In unseren vorweihnachtlichen Plaudereien wurden schon mehrfach bedeutungsschwere Themen aufgegriffen - vom hehren Liedgut der Adventszeit bis zum Ursprung des Namens Jesus. Heute soll es um Profaneres gehen.
Ein Rezept für vegane Spekulatius in einer Illustrierten hat die Neugier geweckt. Aber weniger wegen der Machart dieses Weihnachtsgebäcks für Veganer, also ohne tierische Produkte wie Butter, Sahne und Eigelb - da kann man allzu schnell mitten in einem kulinarischen Glaubenskrieg landen, und das wollen wir mit Blick auf den Weihnachtsfrieden nun wirklich nicht.
Es ist vielmehr der Name Spekulatius, der stutzig macht. Warum heißen diese flachen, stapelbaren Mürbteigplätzchen in ihren typischen Formen vom Nikolaus bis zum Engel und vom Elefanten bis zum Segelschiff eigentlich Spekulatius? Was ist an diesem Naschwerk spekulativ?
Um gleich mit der Tür ins Pfefferkuchenhaus zu fallen: Der Ursprung des Wortes lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit verorten. Angeblich geht es auf ein niederländisches spekulatie zurück, und das könnte etwas mit Spiegel zu tun haben und dessen lateinischer Wurzel speculum. Auf manchen Modeln für das Gebäck sind die Motive in der Tat spiegelbildlich angeordnet. Damit wäre der Spekulatius Teil einer Wortfamilie rund um die lateinischen Verben specere = sehen, spectare = anschauen und speculari = spähen, beobachten, nachsinnen, zu der außer Spiegel auch so unterschiedliche Begriffe wie Spektrum, Spektakel, spezial, Aspekt, Prospekt oder respektabel gehören - und nicht zuletzt auch spekulieren im Sinn von auf etwas rechnen, zum Beispiel auf den Gewinn bei Aktiengeschäften. Daher kommt letztlich auch die Anrufung "O heiliger Spekulatius, hilf!" Ob einem ein fiktiver Heiliger bei Geldnöten aus der Patsche helfen kann, steht allerdings auf einem anderen Blatt …
Wie auch immer: Ein Genuss ist vor allem der Gewürzspekulatius mit seinem feinen Flair von Nelke, Zimt und Kardamom.
Apropos Kardamom: Da kennt man die genaue Bedeutung des Namens gleich gar nicht. Aber interessant ist dieses orientalische Ingwergewächs für uns auch aus einem anderen Grund: Sehr viele Zeitgenossen meinen irrigerweise, es hieße Kardamon. Beim Googeln finden sich fast so viele falsche Einträge wie richtige. Das ist übrigens bei Capuccino statt korrekt Cappuccino, Brandwein statt Branntwein, Tartar statt Tatar und Pepperoni statt Peperoni kaum anders.
Aber lassen wir hier ausnahmsweise vorweihnachtliche Milde walten. Hauptsache ist zunächst mal, dass es schmeckt!
Freitag, 12. Dezember 2014
"Die Jungen sind mir auf den Versen". So stand es dieser Tage in unserem Blatt, und dabei handelt es sich nachweislich um eine Wiederholungstat - um nicht zu sagen um eine Wiederholungsdichtung. Denn wie Sondierungen belegen, haben in den letzten Jahren einige SZ-Schreiber Fersen mit Versen verwechselt - also die Poetik bemüht, wo doch die Anatomie gefragt war.
Nun sind solche Fehler Legion. Da wird etwas zur Gradwanderung, was eine Gratwanderung sein soll. Da nimmt jemand eine Geißel in der Bank statt einer Geisel. Da findet einer einen Wehmutstropfen statt eines Wermutstropfens. Und da hebt - gerade jetzt wieder passiert - eine Partei einen Politiker auf das Schild (Plural: die Schilder), wo doch der Schild (Plural: die Schilde) gemeint ist…
Aber der Fairness halber sei es gesagt: Zwar gibt es solche Schnitzer in den Print-Medien. Wachsende Rechtschreibschwäche ist allerdings längst ein gesamtgesellschaftliches Problem, und Zeitungsartikel sind da noch blitzsaubere Zonen verglichen mit dem unsäglichen Wortmüll in vielen Mails, SMS und Internet-Foren.
