„Die Kundus-Affäre hat dem neuen Verteidigungsminister ganz schön den Start vermasselt“. So brachte es ein Journalist dieser Tage auf den Punkt.
Dabei wurde mal wieder der Blick frei auf das jiddische Erbe im Deutschen. Massel für Glück geht auf das jiddische Mazol = Glück, Glücksstern zurück. Bei vermasseln im Sinn von zunichtemachen klingt also an, dass etwas unglücklich läuft.
Und apropos Glück: Wenn wir uns bald an Neujahr einen guten Rutsch wünschen, dann steht das Jiddische ebenfalls Pate. Denn dieser Rutsch hat nichts mit rutschen zu tun. Rutsch ist eine volkstümliche Umdeutung, die wohl auf das jüdische Rosch ha-Schana zurückgeht – und das heißt Neujahrsfest.
An solchen Umdeutungen mit jiddischen Wurzeln ist ja kein Mangel. Ein berühmtes Beispiel: Wenn es zieht wie Hechtsuppe, so hat das nichts mit einem Fischgericht zu tun. Hech supha ist jiddisch und heißt wie der Sturmwind.
Ist etwas im Eimer, so geht das auf jiddisch emo = Furcht, Schrecken zurück, will sagen: etwas ist furchtbar daneben gegangen
Wenn jemand als betucht gilt, dann bedeutet das nicht, dass er in noblem Tuch daherkommt, sondern dass er betuach ist, vertrauenswürdig.
Ein Pleitegeier hat nichts mit einem Aasvogel zu tun. Pleite kommt vom jiddischen pleto = Flucht, womit wohl angedeutet wird, dass man sich einem Bankrott gern durch die Flucht entzieht, und jiddisch Gejer ist schlichtweg Geher.
"Der ist frech wie Oskar", hört man oft. Aber das hat überhaupt nichts mit irgendeinem unverschämten Bengel zu tun, der diesen Namen trug. Jiddisch ossok heißt schlichtweg frech.
Sehr schön ist auch die Saure-Gurken-Zeit, also die Zeit, in die Geschäfte nicht gut laufen. Hier wurden laut Jiddisch-Forschern die hebräischen Wörter sorot (Not) und jerakot (Teuerung) in deutsche Wörter umgemünzt.
Und da dies die letzte Sprachplauderei im alten Jahr ist, noch einmal zurück zu den guten Wünschen. Sagt man zu jemand Hals- und Beinbruch, so beruht auch dies auf einer Verballhornung: Jiddisch hazloche un broche heißt nichts anders als Glück und Segen.
In diesem Sinne: Glück und Segen für 2010!
Freitag, 11. Dezember 2009
Vom Tortenbacken und Kinderbasteln
Wenn eine Mandeltorte ein Gebäck ist, das Mandeln enthält, stecken dann in einer Herrentorte irgendwelche Männer drin, die man genüsslich verzehrt?
Ganz ernst gemeint war diese Frage in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Sprachreport" des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache natürlich nicht. Aber weil auch aus Leserkreisen immer wieder nach Sinn und Unsinn von nominalen Komposita oder – etwas schlichter ausgedrückt – zusammengesetzten Hauptwörtern gefragt wird, sei das Thema hier kurz angerissen.
Im Deutschen gibt es eine unüberschaubare Menge von Substantiven, die durch die Zusammensetzung von selbstständigen Wörtern entstanden sind. Der Großteil unter ihnen hat zwei Bestandteile: den Grundbegriff, der hinten steht, und das Bestimmungswort, das der näheren Erläuterung dient und davor steht: also Mandeltorte und Tortenschaufel. Manchmal ist sogar ein direkter Wechsel möglich: Honigbiene und Bienenhonig.
