Immer wieder einmal nehmen wir an dieser Stelle Modewörter unter die Lupe, die plötzlich da sind und sich dann unter tatkräftiger Geburtshilfe der Medien vermehren wie die Karnickel. Heute ist aus gegebenem Anlass die Falle dran. Denn so viel Falle war nie. Zurzeit sitzt immer irgendwer irgendwo irgendwie in der Falle.
Wobei Angela Merkel ein besonders armes Häschen ist. Unsere Kanzlerin sitzt seit sechs Wochen nur noch in der Falle – zunächst in der Guttenberg-Falle, dann in der Euro-Falle, in der Atom-Falle und jetzt in der Libyen-Falle. Von den früheren Fallen – Kirchhof-Falle, Afghanistan-Falle, Schröder-Falle, Moskau-Falle, Opel-Falle, Griechenland-Falle etc. – soll hier gar nicht mehr die Rede sein. Und wer das alles nicht glauben mag, muss nur mal kurz googeln.
Nun ist eine Falle eigentlich klar definiert: Falle = Vorrichtung zum Fangen und Töten von Tieren. So lesen wir es in Nachschlagewerken. Das heißt: Man kommt also normalerweise nicht mehr raus aus einer Falle. Wenn die Falle richtig gestellt wurde, ist die Maus nachher mausetot. Das hat etwas Endgültiges.
Bei unseren fallensüchtigen Schreibern aber wird schon gar nicht mehr nachgehakt. Kam Edmund Stoiber noch einmal raus aus der Versprecher-Falle? Oder Kai Pflaume aus der Comedy-Falle? Oder Otfried Fischer aus der Sex-Falle? Oder Dieter Bohlen aus der Nazi-Falle? Oder Gesine Lötzsch aus der Kommunismus-Falle? Bei Clemens Tönnies, der dieser Tage noch in der Magath-Falle saß, wissen wir es. Er kam raus. Aber sitzt er nun bald in der Rangnick-Falle? Weitere Fallen gefällig? Die Städte sitzen in der Spar-Falle, die Informatiker in der Daten-Falle, die Arbeitslosen in der Hartz-IV-Falle, die Schüler in der Handy-Falle…
Und ganz schlimm wird es auf dem gesellschaftspolitischem Parkett: Während ältere Frauen nur in der Falten-Falle und folglich in der Botox-Falle sitzen, droht jüngeren Frauen zunächst die Gender-Falle, dann die Fleiß-Falle und schließlich die Mutter-Falle – falls sie nicht auf einen Gatten treffen, der gerade in der Karriere-Falle sitzt und deswegen die Eltern-Falle, sprich Kinder-Falle vermeiden will.
Kurz: Glauben wir Fernsehen, Funk und Zeitungen, sitzen wir alle permanent in irgendeiner Falle – in der Individualismus-Falle, Angst-Falle, Gewinnspiel-Falle, Abo-Falle, Bafög-Falle, Lifestyle-Falle, Kosten-Falle, Ikea-Falle, E-Bay-Falle, Rechtschreib-Falle, IQ-Falle, Fett-Falle, Diät-Falle, Jo-Jo-Falle, Fitness-Falle, Wellness-Falle….
Und gerade noch gelesen: Stefan Mappus steckt in der Glaubwürdigkeitsfalle. Das wollen wir jetzt zwei Tage vor der Landtagswahl einfach mal unkommentiert stehen lassen.
Aber apropos Glaubwürdigkeitsfalle: Da landen irgendwann auch die Fallensteller unter den Journalisten. Denn dieser stereotype Gebrauch einer modischen und oft auch noch unscharfen oder irreführenden Formulierung macht Texte ja nicht unbedingt zwingender.
Im Falle eines Falles passt in die Falle alles? Auf keinen Fall!
Donnerstag, 17. März 2011
Das Moratorium und ein Memento mori
Derzeit ist ein Wort in aller Munde, das eine nähere Erklärung verdient: Moratorium. Der Begriff für einen vereinbarten oder angeordneten Aufschub bestimmter Verbindlichkeiten geht auf ein spätlateinisches moratorius = säumend zurück, das wiederum seine Wurzel im lateinischen mora = Aufschub, Verzug hat. Verwendet wird Moratorium heute recht vielseitig: wenn der IWF armen Ländern ihre Schulden stundet; wenn Russland den KSZE-Vertrag aussetzt, da es ihn durch die USA verletzt sieht; wenn die Gegner des Projekts „Stuttgart 21“ den sofortigen Stopp fordern; oder wenn – wie jetzt – die Bundesregierung eine bereits getroffene Regelung mit den AKW-Betreibern für drei Monate aufschiebt.