In unserem Fall Fersen/Versen sorgt das Internet sogar gezielt für Verwirrung. So gibt es bei Spiegel Online eine Rubrik namens Achilles' Verse, in der ein Journalist unter dem Pseudonym Achim Achilles Fitness-Tipps gibt und dafür das Wortspielchen mit der Achillesferse bemüht.
Wobei dieser Begriff durchaus einen kurzen Ausflug ins klassische Altertum verdient: "Das ist seine Achillesferse", sagt man, wenn es um die Schwachstelle eines Menschen geht. Hintergrund ist eine Sage aus dem Umfeld der Ilias. Danach kam Achilleus oder Achilles, einer der griechischen Helden des Trojanischen Krieges, als Sohn der Meeresgöttin Thetis und des Myrmidonen-Königs Peleus auf die Welt. Obwohl also Halbgott, war er dennoch sterblich. Um ihn wenigstens unverwundbar zu machen, tauchte Thetis den kleinen Jungen in den Fluss Styx am Rande der Unterwelt. Die Stelle an der rechten Ferse, wo sie ihn festhielt, blieb allerdings unbenetzt, und just dort traf ihn schließlich der tödliche Pfeil des Trojaners Paris.
Um aber die Sache mit den Versen und Fersen noch etwas komplizierter zu machen, wollen wir die Färsen nicht vergessen. Färse nennt man - Vorsicht, Fachausdruck! - ein noch unbesamtes junges weibliches Rind. Solchen Färsen sind dann die Farren auf den Fersen, und dann werden aus den Kalbinnen Kühe.
Sprachplaudereien leben auch vom Gedankenaustausch. So kam beim abendlichen Umtrunk nach der Chorprobe das Gespräch auf dieses Thema Versen/Fersen/Färsen, und schon fühlte sich Sangesfreund Werner bemüßigt, den Pegasus zu satteln. Hier sein Poem:
Nun sind solche Fehler Legion. Da wird etwas zur Gradwanderung, was eine Gratwanderung sein soll. Da nimmt jemand eine Geißel in der Bank statt einer Geisel. Da findet einer einen Wehmutstropfen statt eines Wermutstropfens. Und da hebt - gerade jetzt wieder passiert - eine Partei einen Politiker auf das Schild (Plural: die Schilder), wo doch der Schild (Plural: die Schilde) gemeint ist…
Aber der Fairness halber sei es gesagt: Zwar gibt es solche Schnitzer in den Print-Medien. Wachsende Rechtschreibschwäche ist allerdings längst ein gesamtgesellschaftliches Problem, und Zeitungsartikel sind da noch blitzsaubere Zonen verglichen mit dem unsäglichen Wortmüll in vielen Mails, SMS und Internet-Foren.
In unserem Fall Fersen/Versen sorgt das Internet sogar gezielt für Verwirrung. So gibt es bei Spiegel Online eine Rubrik namens Achilles' Verse, in der ein Journalist unter dem Pseudonym Achim Achilles Fitness-Tipps gibt und dafür das Wortspielchen mit der Achillesferse bemüht.
