fährt Regina Halmich jetzt landesweit defensiv.
Nun sind Rechtschreibfehler ja keine Seltenheit, vor allem bei Fremdwörtern - von Akkupunktur (statt richtig Akupunktur) bis Zenith (statt richtig Zenit). Wer sich eine volle Ladung von einschlägigen Schnitzern zu Gemüte führen will, möge einmal im Internetportal www.korrekturen.de nachschauen. In unserem Fall macht allerdings stutzig, dass ein solcher Fehler quasi durch alle Instanzen ging. Einer schrieb es, einer las es gegen, einer druckte es, einer hängte es auf - und dann fuhren wohl auch noch x Leute tagelang unter dem Banner durch, bis jemand Alarm schlug. Oder haben die meisten Autofahrer Regina Halmichs wegweisende Worte gar nicht lesen können, weil sie viel zu schnell unterwegs waren? Dann wäre der Vorfall nicht nur ein Indiz für grassierende Rechtschreibschwäche, sondern ein schlagender Beweis, wie eminent wichtig die Kampagne des Ministeriums ist. Verzeihen wir also den Fehler und hoffen wir, dass sich durch die Banner wenigstens einige der agressiven, testoterongesteuerten Hasadeure für mehr Tolleranz an die Kandarre legen lassen.
Die Fremdwörter des letzten Satzes stammen alle aus dem orthografischen Gruselkabinett von www.korrekturen.de, und es heißt natürlich aggressiven, testosterongesteuert, Hasardeure, Toleranz und Kandare. Hallo, Stuttgart!
Mit breiten Bannern an den Autobahnbrücken will derzeit das baden-württembergische Verkehrsministerium für mehr Sicherheit auf unseren Straßen sorgen. Sechs Promis aus dem Land - Natalia Wörner, Christina Obergföll, Regina Halmich, Christoph Sonntag, Dieter Thomas Kuhn sowie die Comedy-Gruppe "Eure Mütter" - haben sich für mehr oder minder pointierte Sprüche einspannen lassen, die uns Autofahrer nachdenklich stimmen sollen. Die Begegnung mit Regina Halmichs Slogan unlängst auf der A 8 ließ einen allerdings zusammenzucken. "Ich fahre devensiv - damit komme ich über die volle Distanz", so wurde da die Ex-Boxweltmeisterin aus Karlsruhe in großen Lettern zitiert - devensiv, statt defensiv.
Bei einer ersten Sondierung im Verkehrsministerium hieß es lapidar, davon wisse man nichts. Sollte man etwas in Erfahrung bringen, so melde man sich. Doch nichts geschah, und so drängte sich einem kurz der unangenehme Gedanke auf, einer Bewusstseinstrübung zum Opfer gefallen zu sein - und das am helllichten Tag, bei null Promille. Ein zweiter Anruf bei einer anderen Dame in derselben Pressestelle schuf dann Klarheit: Ja, es habe ein solches fehlerhaftes Banner gegeben. Das sei halt passiert, mittlerweile aber korrigiert. Und in der Tat fährt Regina Halmich jetzt landesweit defensiv.
Nun sind Rechtschreibfehler ja keine Seltenheit, vor allem bei Fremdwörtern - von Akkupunktur (statt richtig Akupunktur) bis Zenith (statt richtig Zenit). Wer sich eine volle Ladung von einschlägigen Schnitzern zu Gemüte führen will, möge einmal im Internetportal www.korrekturen.de nachschauen. In unserem Fall macht allerdings stutzig, dass ein solcher Fehler quasi durch alle Instanzen ging. Einer schrieb es, einer las es gegen, einer druckte es, einer hängte es auf - und dann fuhren wohl auch noch x Leute tagelang unter dem Banner durch, bis jemand Alarm schlug. Oder haben die meisten Autofahrer Regina Halmichs wegweisende Worte gar nicht lesen können, weil sie viel zu schnell unterwegs waren? Dann wäre der Vorfall nicht nur ein Indiz für grassierende Rechtschreibschwäche, sondern ein schlagender Beweis, wie eminent wichtig die Kampagne des Ministeriums ist. Verzeihen wir also den Fehler und hoffen wir, dass sich durch die Banner wenigstens einige der agressiven, testoterongesteuerten Hasadeure für mehr Tolleranz an die Kandarre legen lassen.
Die Fremdwörter des letzten Satzes stammen alle aus dem orthografischen Gruselkabinett von www.korrekturen.de, und es heißt natürlich aggressiven, testosterongesteuert, Hasardeure, Toleranz und Kandare. Hallo, Stuttgart!
Freitag, 18. September 2015
Von wegen Refugees
Dass die Flüchtlingsproblematik auch auf unsere Sprache durchschlägt, kann nicht überraschen. Das fängt schon beim Wort Flüchtling an. So wird derzeit in Medien und Internet-Foren über einen Ersatz debattiert. Politisch Hyperkorrekte empfinden den Begriff Flüchtling als abwertend, andere dagegen halten dies für eine Überreaktion.
Begründet wird die Allergie gegenüber dem Wort Flüchtling zum einen mit der historischen Belastung. In der Tat waren die Menschen aus den deutschen Ostgebieten nach 1945 nicht überall mit offenen Armen empfangen worden, und als Flüchtling abgestempelt zu werden, hatte damals schon mit Fremdenscheu und Geringschätzung zu tun. Wenn es aber eine generelle Aversion gegen den Begriff gibt, warum hat sie sich dann nicht schon früher Bahn gebrochen - etwa gegen die deutsche Benennung des UNHCR, des Flüchtlingshilfswerks der Uno?
Um die Ablehnung des Begriffs zu begründen, rückt auch noch anderes ins Blickfeld: Die Nachsilbe -ling habe einen abschätzigen Klang, so wird ins Feld geführt. Als Beispiele fallen Wüstling, Schädling, Rohling, Feigling, Sonderling, Schwächling, Häftling, Widerling. Flugs kontert die Gegenseite mit Liebling, Schützling, Säugling, Zwilling, Täufling, Pfifferling, Sperling und nicht zuletzt - quasi als Trumpfkarte - mit Frühling. Und was haben wir dann? Ein trauriges Lehrstück, wie Argumentationen durch Auslassung zurechtgebogen werden können - und deswegen bei näherer Prüfung in sich zusammenfallen.
Fest steht: Die Nachsilbe -ling ist sprachgeschichtlich eine Verkleinerungsform, mit der ursprünglich keine negative Assoziation einherging. Fest steht auch: Mit der Zeit wurden nach diesem Diminutiv-Muster viele Wörter gebildet, bei denen die Beispiele mit abwertendem, ironischem Unterton die mit neutraler oder positiver Note leicht übertreffen. Kleinwuchs reizt bekanntlich zu Spott. Aber er signalisiert auch Schutzbedürftigkeit. Muss man also das Wort Flüchtling ersetzen? Nein.
Schauen wir uns noch kurz die eilfertig präsentierten Ersatzvorschläge an: Geflüchteter oder Geflohener sind eher dünnblütige Alternativen, und Zufluchtsuchender ist zwar ein schönes Wort, aber nicht gerade sprachökonomisch. Bleibt noch das englische Refugee (von lateinisch refugium = Zuflucht), das vermehrt ins Spiel gebracht wird. Nun geht es in Ordnung, wenn man des Deutschen nicht mächtige Syrer im Münchner Bahnhof mit dem Schild Welcome Refugees! begrüßt. Aber es bei uns allen Ernstes als Ersatz für Flüchtling einzusetzen, mag zwar dem zwanghaften Wunsch vieler Deutscher nach Weltläufigkeit entsprechen, aber es hat - mit Verlaub - wie immer bei Anglizismen diesen Anstrich von Wichtigtuerei. Refjudschiiis, - hallo, ich kann auch Englisch!
Tausende von Flüchtlingen kommen derzeit zu uns. Sehr viele Dinge sind momentan viel wichtiger als dieser semantische Stellvertreterkrieg.
Dass die Flüchtlingsproblematik auch auf unsere Sprache durchschlägt, kann nicht überraschen. Das fängt schon beim Wort Flüchtling an. So wird derzeit in Medien und Internet-Foren über einen Ersatz debattiert. Politisch Hyperkorrekte empfinden den Begriff Flüchtling als abwertend, andere dagegen halten dies für eine Überreaktion.
