Gestern Nachmittag in der Redaktion: Ein Kollege lädt per E-Mail zum Ausstand. Unter anderem soll es Butterbretzeln geben. "Sieht dem ähnlich"“, sagen sich die gestandenen Oberschwaben, "er kommt halt aus dem hohen Norden. Bei uns heißt das Brezeln."
Und schon sind wir mitten in der Diskussion, wie man das gute Stück nun wirklich schreibt.
Gehen wir ganz korrekt vor und schauen in den neuesten Duden: Dort ist Brezel die normale Schreibung, Bretzel wird als Schweizer Variante angeführt. Das Wörterbuch von Wahrig kennt nur die Brezel.
Nimmt man allerdings die "Etymologie des Schwäbischen" von Hermann Wax zur Hand, so ist bei Brezel Fehlanzeige. Dafür führt das Werk an, was sich der Schwabe im Lauf der Zeit alles ausgedacht hat für sein Lieblingsgebäck: Bretzel, Bretz und Bretzg.
Aber war Eduard Mörike kein Schwabe? In seinem "Haushaltsbüchlein" notiert der schwäbische Dichter-Pfarrer um 1850 den Kauf von Fastenbretzen. Was uns direkt ins Bayerische führt, wo man meist Bretzen, aber auch Brezen schreibt. Und wie hält man es nun im deutschen Norden? In älteren Ausgaben von Wilhelm Buschs „Max und Moritz“ steht: „Aber schon mit viel Vergnügen / sehen sie die Bretzeln liegen“, in neueren ist das t gestrichen.
Kultgebäck aus der Antike
Also eher ein Streit um Kaisers Brezel! Viel interessanter ist der kulturhistorische Hintergrund des typischen Kringels. Nach dem neuesten Forschungsstand taucht die Brezel schon in der Antike als kultisches Gebäck auf, das dann in den Klöstern des Mittelalters zum Abendmahlsgebäck wurde. Frühere Theorien, dass es sich ursprünglich um ein germanisches Sonnenrad-Symbol handelte, gelten heute als überholt.
Was die Herleitung des Namens angeht, so ist das althochdeutsche brezzitella auf eine Verkleinerungsform von lateinisch bracchium (= Arm) zurückzuführen. Benannt wurde das Gebilde also nach den Armen in Bethaltung, als die man die geschlungenen Teigstränge deuten kann. Jedenfalls trat die Brezel – heute Symbol der Bäckerzunft schlechthin – schon bald nach dem Mittelalter ihren weltweiten Siegeszug an. Bis nach Amerika. Schon im 17. Jahrhundert verkauften deutsche Bäckersleute Brezeln an die Indianer, und dass George W. Bush nach den Genuss von pretzels – so die US-Schreibung! – fast sein Leben ausgehaucht hätte, ist uns ja noch in schlimmer Erinnerung.
Nahrung fürs Gehirn
Zurück nach Schwaben. Hier sind die braunen Dinger – mit oder ohne Butter, mit oder ohne Trollinger – aus dem öffentlichen Leben überhaupt nicht wegzudenken. Und wenn man Manfred Rommels Versen glaubt, so hat das auch einen triftigen Grund: "Der Schwaben Klugheit? Dieses Rätsel, die Lösung heißt: Die Laugenbrezel. Schon trocken gibt dem Hirn sie Kraft, mit Butter wirkt sie fabelhaft, erleuchtet mit der Weisheit Fackel noch das Gehirn vom größten Dackel."
Das bringt uns nun ins Grübeln, wie Zeitgenossen, die nicht die Gnade der schwäbischen Geburt hatten, jemals in den Stand der hiesigen Klugheit kommen können ...
Aber wie auch immer, ein oberschwäbischer Kollege brachte es gestern auf den Punkt: Ob tz oder z, das sei letztlich doch egal. "Hauptsache, die Brezel ist nicht lommelig!" Was so viel heißt wie weich, schlaff, kraftlos.
Und woher kommt lommelig? In diese diffizile Materie steigen wir jetzt nicht mehr ein, sonst sind die besagten Butterbretzeln beim Ausstand gevespert, ehe wir hinkommen.
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