Kaum ein Tag, da nicht Geschichten über Störche in der Zeitung stehen. Dabei werden weltbewegende Fragen gestellt: Baut das Storchenpaar sein Nest auf dem Kirchendach fertig? Stammt der Storchenmann wirklich vom Bodensee und nicht doch vom Bosporus? Wird der Mai zu kalt sein für eine erfolgreiche Aufzucht? Gegenfrage: Warum machen wir kein solches Theater, wenn Krähen aufopferungsvoll ihrer Brutpflege nachgehen?
Pardon, war nicht ernst gemeint. Der Storch hat nun mal ein viel besseres Image. Lange Zeit eine Rarität, stolziert der schwarz-weiße Riesenvogel jetzt wieder majestätisch über unsere Wiesen. Und dazu kommt dann noch die alte, nette Mär, er bringe die Kinder. Über deren Ursprung wird schon immer gerätselt. Vielleicht hat sie damit zu tun, dass der Storch auf der Suche nach Fröschen durchs Wasser watet, in dem sich - nach einer anderen Legende - auch die Seelen der Ungeborenen tummeln. Da muss Meister Adebar nur noch zupacken - und schon hat er ein kleines Menschlein in seinem Schnabel.
Wie auch immer: Der Storch ist bei uns positiv belegt. Das hat zu einer sonderbaren Redensart geführt: Da brat mir einer einen Storch! Will sagen: Das ist ja unerhört, unglaublich, unvorstellbar! So unvorstellbar eben, wie es das Essen eines Storchs wäre. Zwar sollen die alten Römer den Storch als Delikatesse geschätzt haben, aber in unseren Breiten ist sein Genuss seit Jahrhunderten tabu.
Wenn der Mensch in Bildern spricht, greift er mit Vorliebe zu Beispielen aus der Tierwelt - sei es zur Beschreibung seiner Wahrnehmungen oder seiner eigenen Verhaltensweisen. Ellenlang ist die Liste der Tiermetaphern - von Adlerauge bis Zebrastreifen. Aber weil gerade vom Störchebraten die Rede war, wollen wir hier bei Beispielen aus der kulinarischen Welt bleiben: Schlangenfraß, Bärenhunger, Gänsewein, Katzenzunge, Ochsenauge, Bocksbeutel…
Und dazu noch drei Redensarten: Wie die Katze um den heißen Brei drückt sich jemand um eine klare Aussage herum. Liegt irgendwo der Hase im Pfeffer, so steht Pfeffer für eine dunkle, würzige Soße, und angespielt wird dabei auf den verborgenen Grund einer Sache - so ähnlich wie die Hasenteile im Ragout nur noch schwer auszumachen sind. Schließlich wird manchmal der Hund in der Pfanne verrückt. Dieser Ausdruck für grenzenloses Erstaunen spielt auf einen Till-Eulenspiegel-Schwank an. Da fasst der Schalk während seiner Lehre in einer Brauerei die Aufforderung des Meisters, Hopfen zu sieden, bewusst falsch auf, wirft dessen Hund namens Hopf in die Siedepfanne - und der haucht dann zuckend sein Leben aus.
Wie hat es da der Storch doch gut! Der stakst allenfalls durch den Salat.
Freitag, 17. April 2015
"Hergoles, da sott mr jo scho widdr vertikuliere!" So entfährt es derzeit manchem schwäbischen Gartenbesitzer, wenn er seinen Rasen inspiziert. Bemerkenswert ist dieser Satz aus zweierlei Gründen:
An vertikulieren lässt sich ablesen, dass manche Wörter im Sprachgebrauch landen, obwohl sie nachweislich falsch sind. Vertikulieren steht zwar noch nicht im Rechtschreibduden, wird aber heute im großen Fremdwörterduden als Nebenform von vertikutieren aufgeführt. Richtiger wird es dadurch nicht. Der Ursprung des Begriffs für das Anritzen der Grasnarbe zwecks Entfernung von Moos zur Belüftung des Rasens - so die genaue Definition - hat mit Kuli nichts zu tun, sondern liegt im Englischen. In den USA wurde der Vertikutierer, also jenes typische Gerät mit einer Messerwalze, 1955 erfunden. In dem Wort steckt vertical für senkrecht, und to cut ist bekanntlich schneiden.
Zu dieser Familie gehört auch der Cutter: Das kann der Schnittmeister beim Film sein oder eine Maschine zum Zerkleinern von Fleisch für die Wurstherstellung.
Und der Cutaway oder kurz Cut ist jener noble Gehrock, den man in höheren Kreisen gerne bei Hochzeiten, Empfängen oder anderen Festivitäten trägt - aber um Gottes Willen nicht nach 18 Uhr.
Apropos um Gottes Willen: Wenn der Schwabe sein Hergoles vor sich hin bruddelt, dann klingt das zwar nach Herkules. Aber gemeint ist eigentlich Herrgott.
Womit wir bei den verhüllenden Entstellungen gelandet sind. So nannten schon die Brüder Grimm Euphemismen, also beschönigende und verschleiernde Formulierungen, die oft auf alte religiöse Tabus zurückgehen. Lauthals Herrgottsakrament zu fluchen, galt für gläubige Menschen schon immer als Gotteslästerung. So bürgerten sich harmlose Formen wie Himmelsackzement oder Sackzementschlemprament ein, bei denen man zwar Luft ablassen kann, aber die Sphäre des Glaubens nicht blasphemisch verletzt.