Begründet wird die Allergie gegenüber dem Wort Flüchtling zum einen mit der historischen Belastung. In der Tat waren die Menschen aus den deutschen Ostgebieten nach 1945 nicht überall mit offenen Armen empfangen worden, und als Flüchtling abgestempelt zu werden, hatte damals schon mit Fremdenscheu und Geringschätzung zu tun. Wenn es aber eine generelle Aversion gegen den Begriff gibt, warum hat sie sich dann nicht schon früher Bahn gebrochen - etwa gegen die deutsche Benennung des UNHCR, des Flüchtlingshilfswerks der Uno?
Um die Ablehnung des Begriffs zu begründen, rückt auch noch anderes ins Blickfeld: Die Nachsilbe -ling habe einen abschätzigen Klang, so wird ins Feld geführt. Als Beispiele fallen Wüstling, Schädling, Rohling, Feigling, Sonderling, Schwächling, Häftling, Widerling. Flugs kontert die Gegenseite mit Liebling, Schützling, Säugling, Zwilling, Täufling, Pfifferling, Sperling und nicht zuletzt - quasi als Trumpfkarte - mit Frühling. Und was haben wir dann? Ein trauriges Lehrstück, wie Argumentationen durch Auslassung zurechtgebogen werden können - und deswegen bei näherer Prüfung in sich zusammenfallen.
Fest steht: Die Nachsilbe -ling ist sprachgeschichtlich eine Verkleinerungsform, mit der ursprünglich keine negative Assoziation einherging. Fest steht auch: Mit der Zeit wurden nach diesem Diminutiv-Muster viele Wörter gebildet, bei denen die Beispiele mit abwertendem, ironischem Unterton die mit neutraler oder positiver Note leicht übertreffen. Kleinwuchs reizt bekanntlich zu Spott. Aber er signalisiert auch Schutzbedürftigkeit. Muss man also das Wort Flüchtling ersetzen? Nein.
Schauen wir uns noch kurz die eilfertig präsentierten Ersatzvorschläge an: Geflüchteter oder Geflohener sind eher dünnblütige Alternativen, und Zufluchtsuchender ist zwar ein schönes Wort, aber nicht gerade sprachökonomisch. Bleibt noch das englische Refugee (von lateinisch refugium = Zuflucht), das vermehrt ins Spiel gebracht wird. Nun geht es in Ordnung, wenn man des Deutschen nicht mächtige Syrer im Münchner Bahnhof mit dem Schild Welcome Refugees! begrüßt. Aber es bei uns allen Ernstes als Ersatz für Flüchtling einzusetzen, mag zwar dem zwanghaften Wunsch vieler Deutscher nach Weltläufigkeit entsprechen, aber es hat - mit Verlaub - wie immer bei Anglizismen diesen Anstrich von Wichtigtuerei. Refjudschiiis, - hallo, ich kann auch Englisch!
Tausende von Flüchtlingen kommen derzeit zu uns. Sehr viele Dinge sind momentan viel wichtiger als dieser semantische Stellvertreterkrieg.
Freitag, 31. Juli 2015
Alles fliegt
Der Morgen Gold im Munde hat, ich aber fühl' mich hundematt.
Wie viel Wahrheit in diesem Schüttelreim liegt, kann einem manchmal schmerzlich bewusst werden. Zum Beispiel, wenn eine dicke, schwarze Fliege die Nacht irgendwo im Schlafzimmer verbracht hat und sich morgens - sobald die ersten Sonnenstrahlen durch die Rollläden blitzen - auf den hauptsächlichen Daseinszweck eines Insekts aus der Familie der Brachycera besinnt: Fliegen fliegen. Also fliegt sie.
Da sie auch den hartnäckigsten Nachstellungen trotzt und fortan immer nervöser umherschwirrt, ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Stattdessen geht einem allerhand durch den Kopf. Zum Beispiel ein Vers des US-Dichters Ogden Nash aus den 1960ern: The Lord in his wisdom made the fly, but then forgot to tell us why. Auf Deutsch: Der Herr in seiner Weisheit schuf die Fliege, vergaß dann aber, uns zu erklären, warum. Wie leicht zu erkennen, war jener Nash ein kongenialer Bruder im Geiste von Heinz Erhardt, und der Tiefendimension solcher Nonsens-Poesie kann man sich kaum verschließen.
Aber auch der Satz Fliegen fliegen gibt Anlass zum Sinnieren. In seiner Kürze wird er nur noch von Sätzen wie Tu es oder Ich bin übertroffen. Dazu kommt noch die Besonderheit, dass das Subjekt Fliegen und das Prädikat fliegen identisch sind. Deshalb gibt es ja auch jene uralte Rätselfrage aus Pennälerzeiten nach einem Satz mit sechs identischen Wörtern in Folge. Die Lösung: Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach.
Dass französisch prendre la mouche (wörtlich: die Fliege nehmen) auf Deutsch sich furchtbar aufregen heißt, passt übrigens auch noch hierher. Man kann sich in der Tat furchtbar aufregen über ein derart lästiges Biest. Dabei gibt es doch eine probate Lösung: Man öffnet das Fenster - und wie zur Bestätigung einer beliebten deutschen Redensart macht die Fliege flugs die Fliege.
Apropos: Da derzeit ein Großteil der urlaubsreifen Nation die Fliege macht, wollen wir uns mitsamt den Sprachplaudereien anschließen. Spätestens nach dem 8. September - An Maria Geburt fliegen die Schwalben furt - fliegen wir dann wieder ein.
Der Morgen Gold im Munde hat, ich aber fühl' mich hundematt.
Wie viel Wahrheit in diesem Schüttelreim liegt, kann einem manchmal schmerzlich bewusst werden. Zum Beispiel, wenn eine dicke, schwarze Fliege die Nacht irgendwo im Schlafzimmer verbracht hat und sich morgens - sobald die ersten Sonnenstrahlen durch die Rollläden blitzen - auf den hauptsächlichen Daseinszweck eines Insekts aus der Familie der Brachycera besinnt: Fliegen fliegen. Also fliegt sie.
Da sie auch den hartnäckigsten Nachstellungen trotzt und fortan immer nervöser umherschwirrt, ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Stattdessen geht einem allerhand durch den Kopf. Zum Beispiel ein Vers des US-Dichters Ogden Nash aus den 1960ern: The Lord in his wisdom made the fly, but then forgot to tell us why. Auf Deutsch: Der Herr in seiner Weisheit schuf die Fliege, vergaß dann aber, uns zu erklären, warum. Wie leicht zu erkennen, war jener Nash ein kongenialer Bruder im Geiste von Heinz Erhardt, und der Tiefendimension solcher Nonsens-Poesie kann man sich kaum verschließen.
Aber auch der Satz Fliegen fliegen gibt Anlass zum Sinnieren. In seiner Kürze wird er nur noch von Sätzen wie Tu es oder Ich bin übertroffen. Dazu kommt noch die Besonderheit, dass das Subjekt Fliegen und das Prädikat fliegen identisch sind. Deshalb gibt es ja auch jene uralte Rätselfrage aus Pennälerzeiten nach einem Satz mit sechs identischen Wörtern in Folge. Die Lösung: Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach.
Dass französisch prendre la mouche (wörtlich: die Fliege nehmen) auf Deutsch sich furchtbar aufregen heißt, passt übrigens auch noch hierher. Man kann sich in der Tat furchtbar aufregen über ein derart lästiges Biest. Dabei gibt es doch eine probate Lösung: Man öffnet das Fenster - und wie zur Bestätigung einer beliebten deutschen Redensart macht die Fliege flugs die Fliege.
Apropos: Da derzeit ein Großteil der urlaubsreifen Nation die Fliege macht, wollen wir uns mitsamt den Sprachplaudereien anschließen. Spätestens nach dem 8. September - An Maria Geburt fliegen die Schwalben furt - fliegen wir dann wieder ein.
Freitag, 24. Juli 2015
Nichts geht mehr!
Nichts geht mehr!
In der Plauderei der letzten Woche war kurz die Rede vom Vabanquespiel. Dieser Begriff scheint nicht jedem geläufig zu sein, und so kommen wir auf ihn zurück - mit dem Nebeneffekt, hier zur Abwechslung mal eine Lanze für das Französische zu brechen.
Denn wie rasant die Amerikanisierung bei uns fortschreitet, mögen drei Beispiele aus den letzten Tagen beweisen: Erfrischung to go stand auf dem Aldi-Prospekt, der aus der Zeitung purzelte. Am Friseurladen hing am Montag das Schild Closed. Und wie die derzeit allerorten prangenden Plakate nahelegen, fiel den beiden Allgäukrimi-Fließbandproduzenten Kobr und Klüpfel wohl nichts Besseres ein, als ihre neue Tour My Klufti zu nennen. Nebenbei bemerkt: Warum ihr Buch Grimmbart heißt, obwohl sich der alte Name des Dachses in der Fabel Grimbart schreibt, erschließt sich eigentlich nicht - falls es nicht eine Unachtsamkeit ist, die sich eben einschleicht, wenn vor lauter Lit-Comedy-Show das heimische Idiom ins Hintertreffen gerät.