Verwechselt wird das Moratorium gerne mit dem Memorandum. Auch dieses Wort stammt aus dem Lateinischen: memorandus heißt erinnerungswürdig, erwähnenswert, und ein Memorandum ist eine Stellungnahme, die es lohnt, schriftlich festgehalten zu werden. Im diplomatischen Verkehr spricht man von Memoranden, aber auch bei Schlusskommuniqués nach Tagungen von Parteien und Organisationen oder bei Denkschriften gesellschaftlicher Gruppierungen.
Ins Blickfeld gerät hier schließlich das Memento mori. Von Mönchen im Mittelalter abgekürzt aus dem lateinischen memento moriendum esse (denke daran, dass du sterblich bist!), soll dieser Spruch an die Vergänglichkeit allen Lebens erinnern. Angesichts der Tausenden vom jähen Tod überraschten Menschen in Japan hat er derzeit eine erschütternde Aktualität. Aber was treibt viele Deutsche vorrangig um? Die rundum verlogen geführte Diskussion über ein Moratorium. Mora hat noch eine Bedeutung: Innehalten. Und auch wenn es nur ein frommer Wunsch bleiben wird: Haltet inne!
Verwechselt wird das Moratorium gerne mit dem Memorandum. Auch dieses Wort stammt aus dem Lateinischen: memorandus heißt erinnerungswürdig, erwähnenswert, und ein Memorandum ist eine Stellungnahme, die es lohnt, schriftlich festgehalten zu werden. Im diplomatischen Verkehr spricht man von Memoranden, aber auch bei Schlusskommuniqués nach Tagungen von Parteien und Organisationen oder bei Denkschriften gesellschaftlicher Gruppierungen.
Ins Blickfeld gerät hier schließlich das Memento mori. Von Mönchen im Mittelalter abgekürzt aus dem lateinischen memento moriendum esse (denke daran, dass du sterblich bist!), soll dieser Spruch an die Vergänglichkeit allen Lebens erinnern. Angesichts der Tausenden vom jähen Tod überraschten Menschen in Japan hat er derzeit eine erschütternde Aktualität. Aber was treibt viele Deutsche vorrangig um? Die rundum verlogen geführte Diskussion über ein Moratorium. Mora hat noch eine Bedeutung: Innehalten. Und auch wenn es nur ein frommer Wunsch bleiben wird: Haltet inne!
Freitag, 11. März 2011
Doppelte Lottchen auf der Krokuswiese
Kaum ist der Schnee weg, zeigen sich die ersten Vorboten des Frühlings…
Nein, Sie haben sich nicht in die Gartenkolumne verirrt. Über die Krokuswiese wollen wir uns lediglich einem Phänomen nähern, dessen sich viele nicht bewusst sind: In unserer Sprache wimmelt es von Pleonasmen, also von unnötigen Dopplungen, die sich aus Unkenntnis oder Unachtsamkeit einschleichen und dann auf Dauer festsetzen.
Markante Beispiele wie neu renovieren (renovieren heißt schon erneuern), oder aufoktroyieren (oktroyieren heißt schon aufzwingen) haben wir bereits abgehandelt. Aber an weiteren Fällen ist kein Mangel. Auch unsere Leser versorgen uns fleißig mit Nachschub. Einige Kostproben:
Wer bei Geldgeschäften von seiner PIN-Nummer spricht, hat wohl noch nie darüber nachgedacht, was dieser Begriff eigentlich bedeutet: PIN ist die Abkürzung von Personal Identification Number oder Persönliche Identifikationsnummer. Also braucht es die Nummer dahinter nicht mehr. Auch wenn jemand nach der ISBN-Nummer eines Buches fragt, tut er des Guten zu viel. ISBN steht schon für International Standard Book Number oder Internationale Standardbuchnummer.
Auch Safari-Reise ist streng genommen ein Pleonasmus, weil das Wort Safari im Arabischen nichts anderes heißt als Reise.
Beim Düsenjet wird die Idee der Düse überstrapaziert, weil ein Jet schon ein Düsenflugzeug ist, und auch der Testversuch ist doppelt gemoppelt.
Schließlich haben wir doppelte Lottchen bei Wörtern mit Abkürzungen wie ABM-Maßnahme (ABM = Arbeitsbeschaffungsmaßnahme), HIV-Virus (HIV = englisch Human Immunodeficiency Virus) oder La-Ola-Welle (la ola = spanisch Welle).
