Die Liste von Silvio Berlusconis Geschmacklosigkeiten ist lang. Dass er sich jetzt in seiner selbstverschuldeten Ohnmacht mit dem Duce verglichen hat, verwundert dann auch nicht mehr. Und dass es just am 9. November passierte, also an dem Tag, da man bei uns der Reichspogromnacht gedachte, bei der 1938 die Synagogen brannten, hat – zumindest aus deutscher Sicht – noch einen besonderen Beigeschmack. Immerhin signalisiert dieses Datum bis heute, zu was faschistische Führer in ihrem antisemitischen Wahn im Stande waren.
Was uns zu einer kurzen Betrachtung führt, wie diese Begriffe Duce und Führer zusammenhängen.
Ganz einfach: duce ist die moderne italienische Form von lateinisch dux, und das hieß bei den alten Römern nichts anderes als Führer – im engeren Sinn Heerführer, also militärischer Oberbefehlshaber.
Dux lebt zudem fort im französischen Duc sowie im englischen Duke, woraus in beiden Fällen hohe Adelstitel wurden – in diesem Fall auf Deutsch zu übersetzen mit Herzog, was ja ebenfalls aus dem militärischen Umfeld stammt: Althochdeutsch herizog, war derjenige, der vor dem Heer einherzog.
Außerdem geht die aus regionalen Dialekten entstandene Form doge für das Oberhaupt von italienischen Stadtrepubliken wie Venedig oder Genua auf dieses Wort dux zurück.
Benito Mussolini nannte sich schon in den frühen 1920ern Duce del fascismo, also Führer der Faschisten, und Adolf Hitlers Selbststilisierung zum Führer geht auf dieses Vorbild zurück. In Italien verschwand das Wort Duce nach 1945. Dagegen wurde bei uns – genauer in Westdeutschland – der alleinige Begriff Führer im politischen Umfeld zwar vermieden, in Zusammensetzungen wie Oppositionsführer, Zugführer oder Reiseführer blieb er jedoch erhalten.
In der DDR ging man entschieden rigoroser vor: Dort wurde zum Beispiel – was Nachgeborene schon gar nicht mehr glauben wollen – das Wort Stadtführer getilgt und durch Stadtbilderklärer ersetzt. Absurder war eigentlich nur noch die panische Angst der SED-Ideologen vor religiösen Assoziationen, die aus dem Engel eine Geflügelte Jahresendzeitfigur machte…
Aber noch einmal zurück zu dux: Auf alten Darstellungen des heiligen Benedikt von Nursia, auf Benedikt-Amuletten sowie auf Grabsteinen in Benediktinerklöstern taucht oft ein Kreuz mit den Buchstabenfolgen CSSML und NDSMD auf. Diese Abkürzungen stehen für Crux Sancta Sit Mihi Lux – Non Draco Sit Mihi Dux. Auf Deutsch: Das heilige Kreuz sei mir Licht, nicht der Drache sei mein Führer.
Schon in diesem Leitspruch des großen Ordensgründers aus dem 6. Jahrhundert klang das Dämonische an, das Führern anhaften kann. Aber was schert das einen Berlusconi.
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