Aber jetzt zum Thema: Va banque spielen kennen wir in der Bedeutung alles wagen, um alles zu gewinnen oder alles zu verlieren; alles auf eine Karte setzen; alles aufs Spiel setzen; ein hohes Risiko eingehen. Die Wendung - genau übersetzt: es gilt die Bank - stammt aus dem 18. Jahrhundert, als das gesellschaftliche Leben noch sehr stark von Frankreich aus bestimmt wurde. Quelle ist der Jargon der Glücksspieler. Beim Vabanquespiel setzt man alles ein, was man hat, genauer gesagt: man spielt um die Bank, also um den gesamten Einsatz am betreffenden Spieltisch.
Überhaupt verdanken wir der Sprache unserer Nachbarn jenseits des Rheins einige Fachausdrücke aus dem Innenleben der Casinos - vor allem beim Roulette. Man setzt auf Pair (gerade) oder Impair (ungerade), auf Cheval (zwei Zahlen) oder Carré (vier Zahlen). Man folgt dem Croupier, wenn er sein Faites vos jeux! (Macht euer Spiel) verkündet, und man folgt ihm erneut - manche auch nur widerwillig - beim finalen Rien ne va plus! (Nichts geht mehr).
Zurück zum Vabanquespiel: Angeblich fiel das Wort zwischen Hermann Göring und Adolf Hitler, nachdem England den Deutschen 1939 den Krieg erklärt hatte. Göring riet Hitler eindringlich: "Wir wollen doch das Vabanquespiel lassen.", worauf Hitler antwortete: "Ich habe in meinem Leben immer va banque gespielt." Wohl wahr.
Am Schluss hieß es auch Nichts geht mehr! - und ein ganzes Volk hatte verloren.
In der Plauderei der letzten Woche war kurz die Rede vom Vabanquespiel. Dieser Begriff scheint nicht jedem geläufig zu sein, und so kommen wir auf ihn zurück - mit dem Nebeneffekt, hier zur Abwechslung mal eine Lanze für das Französische zu brechen.
Denn wie rasant die Amerikanisierung bei uns fortschreitet, mögen drei Beispiele aus den letzten Tagen beweisen: Erfrischung to go stand auf dem Aldi-Prospekt, der aus der Zeitung purzelte. Am Friseurladen hing am Montag das Schild Closed. Und wie die derzeit allerorten prangenden Plakate nahelegen, fiel den beiden Allgäukrimi-Fließbandproduzenten Kobr und Klüpfel wohl nichts Besseres ein, als ihre neue Tour My Klufti zu nennen. Nebenbei bemerkt: Warum ihr Buch Grimmbart heißt, obwohl sich der alte Name des Dachses in der Fabel Grimbart schreibt, erschließt sich eigentlich nicht - falls es nicht eine Unachtsamkeit ist, die sich eben einschleicht, wenn vor lauter Lit-Comedy-Show das heimische Idiom ins Hintertreffen gerät.
Aber jetzt zum Thema: Va banque spielen kennen wir in der Bedeutung alles wagen, um alles zu gewinnen oder alles zu verlieren; alles auf eine Karte setzen; alles aufs Spiel setzen; ein hohes Risiko eingehen. Die Wendung - genau übersetzt: es gilt die Bank - stammt aus dem 18. Jahrhundert, als das gesellschaftliche Leben noch sehr stark von Frankreich aus bestimmt wurde. Quelle ist der Jargon der Glücksspieler. Beim Vabanquespiel setzt man alles ein, was man hat, genauer gesagt: man spielt um die Bank, also um den gesamten Einsatz am betreffenden Spieltisch.
Überhaupt verdanken wir der Sprache unserer Nachbarn jenseits des Rheins einige Fachausdrücke aus dem Innenleben der Casinos - vor allem beim Roulette. Man setzt auf Pair (gerade) oder Impair (ungerade), auf Cheval (zwei Zahlen) oder Carré (vier Zahlen). Man folgt dem Croupier, wenn er sein Faites vos jeux! (Macht euer Spiel) verkündet, und man folgt ihm erneut - manche auch nur widerwillig - beim finalen Rien ne va plus! (Nichts geht mehr).
Zurück zum Vabanquespiel: Angeblich fiel das Wort zwischen Hermann Göring und Adolf Hitler, nachdem England den Deutschen 1939 den Krieg erklärt hatte. Göring riet Hitler eindringlich: "Wir wollen doch das Vabanquespiel lassen.", worauf Hitler antwortete: "Ich habe in meinem Leben immer va banque gespielt." Wohl wahr.
Am Schluss hieß es auch Nichts geht mehr! - und ein ganzes Volk hatte verloren.
Freitag, 17. Juli 2015
Mal Mordlust, mal Mordslust
Was goht mi mei saudomms Gschwätz vo geschtern a!" Von Reinhold Maier, Baden-Württembergs erstem Ministerpräsidenten, stammt dieser für einen Politiker eher peinliche Ausspruch. Aber auch beim Duden scheint man manchmal nach dieser Devise zu verfahren. Unvergessen ist das Einknicken beim lange Zeit zu Recht verlästerten sogenannten Deppen-Apostroph nach der Rechtschreibreform. Früher ein Unding, war Willi's Würstchenbude plötzlich erlaubt - "zur Verdeutlichung der Grundform eines Eigennamens".
Aha.
Dieser Tage war nun in einer Zeitung wieder einmal von der Unions-Kanzlerin die Rede, was eigentlich Unsinn ist. Aber siehe da, auch hier hat der Duden eine Kehrtwendung gemacht. Früher war der Bindestrich nach einem Fugen-s verpönt. Zur Verdeutlichung: Damit sich Laute besser hintereinander sprechen lassen, haben sich sogenannte Fugenelemente herausgebildet. Bei besagter Unionskanzlerin ist es das s, damit die Abfolge von n und k leichter über die Lippen geht.
Dasselbe Phänomen haben wir in Worten wie Tagesanfang, Hundesteuer, Kinderwunsch, Opernball, Herzensanliegen etc. 30 Prozent unserer Komposita oder zusammengesetzten Hauptwörter sind so gebildet. Und weil diese Fugenelemente beim Verschmelzen der Wortteile helfen sollen, ist der Bindestrich eigentlich kontraproduktiv.
Aber was liest man im Duden Nr. 9 "Richtiges und gutes Deutsch" von 2011? Bei Komposita, die durch ein Fugen-s gegliedert werden, gebe es zwar im Allgemeinen keinen Bindestrich. Allerdings könne man aus Gründen der Übersichtlichkeit einen setzen. Also Schulspartags-Verlosung statt Schulspartagsverlosung. Nichts gegen den Bindestrich aus Gründen der Übersichtlichkeit, aber hier grenzt er an Willkür.
Ein Streit um Kaisers Bart? Leider nein. Es sind gerade solche Fälle des Zulassens von wachsweichen Varianten, die Rechtschreibung heute mehr und mehr zum Vabanquespiel machen und vielen als Entschuldigung dienen für eine zunehmende Wurstigkeit im Umgang mit unserer Sprache. Das kann eigentlich niemand recht sein - schon gar nicht Sprachhütern.
Noch ein Nachklapp: Bei einigen Wörtern verändert sich der Sinn, je nachdem, ob sie ein Fugen-s haben oder nicht. So gibt es den Landmann (Landwirt), aber auch den Landsmann (Kompatriot).
Und ein weiteres einschlägiges Wortpärchen: Der Islamisten-Organisation IS im Nahen Osten wird derzeit zu Recht Mordlust unterstellt. Eine Mordslust auf Eis hingegen ist in diesen Tagen normal.
Was goht mi mei saudomms Gschwätz vo geschtern a!" Von Reinhold Maier, Baden-Württembergs erstem Ministerpräsidenten, stammt dieser für einen Politiker eher peinliche Ausspruch. Aber auch beim Duden scheint man manchmal nach dieser Devise zu verfahren. Unvergessen ist das Einknicken beim lange Zeit zu Recht verlästerten sogenannten Deppen-Apostroph nach der Rechtschreibreform. Früher ein Unding, war Willi's Würstchenbude plötzlich erlaubt - "zur Verdeutlichung der Grundform eines Eigennamens".