Zurück zu unserem Eingangssatz. Hier würden auch die ersten Boten oder die Vorboten reichen. Aber immerhin verstehen wir, was gemeint ist: Der Frühling ist schon vorprogrammiert. Pardon, programmiert! Die Pleonasmen wuchern halt überall – wie die Frühblüher.
Nein, Sie haben sich nicht in die Gartenkolumne verirrt. Über die Krokuswiese wollen wir uns lediglich einem Phänomen nähern, dessen sich viele nicht bewusst sind: In unserer Sprache wimmelt es von Pleonasmen, also von unnötigen Dopplungen, die sich aus Unkenntnis oder Unachtsamkeit einschleichen und dann auf Dauer festsetzen.
Markante Beispiele wie neu renovieren (renovieren heißt schon erneuern), oder aufoktroyieren (oktroyieren heißt schon aufzwingen) haben wir bereits abgehandelt. Aber an weiteren Fällen ist kein Mangel. Auch unsere Leser versorgen uns fleißig mit Nachschub. Einige Kostproben:
Wer bei Geldgeschäften von seiner PIN-Nummer spricht, hat wohl noch nie darüber nachgedacht, was dieser Begriff eigentlich bedeutet: PIN ist die Abkürzung von Personal Identification Number oder Persönliche Identifikationsnummer. Also braucht es die Nummer dahinter nicht mehr. Auch wenn jemand nach der ISBN-Nummer eines Buches fragt, tut er des Guten zu viel. ISBN steht schon für International Standard Book Number oder Internationale Standardbuchnummer.
Auch Safari-Reise ist streng genommen ein Pleonasmus, weil das Wort Safari im Arabischen nichts anderes heißt als Reise.
Beim Düsenjet wird die Idee der Düse überstrapaziert, weil ein Jet schon ein Düsenflugzeug ist, und auch der Testversuch ist doppelt gemoppelt.
Schließlich haben wir doppelte Lottchen bei Wörtern mit Abkürzungen wie ABM-Maßnahme (ABM = Arbeitsbeschaffungsmaßnahme), HIV-Virus (HIV = englisch Human Immunodeficiency Virus) oder La-Ola-Welle (la ola = spanisch Welle).
Zurück zu unserem Eingangssatz. Hier würden auch die ersten Boten oder die Vorboten reichen. Aber immerhin verstehen wir, was gemeint ist: Der Frühling ist schon vorprogrammiert. Pardon, programmiert! Die Pleonasmen wuchern halt überall – wie die Frühblüher.
Freitag, 4. März 2011
Was hat Gaddafi mit Gipsern zu tun?
An Krisenherde sind wir ja gewöhnt in dieser Welt. Aber einem besonders schlimmen Höhepunkt strebt derzeit das Geschehen in Libyen zu. "Gaddafi kartätscht sein eigenes Volk zusammen", so lauten die Schlagzeilen, und allein schon das knallhart klingende Wort kartätschen bringt die ganze Perfidie dieses Wüterichs aus der Wüste auf den Punkt. Weil es auch schon Lesern aufgefallen ist, wollen wir es einmal näher anschauen.
Kartätsche heißt ein besonderes Geschoss, das um das Jahr 1450 wohl in Italien erfunden wurde. Es bestand aus einem Pappzylinder, der mit Steinen oder Bleikugeln gefüllt und auf den Feind abgefeuert wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der Name, denn dieses Wort Kartätsche geht auf italienische Begriffe wie cartaccia = grobes Papier, cartuccia = Papprolle oder cartoccio = Papiertüte zurück. Deren gemeinsame Wurzel ist – wie auch bei unseren Wörtern Karton und Karte – das italienische carta = Papier, das seinerseits auf Lateinisch charta und letztlich auf Griechisch chartes beruht. So nannten die alten Hellenen das Blatt der ägyptischen Papyrusstaude, die uns wiederum das Wort Papier gebracht hat. Etymologische Sondierungen sind eben oft Rundreisen durch die Kulturgeschichte.