Sapperlot gehört hierher, das auf ein französisches sacrelotte zurückgeht, einen Euphemismus mit der Wurzel sacré nom de dieu (geheiligter Name Gottes). Sakradi stammt aus der gleichen Ecke. Und wenn ein deftiges Heidesack ertönt, so steckt Heilandsakrament dahinter.
Das Repertoire an Kraftsprüchen ist beträchtlich. Man kann auch vertikulieren, pardon, vertikutieren ohne zu fluchen - nur nicht zu früh, sondern erst nach dem ersten Rasenschnitt. Behauptet die Ehefrau. Und die muss es wissen, heidenei.
An vertikulieren lässt sich ablesen, dass manche Wörter im Sprachgebrauch landen, obwohl sie nachweislich falsch sind. Vertikulieren steht zwar noch nicht im Rechtschreibduden, wird aber heute im großen Fremdwörterduden als Nebenform von vertikutieren aufgeführt. Richtiger wird es dadurch nicht. Der Ursprung des Begriffs für das Anritzen der Grasnarbe zwecks Entfernung von Moos zur Belüftung des Rasens - so die genaue Definition - hat mit Kuli nichts zu tun, sondern liegt im Englischen. In den USA wurde der Vertikutierer, also jenes typische Gerät mit einer Messerwalze, 1955 erfunden. In dem Wort steckt vertical für senkrecht, und to cut ist bekanntlich schneiden.
Zu dieser Familie gehört auch der Cutter: Das kann der Schnittmeister beim Film sein oder eine Maschine zum Zerkleinern von Fleisch für die Wurstherstellung.
Und der Cutaway oder kurz Cut ist jener noble Gehrock, den man in höheren Kreisen gerne bei Hochzeiten, Empfängen oder anderen Festivitäten trägt - aber um Gottes Willen nicht nach 18 Uhr.
Apropos um Gottes Willen: Wenn der Schwabe sein Hergoles vor sich hin bruddelt, dann klingt das zwar nach Herkules. Aber gemeint ist eigentlich Herrgott.
Womit wir bei den verhüllenden Entstellungen gelandet sind. So nannten schon die Brüder Grimm Euphemismen, also beschönigende und verschleiernde Formulierungen, die oft auf alte religiöse Tabus zurückgehen. Lauthals Herrgottsakrament zu fluchen, galt für gläubige Menschen schon immer als Gotteslästerung. So bürgerten sich harmlose Formen wie Himmelsackzement oder Sackzementschlemprament ein, bei denen man zwar Luft ablassen kann, aber die Sphäre des Glaubens nicht blasphemisch verletzt.
Sapperlot gehört hierher, das auf ein französisches sacrelotte zurückgeht, einen Euphemismus mit der Wurzel sacré nom de dieu (geheiligter Name Gottes). Sakradi stammt aus der gleichen Ecke. Und wenn ein deftiges Heidesack ertönt, so steckt Heilandsakrament dahinter.
Das Repertoire an Kraftsprüchen ist beträchtlich. Man kann auch vertikulieren, pardon, vertikutieren ohne zu fluchen - nur nicht zu früh, sondern erst nach dem ersten Rasenschnitt. Behauptet die Ehefrau. Und die muss es wissen, heidenei.
Freitag, 10. April 2015
Haben Sie sich auch schon mal gewundert, dass irgendjemand König heißt, dessen Vorfahren nicht gerade aus der Oberschicht stammen? Oder dass jemand auf den Namen Papst hört, dessen Familie seit Jahrhunderten evangelisch ist? Weil aus Leserkreisen nach dieser Kluft zwischen Schein und Sein gefragt wird, wollen wir hier einmal näher hinschauen.
Die Abhandlungen über unsere Familiennamen füllen dicke Bände - kein Wunder bei diesem anregenden, aber auch sehr komplexen Stoff. In unserem Fall ist die Sache allerdings ziemlich klar. Solche vornehm klingenden, aber durch nichts gedeckten Namen wie König oder Herzog, Papst oder Abt gehen meist auf frühe Übernamen zurück. Gab sich jemand besonders fromm, so wurde er vielleicht von anderen als Bischof veräppelt. War jemand Taglöhner in fürstlichen Diensten, so wurde er womöglich spöttisch Fürst gerufen. Fiel jemand immer durch sein vornehmes Gehabe auf, so hängte man ihm eventuell den Spitznamen Graf an. Solche Übernamen bürgerten sich ein, fanden Eingang in offizielle Verzeichnisse und wurden von den Nachfahren als Familiennamen letztlich auch akzeptiert - und wenn es nur war, um sich von sehr häufigen Namen wie Müller oder Meier, Schneider oder Schmied abzusetzen. "" vollständig lesen »
Die Abhandlungen über unsere Familiennamen füllen dicke Bände - kein Wunder bei diesem anregenden, aber auch sehr komplexen Stoff. In unserem Fall ist die Sache allerdings ziemlich klar. Solche vornehm klingenden, aber durch nichts gedeckten Namen wie König oder Herzog, Papst oder Abt gehen meist auf frühe Übernamen zurück. Gab sich jemand besonders fromm, so wurde er vielleicht von anderen als Bischof veräppelt. War jemand Taglöhner in fürstlichen Diensten, so wurde er womöglich spöttisch Fürst gerufen. Fiel jemand immer durch sein vornehmes Gehabe auf, so hängte man ihm eventuell den Spitznamen Graf an. Solche Übernamen bürgerten sich ein, fanden Eingang in offizielle Verzeichnisse und wurden von den Nachfahren als Familiennamen letztlich auch akzeptiert - und wenn es nur war, um sich von sehr häufigen Namen wie Müller oder Meier, Schneider oder Schmied abzusetzen. "" vollständig lesen »
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