Aha.
Dieser Tage war nun in einer Zeitung wieder einmal von der Unions-Kanzlerin die Rede, was eigentlich Unsinn ist. Aber siehe da, auch hier hat der Duden eine Kehrtwendung gemacht. Früher war der Bindestrich nach einem Fugen-s verpönt. Zur Verdeutlichung: Damit sich Laute besser hintereinander sprechen lassen, haben sich sogenannte Fugenelemente herausgebildet. Bei besagter Unionskanzlerin ist es das s, damit die Abfolge von n und k leichter über die Lippen geht.
Dasselbe Phänomen haben wir in Worten wie Tagesanfang, Hundesteuer, Kinderwunsch, Opernball, Herzensanliegen etc. 30 Prozent unserer Komposita oder zusammengesetzten Hauptwörter sind so gebildet. Und weil diese Fugenelemente beim Verschmelzen der Wortteile helfen sollen, ist der Bindestrich eigentlich kontraproduktiv.
Aber was liest man im Duden Nr. 9 "Richtiges und gutes Deutsch" von 2011? Bei Komposita, die durch ein Fugen-s gegliedert werden, gebe es zwar im Allgemeinen keinen Bindestrich. Allerdings könne man aus Gründen der Übersichtlichkeit einen setzen. Also Schulspartags-Verlosung statt Schulspartagsverlosung. Nichts gegen den Bindestrich aus Gründen der Übersichtlichkeit, aber hier grenzt er an Willkür.
Ein Streit um Kaisers Bart? Leider nein. Es sind gerade solche Fälle des Zulassens von wachsweichen Varianten, die Rechtschreibung heute mehr und mehr zum Vabanquespiel machen und vielen als Entschuldigung dienen für eine zunehmende Wurstigkeit im Umgang mit unserer Sprache. Das kann eigentlich niemand recht sein - schon gar nicht Sprachhütern.
Noch ein Nachklapp: Bei einigen Wörtern verändert sich der Sinn, je nachdem, ob sie ein Fugen-s haben oder nicht. So gibt es den Landmann (Landwirt), aber auch den Landsmann (Kompatriot).
Und ein weiteres einschlägiges Wortpärchen: Der Islamisten-Organisation IS im Nahen Osten wird derzeit zu Recht Mordlust unterstellt. Eine Mordslust auf Eis hingegen ist in diesen Tagen normal.
Freitag, 10. Juli 2015
Auf ein Vollkornwasser!
"Mach mr a leichte Weiße!" Der Sangesfreund weiß, was ihm frommt, als er nach der schweißtreibenden Chorprobe in der Allgäuer Stammkneipe der Bedienung ruft. Nur nicht zu viel Alkohol gegen den schnellen Durst in diesen verfrühten Hundstagen! Ein weiser Entschluss. Aber uns soll etwas anderes beschäftigen: das Geschlecht des Getränks. Feminine Alkoholika sind bei uns nämlich eine Rarität. Ob es nun am eher männlichen Griff zur Flasche liegt, wollen wir hier in Zeiten der Gender-Diskussion lieber offen lassen - bloß keine sprachspezifischen Blutfehden zwischen TrinkerInnen. Aber auffallend ist das Ganze schon.
Ob bei Weinen oder Spirituosen, die maskulinen Formen überwiegen. Der Wein, der Riesling, der Traminer, der Bordeaux, der Valpolicella, der Lacrimae Christi, der Tokayer, der Sekt, der Champagner, der Veuve Cliquot, der Prosecco, der Cidre, der Schnaps, der Wodka, der Kirsch, der Williams, der Korn, der Cognac, der Whiskey, der Gin, der Bitter, der Rum, der Tequila, der Sherry, der Likör, der Caipirinha…
Beim Suchen nach weiblichen Pendants tut man sich schwer. Die Bloody Mary passt hierher, jener Cocktail aus Wodka, Tomatensaft und scharfen Gewürzen, den sich schon Ernest Hemingway hinter die Binde goss. Auch die Liebfrauenmilch, die vor 250 Jahren noch ein berühmter Weißwein aus Rheinhessen war, aber längst zur Massenware verkommen ist. Und natürlich die Bowle, wie man ein Mischgetränk auf Wein- oder Sektbasis nennt, weil es in einem bowl (englisch für Schale) serviert wird. Zu Nierentischzeiten sehr beliebt, ist sie heute eher aus der Mode gekommen. Aber wer weiß, vielleicht rollt demnächst eine Bowlen-Retro-Welle an und man schnippelt wieder alles Mögliche in die Schüssel.
Da loben wir uns doch das Bier nach dem deutschen Reinheitsgebot - das Bier, wohlgemerkt, denn Bier ist sächlich: das Pils, das Export, das Lager, das Kölsch, das Helle, das Blonde, das Urquell, das Ale, das Guinness - und das Weizen, um wieder ins Allgäu zurückzukehren.
Aber warum nun die Weiße? Berühmt ist die Berliner Weiße, jene meist mit Waldmeister- oder Himbeersirup versetzte Spezialität von der Spree.
Allerdings hat man auch im Süden schon immer Weiße zum Weizenbier gesagt. Nur nebenbei: Weizen und weiß sind sprachgeschichtlich eng verwandt. Der Weizen hat seinen Namen von seinem besonders weißen Mehl.
Eine Leichte Weiße bieten heute viele Brauereien an. Und die alkoholfreie Variante gibt es auch. Vollkornwasser nennt sie ein Allgäuer Schultes.
Also auf ein Vollkornwasser - falls die nächsten Hundstage noch toller werden.
"Mach mr a leichte Weiße!" Der Sangesfreund weiß, was ihm frommt, als er nach der schweißtreibenden Chorprobe in der Allgäuer Stammkneipe der Bedienung ruft. Nur nicht zu viel Alkohol gegen den schnellen Durst in diesen verfrühten Hundstagen! Ein weiser Entschluss. Aber uns soll etwas anderes beschäftigen: das Geschlecht des Getränks. Feminine Alkoholika sind bei uns nämlich eine Rarität. Ob es nun am eher männlichen Griff zur Flasche liegt, wollen wir hier in Zeiten der Gender-Diskussion lieber offen lassen - bloß keine sprachspezifischen Blutfehden zwischen TrinkerInnen. Aber auffallend ist das Ganze schon.
Ob bei Weinen oder Spirituosen, die maskulinen Formen überwiegen. Der Wein, der Riesling, der Traminer, der Bordeaux, der Valpolicella, der Lacrimae Christi, der Tokayer, der Sekt, der Champagner, der Veuve Cliquot, der Prosecco, der Cidre, der Schnaps, der Wodka, der Kirsch, der Williams, der Korn, der Cognac, der Whiskey, der Gin, der Bitter, der Rum, der Tequila, der Sherry, der Likör, der Caipirinha…
Beim Suchen nach weiblichen Pendants tut man sich schwer. Die Bloody Mary passt hierher, jener Cocktail aus Wodka, Tomatensaft und scharfen Gewürzen, den sich schon Ernest Hemingway hinter die Binde goss. Auch die Liebfrauenmilch, die vor 250 Jahren noch ein berühmter Weißwein aus Rheinhessen war, aber längst zur Massenware verkommen ist. Und natürlich die Bowle, wie man ein Mischgetränk auf Wein- oder Sektbasis nennt, weil es in einem bowl (englisch für Schale) serviert wird. Zu Nierentischzeiten sehr beliebt, ist sie heute eher aus der Mode gekommen. Aber wer weiß, vielleicht rollt demnächst eine Bowlen-Retro-Welle an und man schnippelt wieder alles Mögliche in die Schüssel.
Da loben wir uns doch das Bier nach dem deutschen Reinheitsgebot - das Bier, wohlgemerkt, denn Bier ist sächlich: das Pils, das Export, das Lager, das Kölsch, das Helle, das Blonde, das Urquell, das Ale, das Guinness - und das Weizen, um wieder ins Allgäu zurückzukehren.
Aber warum nun die Weiße? Berühmt ist die Berliner Weiße, jene meist mit Waldmeister- oder Himbeersirup versetzte Spezialität von der Spree.
Allerdings hat man auch im Süden schon immer Weiße zum Weizenbier gesagt. Nur nebenbei: Weizen und weiß sind sprachgeschichtlich eng verwandt. Der Weizen hat seinen Namen von seinem besonders weißen Mehl.
Eine Leichte Weiße bieten heute viele Brauereien an. Und die alkoholfreie Variante gibt es auch. Vollkornwasser nennt sie ein Allgäuer Schultes.