Wobei dieser Begriff durchaus einen kurzen Ausflug ins klassische Altertum verdient: "Das ist seine Achillesferse", sagt man, wenn es um die Schwachstelle eines Menschen geht. Hintergrund ist eine Sage aus dem Umfeld der Ilias. Danach kam Achilleus oder Achilles, einer der griechischen Helden des Trojanischen Krieges, als Sohn der Meeresgöttin Thetis und des Myrmidonen-Königs Peleus auf die Welt. Obwohl also Halbgott, war er dennoch sterblich. Um ihn wenigstens unverwundbar zu machen, tauchte Thetis den kleinen Jungen in den Fluss Styx am Rande der Unterwelt. Die Stelle an der rechten Ferse, wo sie ihn festhielt, blieb allerdings unbenetzt, und just dort traf ihn schließlich der tödliche Pfeil des Trojaners Paris.
Um aber die Sache mit den Versen und Fersen noch etwas komplizierter zu machen, wollen wir die Färsen nicht vergessen. Färse nennt man - Vorsicht, Fachausdruck! - ein noch unbesamtes junges weibliches Rind. Solchen Färsen sind dann die Farren auf den Fersen, und dann werden aus den Kalbinnen Kühe.
Sprachplaudereien leben auch vom Gedankenaustausch. So kam beim abendlichen Umtrunk nach der Chorprobe das Gespräch auf dieses Thema Versen/Fersen/Färsen, und schon fühlte sich Sangesfreund Werner bemüßigt, den Pegasus zu satteln. Hier sein Poem:
"Manch Metzger zahlt für Färsen Geld,So sorgt Rechtschreibschwäche wenigstens für kreative Schübe.
die geben darauf Fersengeld.
Und der hier diesen Reim erstellt,
will jetzt für seine Verse Geld!"
Freitag, 5. Dezember 2014
In vorweihnachtlicher Hoffnung, dass Niko keine Läuse hat, grüßt H. S. aus Ehingen." So endet eine nette Mail, die jetzt im PC landete. Aus gegebenem Anlass - morgen ist Nikolaus-Tag - wollen wir dieser Sache sofort nachgehen. Der Schreiber stößt sich an dem Plural Nikoläuse, der derzeit vor allem in jenen Kreisen beliebt zu sein scheint, die - lobenswerterweise (Anm. d. Verf.) - den Weihnachtsmann satthaben. Vor allem fragt er sich, ob man von Vornamen überhaupt einen Plural bilden kann.
Man kann! Allerdings existieren meist verschiedene Formen nebeneinander, und das macht das Ganze nicht einfacher: Man kann den Plural bilden wie bei normalen Substantiven, was eher der gehobenen Sprache entspricht. Oder man gebraucht den s-Plural, was dann eher als umgangssprachlich gilt. Schauen wir ein paar Beispiele an: In einem Satz wie "Unter den Herrschern des Mittelalters gibt es viel Heinriche und Friedriche" wird wohl weiterhin die bildungssprachliche Form eingesetzt. Bei einem Satz wie "Die Zahl der Alexanders und der Peters im Kindergarten nimmt stetig zu" greift man eher zu den s-Formen, könnte allerdings auch "die Zahl der Alexander und Peter" sagen. Ähnlich ist es bei weiblichen Vornamen: Früher sprach jemand von den drei Adelheiden in einer Familie, heute würde er eher von drei Adelheids sprechen, wobei jedoch auch die Form drei Adelheid durchginge.
Aber damit nicht genug der Spitzfindigkeiten: Enden Vornamen auf einem Vokal, so ist heute der s-Plural die Regel: Hugo/Hugos, Otto/Ottos, Willi/Willis, Luca /Lucas, Anna/Annas, Maria/Marias, Uschi/Uschis, Nele/Neles. Aber die Kaiser um 1000 werden auch künftig die Ottonen heißen, und man wird auch weiterhin von den drei Marien am Grab Jesu sprechen. Bei Namen, die auf Vokal+s ausgehen, bleibt der Plural meist endungslos - etwa zwei Agnes oder drei Esther. Aber bei Tobias sind auch die Tobiasse möglich und bei Krösus sagt man auf jeden Fall die Krösusse. Bei Michael hat man die Wahl zwischen die Michael oder die Michaele, bei Lorenz heißt es die Lorenz oder die Lorenze…
Kommt dann noch der Umlaut ins Spiel, wird es vollends verwirrend. Wenn bei Max neben die Maxe die Form die Mäxe durchgeht, müsste man dann bei Paul nicht auch die Päule sagen können, bei Volker analog dazu die Völker, und bei Wolfgang sogar die Wolfgänge oder die Wolfgänger?