Dieses so genannte synthetische Prinzip ist sehr einfach und meist ökonomischer als das analytische in anderen Sprachen. Bleiben wir bei der Mandeltorte: Die heißt auf Französisch tarte aux amandes (übersetzt: Torte mit Mandeln), was allein drei Wörter umfasst, jedoch auch keine falschen Schlüsse zulässt. Für Herrentorte haben unsere Nachbarn auf der anderen Rheinseite keine direkte Entsprechung, aber es gibt die confiture de vieux garcon, wörtlich übersetzt: Konfitüre für Junggesellen, wie man den Rumtopf nennt. Hier wäre ein deutsches Wort wie Junggesellenkonfitüre möglich – mit demselben Problem wie bei unserem Eingangssatz, wenn man gleichzeitig an Himbeerkonfitüre denkt.
Noch kurz zum Rumtopf: Auch hier besticht die Kürze. Aber ein Rumtopf wird mit Rum gemacht, ein Tontopf ist aus Ton gemacht. Und beim Auspufftopf liegt der Fall wieder anders…
Was lernen wir daraus? Es kommt auf den Kontext an.
Also muss man das Hirn einschalten bei unserem deutschen System. Aber so schwer ist das ja nun auch wieder nicht. Ein Gänsebraten wird aus Gänsefleisch zubereitet, aber nicht der Gänsewein, wie man so nett sagt, wenn bei einer Einladung auch Wasser statt Wein gereicht wird.
Und beim vorweihnachtlichen Kinderbasteln im Vhs-Programm denkt wohl niemand ernsthaft an ihre Herstellung, auch wenn es in der knabenbringenden Weihnachtszeit – einem beliebten Verhörer aus Kindermund – ja naheläge.
Apropos Verhörer: Hat doch ein Mädchen aus dem Oberland das in excelcis deo aus dem Gloria gründlich missverstanden: In dem Gsälz isch Theo sang es mit Inbrunst. Und schon sind wir wieder bei der Konfitüre.
Ganz ernst gemeint war diese Frage in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Sprachreport" des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache natürlich nicht. Aber weil auch aus Leserkreisen immer wieder nach Sinn und Unsinn von nominalen Komposita oder – etwas schlichter ausgedrückt – zusammengesetzten Hauptwörtern gefragt wird, sei das Thema hier kurz angerissen.
Im Deutschen gibt es eine unüberschaubare Menge von Substantiven, die durch die Zusammensetzung von selbstständigen Wörtern entstanden sind. Der Großteil unter ihnen hat zwei Bestandteile: den Grundbegriff, der hinten steht, und das Bestimmungswort, das der näheren Erläuterung dient und davor steht: also Mandeltorte und Tortenschaufel. Manchmal ist sogar ein direkter Wechsel möglich: Honigbiene und Bienenhonig.
Dieses so genannte synthetische Prinzip ist sehr einfach und meist ökonomischer als das analytische in anderen Sprachen. Bleiben wir bei der Mandeltorte: Die heißt auf Französisch tarte aux amandes (übersetzt: Torte mit Mandeln), was allein drei Wörter umfasst, jedoch auch keine falschen Schlüsse zulässt. Für Herrentorte haben unsere Nachbarn auf der anderen Rheinseite keine direkte Entsprechung, aber es gibt die confiture de vieux garcon, wörtlich übersetzt: Konfitüre für Junggesellen, wie man den Rumtopf nennt. Hier wäre ein deutsches Wort wie Junggesellenkonfitüre möglich – mit demselben Problem wie bei unserem Eingangssatz, wenn man gleichzeitig an Himbeerkonfitüre denkt.
Noch kurz zum Rumtopf: Auch hier besticht die Kürze. Aber ein Rumtopf wird mit Rum gemacht, ein Tontopf ist aus Ton gemacht. Und beim Auspufftopf liegt der Fall wieder anders…
Was lernen wir daraus? Es kommt auf den Kontext an.
Also muss man das Hirn einschalten bei unserem deutschen System. Aber so schwer ist das ja nun auch wieder nicht. Ein Gänsebraten wird aus Gänsefleisch zubereitet, aber nicht der Gänsewein, wie man so nett sagt, wenn bei einer Einladung auch Wasser statt Wein gereicht wird.