Also auf ein Vollkornwasser - falls die nächsten Hundstage noch toller werden.
Freitag, 3. Juli 2015
Griechische Windbeutel
Mit welchen Kraftausdrücken derzeit an den Stammtischen über Alexis Tsipras und Gianis Varoufakis hergezogen wird, wollen wir hier nicht näher ausführen - das gebietet uns der Anstand. Aber wenn einmal ein hoch angesehener, verdienter, ansonsten immer um Ausgewogenheit bemühter Journalist wie der ARD-Brüssel-Korrespondent Rolf-Dieter Krause von Mistkerlen spricht, ist - um es mal schwäbisch zu sagen - gnueg Hei unte. Da klingen Bezeichnungen wie Hasardeure oder Zocker, die dieser Tage ebenfalls in aller Munde sind, noch geradezu harmlos. Aber weil wir hier bekanntlich gerne Wortwurzeln bloßlegen, sind sie uns eine kurze Betrachtung wert.
Wer Französisch in der Schule gelernt hat, kennt den Ausdruck par hasard für zufällig, willkürlich, und genau dasselbe bedeutet auch das englische by hazard. Dieses hasard steckt in unseren Hasardeuren, wie man zu Leuten sagt, die leichtsinnig bis mutwillig etwas aufs Spiel setzen. Entlehnt haben die Franzosen das alte Wort - wohl auf dem Umweg über das Spanische - aus dem Arabischen. Yasara, in anderer Schreibweise az-zahr, heißt Würfelspiel. Wahrscheinlich brachten es die Mauren schon im frühen Mittelalter aus dem Orient auf die iberische Halbinsel mit.
Ein Erbstück aus dem Jiddischen dagegen ist zocken, ebenfalls mit der Bedeutung sein Glück im Spiel versuchen. Irgendwann tauchte dieses Wort in der Gaunersprache auf, und ein Zocker war fortan ein Glücksspieler mit dem Hang zum Risiko. In manchen früheren Nachschlagewerken sucht man dieses Zocken übrigens vergeblich. Wieder in Schwang gekommen ist der Begriff vor allem in den letzten Jahren. Da wird - huch, wie verrucht! - in allen Lebenslagen gezockt, was das Zeug hält. Ob am Pokertisch, an der Börse, in der Liebe - oder eben in der Politik .
Noch mal zurück ins Schwäbische: Auch auf dem Markt am Montagmorgen waren die jüngsten Finten der beiden Griechen ein Thema. Da sagte die eine Frau aufgebracht zur anderen: "Des send doch zwei Windbeitl!", und es kam kein Widerspruch.
Um einen alten Pennälerwitz zu bemühen: Was ist die Steigerung von Windbeutel? Antwort: Sturmsäcke.
Bei den Herren T und V neigt man zu Letzterem.
Mit welchen Kraftausdrücken derzeit an den Stammtischen über Alexis Tsipras und Gianis Varoufakis hergezogen wird, wollen wir hier nicht näher ausführen - das gebietet uns der Anstand. Aber wenn einmal ein hoch angesehener, verdienter, ansonsten immer um Ausgewogenheit bemühter Journalist wie der ARD-Brüssel-Korrespondent Rolf-Dieter Krause von Mistkerlen spricht, ist - um es mal schwäbisch zu sagen - gnueg Hei unte. Da klingen Bezeichnungen wie Hasardeure oder Zocker, die dieser Tage ebenfalls in aller Munde sind, noch geradezu harmlos. Aber weil wir hier bekanntlich gerne Wortwurzeln bloßlegen, sind sie uns eine kurze Betrachtung wert.
Wer Französisch in der Schule gelernt hat, kennt den Ausdruck par hasard für zufällig, willkürlich, und genau dasselbe bedeutet auch das englische by hazard. Dieses hasard steckt in unseren Hasardeuren, wie man zu Leuten sagt, die leichtsinnig bis mutwillig etwas aufs Spiel setzen. Entlehnt haben die Franzosen das alte Wort - wohl auf dem Umweg über das Spanische - aus dem Arabischen. Yasara, in anderer Schreibweise az-zahr, heißt Würfelspiel. Wahrscheinlich brachten es die Mauren schon im frühen Mittelalter aus dem Orient auf die iberische Halbinsel mit.
Ein Erbstück aus dem Jiddischen dagegen ist zocken, ebenfalls mit der Bedeutung sein Glück im Spiel versuchen. Irgendwann tauchte dieses Wort in der Gaunersprache auf, und ein Zocker war fortan ein Glücksspieler mit dem Hang zum Risiko. In manchen früheren Nachschlagewerken sucht man dieses Zocken übrigens vergeblich. Wieder in Schwang gekommen ist der Begriff vor allem in den letzten Jahren. Da wird - huch, wie verrucht! - in allen Lebenslagen gezockt, was das Zeug hält. Ob am Pokertisch, an der Börse, in der Liebe - oder eben in der Politik .
Noch mal zurück ins Schwäbische: Auch auf dem Markt am Montagmorgen waren die jüngsten Finten der beiden Griechen ein Thema. Da sagte die eine Frau aufgebracht zur anderen: "Des send doch zwei Windbeitl!", und es kam kein Widerspruch.
Um einen alten Pennälerwitz zu bemühen: Was ist die Steigerung von Windbeutel? Antwort: Sturmsäcke.
Bei den Herren T und V neigt man zu Letzterem.
Freitag, 26. Juni 2015
Gassi gehen mit Frau Merkel
Diesmal soll es um Tiernamen gehen, und so lassen wir noch einmal den Krambambuli von der Leine. 1883 schrieb Marie von Ebner-Eschenbach ihre Novelle - und war damit ihrer Zeit weit voraus. Denn nach einem Wacholderschnaps benannte man damals eigentlich keinen Hund. Damit fällt ein Schlaglicht auf die Zoonomastik, sprich: Tiernamenforschung, die sich eines wachsenden Interesses erfreut.
Wohl hatten Hunde früher Namen. Man denke nur an die Windspiele des Alten Fritz: Biche, Superbe, Alcmene ... Das ebbt auch noch nach in den illuster klingenden Namen, die sich Züchter für ihre reinrassigen Zöglinge ausdenken - Marke Aristo vom Eulenforst, was einen kleinen Dackel doch etwas hoch greift. Beim gemeinen Haus- und Hofhund war die Namensgebung eher einfallslos. Viele trugen gar keinen Namen, oder es reichte gerade mal für Bello, weil ein Hund ja schließlich bellt.
Das hat sich geändert. Unbenannte Hunde gibt es fast keine mehr. Fast 60 Prozent tragen heute Personennamen. Aber nicht mehr Rex oder Hasso, Hella oder Senta. Heute gilt: je individueller, ausgefallener, witziger, desto besser. Man geht mit Schröder Gassi, mit Mr. Bean, Einstein, Lagerfeld oder Clooney, und eine Bulldoggen-Dame namens Frau Merkel soll es auch schon geben. Aber auch jedwedes Ding scheint zum Hundenamen zu taugen, von Moped bis Müsli, und nicht zuletzt - wie bei Krambambuli - alle Arten von Alkoholika. Whisky, Barolo, Riesling. Ökonomisch ging einst eine Verwandte vor: Ihre Zwergpudel hießen Cherry und Brandy. Rief sie Cherry Brandy, kamen beide.
Bei Nutztieren gibt es eine gegenläufige Entwicklung. In der Bio-Landwirtschaft verzichten viele Höfe auf die Namensgebung. Einerseits werben sie damit, nicht das Fleisch anonymer Rinder aus Massenzucht zu verkaufen, andererseits befürchten sie Vorbehalte bei der Kundschaft, wenn die Tiere benannt sind. Alma oder Zenzi isst man nicht. Und so kommt die Lende von Rind II/3 auf den Tisch.
Doch tierische Medienstars springen in die Bresche: Krake Paul, Schildkröte Lotti, Kaiman Sammy - und der nächste Problembär kommt bestimmt.
Diesmal soll es um Tiernamen gehen, und so lassen wir noch einmal den Krambambuli von der Leine. 1883 schrieb Marie von Ebner-Eschenbach ihre Novelle - und war damit ihrer Zeit weit voraus. Denn nach einem Wacholderschnaps benannte man damals eigentlich keinen Hund. Damit fällt ein Schlaglicht auf die Zoonomastik, sprich: Tiernamenforschung, die sich eines wachsenden Interesses erfreut.