Sprache ist nicht logisch, wir wissen es. Aber der Duden mischt beim Verunklaren noch munter mit: Im Print-Duden steht: "Plural: Nikolause, scherzhaft auch Nikoläuse." Im Internet-Duden dagegen lesen wir: "Plural: Nikoläuse, selten auch Nikolause." Ja, was denn nun?
Ein Vorschlag an den Heiligen: Lieber, guter Nikolaus, schaue doch morgen auch bei der Duden-Redaktion in Berlin vorbei und schenke ihr einen Grundkurs zum Thema: "Wie sorge ich bei meinen Produkten für Eindeutigkeit."
Man kann! Allerdings existieren meist verschiedene Formen nebeneinander, und das macht das Ganze nicht einfacher: Man kann den Plural bilden wie bei normalen Substantiven, was eher der gehobenen Sprache entspricht. Oder man gebraucht den s-Plural, was dann eher als umgangssprachlich gilt. Schauen wir ein paar Beispiele an: In einem Satz wie "Unter den Herrschern des Mittelalters gibt es viel Heinriche und Friedriche" wird wohl weiterhin die bildungssprachliche Form eingesetzt. Bei einem Satz wie "Die Zahl der Alexanders und der Peters im Kindergarten nimmt stetig zu" greift man eher zu den s-Formen, könnte allerdings auch "die Zahl der Alexander und Peter" sagen. Ähnlich ist es bei weiblichen Vornamen: Früher sprach jemand von den drei Adelheiden in einer Familie, heute würde er eher von drei Adelheids sprechen, wobei jedoch auch die Form drei Adelheid durchginge.
Aber damit nicht genug der Spitzfindigkeiten: Enden Vornamen auf einem Vokal, so ist heute der s-Plural die Regel: Hugo/Hugos, Otto/Ottos, Willi/Willis, Luca /Lucas, Anna/Annas, Maria/Marias, Uschi/Uschis, Nele/Neles. Aber die Kaiser um 1000 werden auch künftig die Ottonen heißen, und man wird auch weiterhin von den drei Marien am Grab Jesu sprechen. Bei Namen, die auf Vokal+s ausgehen, bleibt der Plural meist endungslos - etwa zwei Agnes oder drei Esther. Aber bei Tobias sind auch die Tobiasse möglich und bei Krösus sagt man auf jeden Fall die Krösusse. Bei Michael hat man die Wahl zwischen die Michael oder die Michaele, bei Lorenz heißt es die Lorenz oder die Lorenze…
Kommt dann noch der Umlaut ins Spiel, wird es vollends verwirrend. Wenn bei Max neben die Maxe die Form die Mäxe durchgeht, müsste man dann bei Paul nicht auch die Päule sagen können, bei Volker analog dazu die Völker, und bei Wolfgang sogar die Wolfgänge oder die Wolfgänger?
Sprache ist nicht logisch, wir wissen es. Aber der Duden mischt beim Verunklaren noch munter mit: Im Print-Duden steht: "Plural: Nikolause, scherzhaft auch Nikoläuse." Im Internet-Duden dagegen lesen wir: "Plural: Nikoläuse, selten auch Nikolause." Ja, was denn nun?
Ein Vorschlag an den Heiligen: Lieber, guter Nikolaus, schaue doch morgen auch bei der Duden-Redaktion in Berlin vorbei und schenke ihr einen Grundkurs zum Thema: "Wie sorge ich bei meinen Produkten für Eindeutigkeit."
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