Und beim vorweihnachtlichen Kinderbasteln im Vhs-Programm denkt wohl niemand ernsthaft an ihre Herstellung, auch wenn es in der knabenbringenden Weihnachtszeit – einem beliebten Verhörer aus Kindermund – ja naheläge.
Apropos Verhörer: Hat doch ein Mädchen aus dem Oberland das in excelcis deo aus dem Gloria gründlich missverstanden: In dem Gsälz isch Theo sang es mit Inbrunst. Und schon sind wir wieder bei der Konfitüre.
Freitag, 4. Dezember 2009
Die Grippe hat uns im Griff
Ist die Schweinegrippe nun im Abklingen, oder bilden wir uns das nur ein, weil die Ärzte kaum mehr Abstriche machen? Wie auch immer, über 100.000 hat die Grippe bundesweit schon im Griff gehabt. So schlimm das für die Beteiligten ist, so sehr freut sich der Sprachkundler über einen solchen Satz. Weist er doch auf ein sprachgeschichtliches Phänomen hin.
Viele Fremdwörter aus dem Französischen sind – was man ihnen meistens nicht mehr ansieht – sogenannte Rückwanderer. Das heißt, sie stammen ursprünglich aus dem germanischen Sprachraum, wurden von unseren Nachbarn übernommen und dann wiederum von den Deutschen entlehnt.
Nur ein paar Beispiele: Balkon (von einem frühen germanischen Wort für Balken), Bankett (Bank), Ballon (Ball), Biwak (Beiwacht), Flakon (Flasche), Galopp (laufen)…
Und auch Grippe gehört zu dieser Familie. Das Wort kam in der Bedeutung Laune im 18. Jahrhundert aus Frankreich und wurde auf die Krankheit übertragen, weil sie den Menschen wie eine Laune ganz plötzlich ergreift.
Ergreift ist dabei das Schlüsselwort: Denn das französische Verb gripper geht auf eine germanische Wurzel zurück, die auch in unserem Wort greifen steckt. Die Grippe greift also zu, und dann geht es uns schlicht und ergreifend schlecht. Dieses Gnadenlos-Zupackende von Erkältungskrankheiten hat schon Christian Morgenstern vor über 100 Jahren erkannt:
Viele Fremdwörter aus dem Französischen sind – was man ihnen meistens nicht mehr ansieht – sogenannte Rückwanderer. Das heißt, sie stammen ursprünglich aus dem germanischen Sprachraum, wurden von unseren Nachbarn übernommen und dann wiederum von den Deutschen entlehnt.
Nur ein paar Beispiele: Balkon (von einem frühen germanischen Wort für Balken), Bankett (Bank), Ballon (Ball), Biwak (Beiwacht), Flakon (Flasche), Galopp (laufen)…
Und auch Grippe gehört zu dieser Familie. Das Wort kam in der Bedeutung Laune im 18. Jahrhundert aus Frankreich und wurde auf die Krankheit übertragen, weil sie den Menschen wie eine Laune ganz plötzlich ergreift.
Ergreift ist dabei das Schlüsselwort: Denn das französische Verb gripper geht auf eine germanische Wurzel zurück, die auch in unserem Wort greifen steckt. Die Grippe greift also zu, und dann geht es uns schlicht und ergreifend schlecht. Dieses Gnadenlos-Zupackende von Erkältungskrankheiten hat schon Christian Morgenstern vor über 100 Jahren erkannt:
Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse,Was hätte dieser Großmeister des Skurrilen aus der Schweinegrippe für ein Gedicht gemacht!
auf dass er sich ein Opfer fasse,
und stürzt alsbald mit großem Grimm
auf einen Menschen namens Schrimm.
Paul Schrimm erwidert prompt: "Pitschü!"
und hat ihn drauf bis Montag früh.
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