Wohl hatten Hunde früher Namen. Man denke nur an die Windspiele des Alten Fritz: Biche, Superbe, Alcmene ... Das ebbt auch noch nach in den illuster klingenden Namen, die sich Züchter für ihre reinrassigen Zöglinge ausdenken - Marke Aristo vom Eulenforst, was einen kleinen Dackel doch etwas hoch greift. Beim gemeinen Haus- und Hofhund war die Namensgebung eher einfallslos. Viele trugen gar keinen Namen, oder es reichte gerade mal für Bello, weil ein Hund ja schließlich bellt.
Das hat sich geändert. Unbenannte Hunde gibt es fast keine mehr. Fast 60 Prozent tragen heute Personennamen. Aber nicht mehr Rex oder Hasso, Hella oder Senta. Heute gilt: je individueller, ausgefallener, witziger, desto besser. Man geht mit Schröder Gassi, mit Mr. Bean, Einstein, Lagerfeld oder Clooney, und eine Bulldoggen-Dame namens Frau Merkel soll es auch schon geben. Aber auch jedwedes Ding scheint zum Hundenamen zu taugen, von Moped bis Müsli, und nicht zuletzt - wie bei Krambambuli - alle Arten von Alkoholika. Whisky, Barolo, Riesling. Ökonomisch ging einst eine Verwandte vor: Ihre Zwergpudel hießen Cherry und Brandy. Rief sie Cherry Brandy, kamen beide.
Bei Nutztieren gibt es eine gegenläufige Entwicklung. In der Bio-Landwirtschaft verzichten viele Höfe auf die Namensgebung. Einerseits werben sie damit, nicht das Fleisch anonymer Rinder aus Massenzucht zu verkaufen, andererseits befürchten sie Vorbehalte bei der Kundschaft, wenn die Tiere benannt sind. Alma oder Zenzi isst man nicht. Und so kommt die Lende von Rind II/3 auf den Tisch.
Doch tierische Medienstars springen in die Bresche: Krake Paul, Schildkröte Lotti, Kaiman Sammy - und der nächste Problembär kommt bestimmt.
Freitag, 19. Juni 2015
Ein Hoch auf den Holunder
"Darf es zur Begrüßung ein Prosecco Sambuco sein?" Party-Experten wissen, was man ihnen da anbietet: Edelbrause mit einem Schuss Holundersirup. Sambucus ist der lateinische Name jener uralten Kulturpflanze, und daher kommt die heutige italienische Form sambuco.
Klingt halt etwas mondäner. Uns soll hier das deutsche Wort Holunder interessieren.
Betrachtet man Namen wie Holunder, Flieder, Wacholder, Rüster (ein anderer Name für die Ulme), Affolter (eine alte Bezeichnung für den Apfelbaum) oder Heister (ein Fachbegriff für junge, zweimal umgepflanzte Laubbäume), so fällt die gemeinsame Endung auf. Forscher sehen dieses -der oder -ter als Überbleibsel einer germanischen Nachsilbe -dra für Baum, mit der die meisten Baumnamen gebildet wurden. Daher kommt das englische Wort tree.
Verwandt ist griechisch dendron, das wir aus Pflanzennamen wie Rhododendron kennen, eigentlich Rosenbaum.
In diese Wortfamilie gehört unser treu, das nichts anderes heißt als so fest wie ein Baum.
Na ja, Bäume können auch schwach werden und umfallen.
Zurück zum Holunder. Mancherorts nennt man ihn auch Holder oder Holler. Im Märchen "Frau Holle" schüttelt die Goldmarie das Bettzeug aus dem Fenster, worauf die Federn als Schnee auf die Erde fallen. Es gibt Theorien, wonach in dieser Figur der Frau Holle eine altgermanische Göttin namens Hulda, Holda oder Holla nachlebt. In ihrem Zusammenhang wird - schon vom Namen her - der Holunder gesehen, der als besonders mythisch befrachtete Pflanze gilt. Dass man bei seinen weißen Blütendolden an Frau Holles Schneeflocken denkt, ist ja nicht ganz abwegig.
Just aus diesen Blüten wird der Sirup für den Schampus hergestellt. Manche machen Likör daraus, und die schwarzen Früchte lassen sich zu einem Holunderwein veredeln.
Pflanzen haben allezeit die Fantasie der Spezialisten für Alkoholika angeregt. So auch der Wacholder. Aus seinen Beeren entsteht jener Schnaps, der unter dem englischen Namen Gin weltweit bekannt ist - abgeleitet vom lateinischen juniperus (Wacholder) über französisch genièvre und niederländisch jenever. In Österreich und Teilen Bayerns wird der Wacholder auch Kranewitt genannt, der dazugehörige Hochprozentige ist der Kranewitter oder Krambambuli.
Womit wir bei der Literatur sind: Krambambuli heißt jener im wahren Wortsinn arme Hund in Marie von Ebner-Eschenbachs berühmter Novelle. Tiernamen - auch ein weites Feld. Wir werden es beackern.
"Darf es zur Begrüßung ein Prosecco Sambuco sein?" Party-Experten wissen, was man ihnen da anbietet: Edelbrause mit einem Schuss Holundersirup. Sambucus ist der lateinische Name jener uralten Kulturpflanze, und daher kommt die heutige italienische Form sambuco.
Klingt halt etwas mondäner. Uns soll hier das deutsche Wort Holunder interessieren.
Betrachtet man Namen wie Holunder, Flieder, Wacholder, Rüster (ein anderer Name für die Ulme), Affolter (eine alte Bezeichnung für den Apfelbaum) oder Heister (ein Fachbegriff für junge, zweimal umgepflanzte Laubbäume), so fällt die gemeinsame Endung auf. Forscher sehen dieses -der oder -ter als Überbleibsel einer germanischen Nachsilbe -dra für Baum, mit der die meisten Baumnamen gebildet wurden. Daher kommt das englische Wort tree.
Verwandt ist griechisch dendron, das wir aus Pflanzennamen wie Rhododendron kennen, eigentlich Rosenbaum.
In diese Wortfamilie gehört unser treu, das nichts anderes heißt als so fest wie ein Baum.
Na ja, Bäume können auch schwach werden und umfallen.
Zurück zum Holunder. Mancherorts nennt man ihn auch Holder oder Holler. Im Märchen "Frau Holle" schüttelt die Goldmarie das Bettzeug aus dem Fenster, worauf die Federn als Schnee auf die Erde fallen. Es gibt Theorien, wonach in dieser Figur der Frau Holle eine altgermanische Göttin namens Hulda, Holda oder Holla nachlebt. In ihrem Zusammenhang wird - schon vom Namen her - der Holunder gesehen, der als besonders mythisch befrachtete Pflanze gilt. Dass man bei seinen weißen Blütendolden an Frau Holles Schneeflocken denkt, ist ja nicht ganz abwegig.
Just aus diesen Blüten wird der Sirup für den Schampus hergestellt. Manche machen Likör daraus, und die schwarzen Früchte lassen sich zu einem Holunderwein veredeln.
Pflanzen haben allezeit die Fantasie der Spezialisten für Alkoholika angeregt. So auch der Wacholder. Aus seinen Beeren entsteht jener Schnaps, der unter dem englischen Namen Gin weltweit bekannt ist - abgeleitet vom lateinischen juniperus (Wacholder) über französisch genièvre und niederländisch jenever. In Österreich und Teilen Bayerns wird der Wacholder auch Kranewitt genannt, der dazugehörige Hochprozentige ist der Kranewitter oder Krambambuli.
Womit wir bei der Literatur sind: Krambambuli heißt jener im wahren Wortsinn arme Hund in Marie von Ebner-Eschenbachs berühmter Novelle. Tiernamen - auch ein weites Feld. Wir werden es beackern.
Freitag, 12. Juni 2015
Kleines ß ganz groß
Was ist eigentlich aus dem großen Scharf-S geworden? Auch wenn Sie jetzt der Meinung sein sollten, es gebe Wichtigeres im Leben, so ist diese Frage doch nicht ganz abwegig. Und im Nu sind wir wieder mal bei der Rechtschreibreform. Obwohl lange über einen Wegfall des ß, jenes nur im Deutschen vorkommenden Buchstabens, diskutiert worden war, entschied man sich 1996 zur Beibehaltung - allerdings mit neuen Regeln. Vor langen Vokalen sowie Doppellauten schreibt man seither ß, vor kurzen Vokalen ss.
Also einerseits Fuß, Strauß und Fleiß, andererseits Fluss, Riss und Tross. Fairerweise muss man hier anmerken, dass diese Neuregelung - im Gegensatz zu vielen höchst ärgerlichen Fehlleistungen der Reform - schnell verinnerlicht wurde.
