Wenn eine Mandeltorte ein Gebäck ist, das Mandeln enthält, stecken dann in einer Herrentorte irgendwelche Männer drin, die man genüsslich verzehrt?
Ganz ernst gemeint war diese Frage in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Sprachreport" des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache natürlich nicht. Aber weil auch aus Leserkreisen immer wieder nach Sinn und Unsinn von nominalen Komposita oder – etwas schlichter ausgedrückt – zusammengesetzten Hauptwörtern gefragt wird, sei das Thema hier kurz angerissen.
Im Deutschen gibt es eine unüberschaubare Menge von Substantiven, die durch die Zusammensetzung von selbstständigen Wörtern entstanden sind. Der Großteil unter ihnen hat zwei Bestandteile: den Grundbegriff, der hinten steht, und das Bestimmungswort, das der näheren Erläuterung dient und davor steht: also Mandeltorte und Tortenschaufel. Manchmal ist sogar ein direkter Wechsel möglich: Honigbiene und Bienenhonig.
Dieses so genannte synthetische Prinzip ist sehr einfach und meist ökonomischer als das analytische in anderen Sprachen. Bleiben wir bei der Mandeltorte: Die heißt auf Französisch tarte aux amandes (übersetzt: Torte mit Mandeln), was allein drei Wörter umfasst, jedoch auch keine falschen Schlüsse zulässt. Für Herrentorte haben unsere Nachbarn auf der anderen Rheinseite keine direkte Entsprechung, aber es gibt die confiture de vieux garcon, wörtlich übersetzt: Konfitüre für Junggesellen, wie man den Rumtopf nennt. Hier wäre ein deutsches Wort wie Junggesellenkonfitüre möglich – mit demselben Problem wie bei unserem Eingangssatz, wenn man gleichzeitig an Himbeerkonfitüre denkt.
Noch kurz zum Rumtopf: Auch hier besticht die Kürze. Aber ein Rumtopf wird mit Rum gemacht, ein Tontopf ist aus Ton gemacht. Und beim Auspufftopf liegt der Fall wieder anders…
Was lernen wir daraus? Es kommt auf den Kontext an.
Also muss man das Hirn einschalten bei unserem deutschen System. Aber so schwer ist das ja nun auch wieder nicht. Ein Gänsebraten wird aus Gänsefleisch zubereitet, aber nicht der Gänsewein, wie man so nett sagt, wenn bei einer Einladung auch Wasser statt Wein gereicht wird.
Und beim vorweihnachtlichen Kinderbasteln im Vhs-Programm denkt wohl niemand ernsthaft an ihre Herstellung, auch wenn es in der knabenbringenden Weihnachtszeit – einem beliebten Verhörer aus Kindermund – ja naheläge.
Apropos Verhörer: Hat doch ein Mädchen aus dem Oberland das in excelcis deo aus dem Gloria gründlich missverstanden: In dem Gsälz isch Theo sang es mit Inbrunst. Und schon sind wir wieder bei der Konfitüre.
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