Später wurden Kartätschen aus Blechzylindern statt Papphülsen gemacht, enthielten auch Eisensplitter, und Pulverzugaben verstärkten die Streuwirkung. Wenn man so will, ist diese Waffe also ein Vorfahr der mit Nägeln gefüllten Sprengbomben, deren sich heutige Terroristen bedienen, um größtmögliches Unheil anzurichten. Aber sie hatte schon früher einen sehr schlechten Ruf. Das musste auch der spätere Kaiser Wilhelm I. erfahren. Er plädierte 1848 während der Revolte in Berlin dafür, das Militär aus der Stadt abzuziehen und diese dann von außen mit Kartätschen sturmreif zu schießen. Deswegen wurde er spontan Kartätschenprinz genannt, was seine Sympathiewerte rapide sinken ließ und seinen älteren Bruder, König Friedrich Wilhelm IV., bewog, ihn schleunigst nach England zu schicken, bis sich der Volkszorn wieder etwas legte.
Eine Nebenform des Wortes Kartätsche ist die Kartusche. Dabei geht es ebenfalls um Geschosshülsen, aber auch bei Campinggas, Tintenpatronen, Toner-Behältern im Drucker oder Mischbatterien im Sanitärbereich spricht man von Kartuschen. In der Kunstgeschichte wiederum kennt man die Kartusche als Zierrahmen für Wappen, Inschriften oder Bildnisse, aber auch als die längliche Schleife rund um ägyptische Pharaonennamen in Hieroglyphenschrift. Wahrscheinlich haben Napoleons Soldaten diesen Begriff geprägt, weil sie bei dieser Form an ihre Patronenbeutel dachten, und die hießen cartouches.
Noch einmal zurück zur Kartätsche: An die Herkunft von cartaccia = grobes Papier erinnert eine völlig andere Bedeutung dieses Wortes: Kartätsche heißt auch die große Putzreibe, mit der Gipser die Wände glätten.
Bis sich in Libyen die Wogen glätten, wird es wohl leider noch eine Weile gehen.
Kartätsche heißt ein besonderes Geschoss, das um das Jahr 1450 wohl in Italien erfunden wurde. Es bestand aus einem Pappzylinder, der mit Steinen oder Bleikugeln gefüllt und auf den Feind abgefeuert wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der Name, denn dieses Wort Kartätsche geht auf italienische Begriffe wie cartaccia = grobes Papier, cartuccia = Papprolle oder cartoccio = Papiertüte zurück. Deren gemeinsame Wurzel ist – wie auch bei unseren Wörtern Karton und Karte – das italienische carta = Papier, das seinerseits auf Lateinisch charta und letztlich auf Griechisch chartes beruht. So nannten die alten Hellenen das Blatt der ägyptischen Papyrusstaude, die uns wiederum das Wort Papier gebracht hat. Etymologische Sondierungen sind eben oft Rundreisen durch die Kulturgeschichte.
Später wurden Kartätschen aus Blechzylindern statt Papphülsen gemacht, enthielten auch Eisensplitter, und Pulverzugaben verstärkten die Streuwirkung. Wenn man so will, ist diese Waffe also ein Vorfahr der mit Nägeln gefüllten Sprengbomben, deren sich heutige Terroristen bedienen, um größtmögliches Unheil anzurichten. Aber sie hatte schon früher einen sehr schlechten Ruf. Das musste auch der spätere Kaiser Wilhelm I. erfahren. Er plädierte 1848 während der Revolte in Berlin dafür, das Militär aus der Stadt abzuziehen und diese dann von außen mit Kartätschen sturmreif zu schießen. Deswegen wurde er spontan Kartätschenprinz genannt, was seine Sympathiewerte rapide sinken ließ und seinen älteren Bruder, König Friedrich Wilhelm IV., bewog, ihn schleunigst nach England zu schicken, bis sich der Volkszorn wieder etwas legte.
Eine Nebenform des Wortes Kartätsche ist die Kartusche. Dabei geht es ebenfalls um Geschosshülsen, aber auch bei Campinggas, Tintenpatronen, Toner-Behältern im Drucker oder Mischbatterien im Sanitärbereich spricht man von Kartuschen. In der Kunstgeschichte wiederum kennt man die Kartusche als Zierrahmen für Wappen, Inschriften oder Bildnisse, aber auch als die längliche Schleife rund um ägyptische Pharaonennamen in Hieroglyphenschrift. Wahrscheinlich haben Napoleons Soldaten diesen Begriff geprägt, weil sie bei dieser Form an ihre Patronenbeutel dachten, und die hießen cartouches.
Noch einmal zurück zur Kartätsche: An die Herkunft von cartaccia = grobes Papier erinnert eine völlig andere Bedeutung dieses Wortes: Kartätsche heißt auch die große Putzreibe, mit der Gipser die Wände glätten.
Bis sich in Libyen die Wogen glätten, wird es wohl leider noch eine Weile gehen.
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