Allerdings hat sie einen Haken. In Massen genossen, ist dieser Wein ein Vergnügen. Diesen Satz fand ein Freund unlängst auf einer Flasche aus Italien. Nun hatte der Weinhändler sicher nicht die Steigerung des Konsums im Auge, sondern ganz einfach kein ß auf der Tastatur. Genau aus diesem Grund plädierten viele Experten vor 1996 für den Wegfall dieses aus der Frakturschrift stammenden Buchstabens und wollten das ß in Zeiten der Globalisierung einfach durch ss ersetzen. Da seien aber Missverständnisse programmiert, kam damals flugs der Aufschrei.
Was nicht falsch ist: Die Schweizer, die seit Jahrzehnten kein ß mehr haben, kennen dieses Problem: Wenn Massen von Büssern in Bussen in Masse Busse tun... Es sind zwar nur sehr wenige Wörter, die zu Verwirrungen führen, aber bei Buße/Busse, Maße/Masse oder auch Floße/Flosse wird der Kontext schon sehr wichtig.
Allerdings haben wir nun eine andere Ungereimtheit: Was passiert, wenn ein Wort in Großbuchstaben geschrieben wird? Da es bislang offiziell kein großes ß gibt, das in der in der deutschen Rechtschreibung verankert ist, behilft man sich seit der Reform allein mit einem SS. Früher setzte man noch ein SZ ein. Man schrieb also MASZE (Einheit) im Gegensatz zu MASSE (Menge). Diese Unterscheidung wurde 1996 fallen gelassen. Mit der Folge, dass man jetzt in einer Fußpflege-Praxis steht, an deren Wand für einen FUSSBALSAM geworben wird.
Das kann es eigentlich nicht sein. Deswegen denkt man schon seit Ende des 19. Jahrhunderts (!) über die Einführung eines großen ß nach. Und siehe da: 2008 wurde ein von Grafikern geschaffenes Zeichen - sieht genau so aus, nur größer und dicker - in den internationalen Standard Unicode für Computerzeichen aufgenommen.
Aber warum benutzen wir es dann nicht? Weil im "Rat für Rechtschreibung" befunden wurde, er sei nicht dazu da, sich neue Zeichen auszudenken. Es bedürfe "einer Initiative aus der Schreibgemeinschaft, um hier auf der Basis eines gesellschaftlichen Konsenses Abhilfe zu schaffen". Ist das also ein Fall für die große Koalition? Wir bleiben an dem Thema dran.
Was ist eigentlich aus dem großen Scharf-S geworden? Auch wenn Sie jetzt der Meinung sein sollten, es gebe Wichtigeres im Leben, so ist diese Frage doch nicht ganz abwegig. Und im Nu sind wir wieder mal bei der Rechtschreibreform. Obwohl lange über einen Wegfall des ß, jenes nur im Deutschen vorkommenden Buchstabens, diskutiert worden war, entschied man sich 1996 zur Beibehaltung - allerdings mit neuen Regeln. Vor langen Vokalen sowie Doppellauten schreibt man seither ß, vor kurzen Vokalen ss.
Also einerseits Fuß, Strauß und Fleiß, andererseits Fluss, Riss und Tross. Fairerweise muss man hier anmerken, dass diese Neuregelung - im Gegensatz zu vielen höchst ärgerlichen Fehlleistungen der Reform - schnell verinnerlicht wurde.
Allerdings hat sie einen Haken. In Massen genossen, ist dieser Wein ein Vergnügen. Diesen Satz fand ein Freund unlängst auf einer Flasche aus Italien. Nun hatte der Weinhändler sicher nicht die Steigerung des Konsums im Auge, sondern ganz einfach kein ß auf der Tastatur. Genau aus diesem Grund plädierten viele Experten vor 1996 für den Wegfall dieses aus der Frakturschrift stammenden Buchstabens und wollten das ß in Zeiten der Globalisierung einfach durch ss ersetzen. Da seien aber Missverständnisse programmiert, kam damals flugs der Aufschrei.
Was nicht falsch ist: Die Schweizer, die seit Jahrzehnten kein ß mehr haben, kennen dieses Problem: Wenn Massen von Büssern in Bussen in Masse Busse tun... Es sind zwar nur sehr wenige Wörter, die zu Verwirrungen führen, aber bei Buße/Busse, Maße/Masse oder auch Floße/Flosse wird der Kontext schon sehr wichtig.
Allerdings haben wir nun eine andere Ungereimtheit: Was passiert, wenn ein Wort in Großbuchstaben geschrieben wird? Da es bislang offiziell kein großes ß gibt, das in der in der deutschen Rechtschreibung verankert ist, behilft man sich seit der Reform allein mit einem SS. Früher setzte man noch ein SZ ein. Man schrieb also MASZE (Einheit) im Gegensatz zu MASSE (Menge). Diese Unterscheidung wurde 1996 fallen gelassen. Mit der Folge, dass man jetzt in einer Fußpflege-Praxis steht, an deren Wand für einen FUSSBALSAM geworben wird.
Das kann es eigentlich nicht sein. Deswegen denkt man schon seit Ende des 19. Jahrhunderts (!) über die Einführung eines großen ß nach. Und siehe da: 2008 wurde ein von Grafikern geschaffenes Zeichen - sieht genau so aus, nur größer und dicker - in den internationalen Standard Unicode für Computerzeichen aufgenommen.
Aber warum benutzen wir es dann nicht? Weil im "Rat für Rechtschreibung" befunden wurde, er sei nicht dazu da, sich neue Zeichen auszudenken. Es bedürfe "einer Initiative aus der Schreibgemeinschaft, um hier auf der Basis eines gesellschaftlichen Konsenses Abhilfe zu schaffen". Ist das also ein Fall für die große Koalition? Wir bleiben an dem Thema dran.
Freitag, 29. Mai 2015
Für Freunde der bildlichen Rede war der gestrige Medien-sturm in Sachen Fifa ein wahres Fest. Lustvoll bedienten sich die Kommentatoren aus dem Fundus der Metaphorik, und dabei fiel wieder einmal auf, wie hoch doch der Anteil an biblischen Redensarten in unserer Sprache ist - ob die Sprecher und Schreiber sich dessen bewusst sind oder nicht.
Blatter gibt wieder einmal das Unschuldslamm: Hier spielt die christliche Lamm-Symbolik herein, also der Vergleich mit dem schuldlos geopferten Heiland.
Blatter wäscht wie gewohnt seine Hände in Unschuld: Diese Wendung geht auf jene Passage aus dem Passionsgeschehen des Neuen Testaments zurück, da Pilatus sich Wasser reichen lässt, um seine Unschuld am Tod Jesu zu demonstrieren. Allerdings findet sich dieses Bild auch schon im Psalm 26 des Alten Testaments: Ich wasche meine Hände mit Unschuld und halte mich, Herr, zu deinem Altar.
Damit nicht genug: Wie immer bleibt Blatter seinem Image als Wolf im Schafpelz treu - dieser Vergleich stammt aus dem Matthäus-Evangelium (7, 13). Danach soll man sich vor falschen Propheten hüten, die in Schafskleidern auftreten, aber nichts anderes sind als reißende Wölfe.
Und gestern außerdem im Metaphern-Repertoire: Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass Blatter ein Vergehen zugibt. Hier verstand man zwar, was gemeint war. Allerdings wurde das ursprüngliche Bild der Bibel stark verfremdet. Bei Matthäus (19, 24) steht: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. Nebenbei bemerkt: Jesu Äußerung bezog sich wahrscheinlich nicht auf ein echtes Nadelöhr. In Jerusalem soll es vielmehr ein besonders enges Tor in der Stadtmauer namens Nadelöhr gegeben haben, durch das ein Kamel kaum passte.
Dass Joseph S. Blatter letztlich wieder einmal ungeschoren davonkommt, ist leider denkbar. Vielleicht liegt das - nomen est omen - in seinem Familiennamen begründet. Drei Interpretationen für Blatter bieten sich nach den Regeln der Onomastik an, wie man zur Namenskunde auch sagt.
Erstens: Ein Vorfahr könnte die Blattern gehabt und Narben davongetragen haben. Wir hätten hier also einen typischen Übernamen.
Zweitens: Blatters Ahnen waren Jäger. Blattzeit ist die Brunftzeit der Rehe, und das Gerät mit dem der Waidmann auf Bockpirsch das sehnsuchtsvolle Fiepen der Ricke nachahmt, heißt Blatter. Also auch ein Übername.
Drittens: In Familiennamen wie Blatter, Blattner oder Blättner lebt der alte Beruf des Rüstungsschmieds weiter, der für die Ritter Plattenpanzer herstellte. Bei unserem Fifa-Joseph ergibt das durchaus einen Sinn: An ihm prallt alles ab.
Trost bieten allenfalls die Sprüche Salomons (16, 18): Hochmut kommt vor dem Fall.
Blatter gibt wieder einmal das Unschuldslamm: Hier spielt die christliche Lamm-Symbolik herein, also der Vergleich mit dem schuldlos geopferten Heiland.
Blatter wäscht wie gewohnt seine Hände in Unschuld: Diese Wendung geht auf jene Passage aus dem Passionsgeschehen des Neuen Testaments zurück, da Pilatus sich Wasser reichen lässt, um seine Unschuld am Tod Jesu zu demonstrieren. Allerdings findet sich dieses Bild auch schon im Psalm 26 des Alten Testaments: Ich wasche meine Hände mit Unschuld und halte mich, Herr, zu deinem Altar.
Damit nicht genug: Wie immer bleibt Blatter seinem Image als Wolf im Schafpelz treu - dieser Vergleich stammt aus dem Matthäus-Evangelium (7, 13). Danach soll man sich vor falschen Propheten hüten, die in Schafskleidern auftreten, aber nichts anderes sind als reißende Wölfe.
Und gestern außerdem im Metaphern-Repertoire: Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass Blatter ein Vergehen zugibt. Hier verstand man zwar, was gemeint war. Allerdings wurde das ursprüngliche Bild der Bibel stark verfremdet. Bei Matthäus (19, 24) steht: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. Nebenbei bemerkt: Jesu Äußerung bezog sich wahrscheinlich nicht auf ein echtes Nadelöhr. In Jerusalem soll es vielmehr ein besonders enges Tor in der Stadtmauer namens Nadelöhr gegeben haben, durch das ein Kamel kaum passte.
Dass Joseph S. Blatter letztlich wieder einmal ungeschoren davonkommt, ist leider denkbar. Vielleicht liegt das - nomen est omen - in seinem Familiennamen begründet. Drei Interpretationen für Blatter bieten sich nach den Regeln der Onomastik an, wie man zur Namenskunde auch sagt.
Erstens: Ein Vorfahr könnte die Blattern gehabt und Narben davongetragen haben. Wir hätten hier also einen typischen Übernamen.
Zweitens: Blatters Ahnen waren Jäger. Blattzeit ist die Brunftzeit der Rehe, und das Gerät mit dem der Waidmann auf Bockpirsch das sehnsuchtsvolle Fiepen der Ricke nachahmt, heißt Blatter. Also auch ein Übername.
Drittens: In Familiennamen wie Blatter, Blattner oder Blättner lebt der alte Beruf des Rüstungsschmieds weiter, der für die Ritter Plattenpanzer herstellte. Bei unserem Fifa-Joseph ergibt das durchaus einen Sinn: An ihm prallt alles ab.
Trost bieten allenfalls die Sprüche Salomons (16, 18): Hochmut kommt vor dem Fall.
Freitag, 22. Mai 2015
"Natürlich merken wir, dass der Grundwasserspiegel biblischen Wissens sinkt." So wurde gestern der Bremer Theologe Renke Brahms in unserer Zeitung zitiert. Der Mann hat leider recht. Wer etwa nach der Bedeutung des Pfingstfestes fragt, landet schnell in Untiefen. Bei Weihnachten und Ostern tun sich die Zeitgenossen noch leichter. Aber wessen an Pfingsten gedacht wird, scheint nicht mehr zum Allgemeinwissen zu gehören.
Im Namen steckt allerdings noch die Erinnerung an jene Szene der Apostelgeschichte, da die Jünger Jesu zusammensaßen, ein Sturm aufbrauste, Feuerzungen vom Himmel fielen, sie alle vom Heiligen Geist erfüllt wurden und in verschiedenen Sprachen redeten. Denn geschehen ist dieses Wunder am 50. Tag nach Ostern, und griechisch pentekoste (hemera), von dem unser Wort Pfingsten kommt, ist der 50. (Tag). Französisch pentecôte, italienisch pentecoste und spanisch pentecostés haben dieselbe Wurzel. Im Englischen allerdings gibt es sowohl pentecost als auch ein altes Whitsun. Das heißt nichts anderes als Weißer Sonntag und geht wohl darauf zurück, dass Täuflinge an diesem Tag weiß gekleidet waren - wie bei uns die Kommunionkinder.
Aber das Wort Pfingsten ist noch aus einem anderen Grund interessant: Blättert man in Reclams Lexikon der Reime mit seinen 25 000 Beispielen, so fällt auf, dass es nur wenige Wörter gibt, die sich lediglich auf ein einziges anderes Wort reimen. Etwa Pfingsten. Dazu passt nur geringsten. Dichter haben sich das nicht entgehen lassen. In Pfingstpredigten wird gerne Bert Brecht zitiert, der in seinem "Kinderbuch" schrieb: Pfingsten sind die Geschenke am geringsten, während Ostern, Geburtstag und Weihnachten was einbrachten. Pfarrer widersprechen hier. Oberflächlich habe Brecht zwar recht, weil Weihnachten und Ostern viel geschenkträchtiger seien. Aber spirituell betrachtet, bedeute Gottes Geschenk des Heiligen Geistes natürlich sehr viel - was unbestreitbar richtig ist.
Nebenbei bemerkt: Während Brechts Zeilen reimtechnisch noch ausbaufähig gewesen wären, dichtete Heinz Erhardt raffinierter - wobei man die Fallhöhe verzeihen möge:
Wir haben Glück: Am Pfingstsonntag soll Schluss sein mit dem grauen Himmel. Und dann passt die weiße Hose eh.
Im Namen steckt allerdings noch die Erinnerung an jene Szene der Apostelgeschichte, da die Jünger Jesu zusammensaßen, ein Sturm aufbrauste, Feuerzungen vom Himmel fielen, sie alle vom Heiligen Geist erfüllt wurden und in verschiedenen Sprachen redeten. Denn geschehen ist dieses Wunder am 50. Tag nach Ostern, und griechisch pentekoste (hemera), von dem unser Wort Pfingsten kommt, ist der 50. (Tag). Französisch pentecôte, italienisch pentecoste und spanisch pentecostés haben dieselbe Wurzel. Im Englischen allerdings gibt es sowohl pentecost als auch ein altes Whitsun. Das heißt nichts anderes als Weißer Sonntag und geht wohl darauf zurück, dass Täuflinge an diesem Tag weiß gekleidet waren - wie bei uns die Kommunionkinder.
Aber das Wort Pfingsten ist noch aus einem anderen Grund interessant: Blättert man in Reclams Lexikon der Reime mit seinen 25 000 Beispielen, so fällt auf, dass es nur wenige Wörter gibt, die sich lediglich auf ein einziges anderes Wort reimen. Etwa Pfingsten. Dazu passt nur geringsten. Dichter haben sich das nicht entgehen lassen. In Pfingstpredigten wird gerne Bert Brecht zitiert, der in seinem "Kinderbuch" schrieb: Pfingsten sind die Geschenke am geringsten, während Ostern, Geburtstag und Weihnachten was einbrachten. Pfarrer widersprechen hier. Oberflächlich habe Brecht zwar recht, weil Weihnachten und Ostern viel geschenkträchtiger seien. Aber spirituell betrachtet, bedeute Gottes Geschenk des Heiligen Geistes natürlich sehr viel - was unbestreitbar richtig ist.
Nebenbei bemerkt: Während Brechts Zeilen reimtechnisch noch ausbaufähig gewesen wären, dichtete Heinz Erhardt raffinierter - wobei man die Fallhöhe verzeihen möge:
Wer ahnte, dass zum WeihnachtsfestJoachim Ringelnatz wiederum trieben ganz andere Gedanken um:
Cornelia mich sitzen lässt?
Das war noch nichts: zu Ostern jetzt
hat sie mich abermals versetzt!
Nun freu' ich mich auf Pfingsten
- nicht im geringsten!
Wenn sich der Himmel grau bezieht,
mich stört's nicht im geringsten.
Wer meine weiße Hose sieht,
der merkt doch: Es ist Pfingsten.
Wir haben Glück: Am Pfingstsonntag soll Schluss sein mit dem grauen Himmel. Und dann passt die weiße Hose eh.
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