Eine amüsante Rubrik im deutschen Blätterwald ist der "Hohlspiegel". Was das Hamburger Nachrichtenmagazin "Spiegel" dort jede Woche an Stilblüten serviert, das hat es meist in sich.
In der jüngsten Ausgabe besticht der Hinweis eines Mediums aus unserer Region – allerdings nicht der SZ – auf "Meisterwerke des Exhibitionismus" im Lindauer Stadtmuseum.
Aber bevor sich jetzt wieder ein Leser meldet, wir würden in dieser Glosse – siehe Matthäus 7,3! – immer nur den Splitter im Auge des anderen sehen und nicht den Balken im eigenen, zitieren wir schnell ein Beispiel für Fremdwortschwäche aus unserer Zeitung. Da schrieb jemand unlängst in einer Überschrift: "Die Lage ist briker". Und am nächsten Morgen war er in der prekären Lage, diesen Klops irgendwie zu erklären! So sei hier wieder einmal gewarnt: Bei Fremdwörtern nie allzu sicher sein!
Aber apropos warnen: In besagtem "Hohlspiegel" vom Montag findet sich auch folgender hübscher Satz aus einem Blatt im Norden: "Finanzminister Wolfgang Schäuble warnte die Griechen, ihre Sparauflagen zu erfüllen."
Hoppla! Das hat Schäuble nun mit Sicherheit nicht gemeint. Warnen ist nicht gleich Ermahnen. Wenn schon warnen, dann wäre richtig gewesen: "Schäuble warnte die Griechen davor, ihre Sparauflagen zu vernachlässigen, sprich: sie nicht zu erfüllen."
Der Hintergrund dieses Fehlers ist: Das Wort warnen wird häufig falsch eingesetzt, weil seine zwei verschiedenen Bedeutungen nahe beieinander liegen: Zum einen heißt es auf eine Gefahr hinweisen. Also zum Beispiel: "Die Eltern warnen vor dem Rauchen." Oder: "Die Polizei warnt vor Glatteis." Oder aus aktuellem Anlass: "Die Kanzlerin warnte ihre Fraktion vor den negativen Folgen der Ablehnung einer Ausweitung des Rettungsschirms". Mitdenken muss man dabei: "Denn diese Zustimmung ist notwendig für den Fortbestand des Euro."
Zum anderen steht warnen für jemand nachdrücklich und unter Andeutung oder gar Androhung von möglichen unangenehmen Folgen von etwas abraten. Wieder das aktuelle Beispiel: "Die Kanzlerin warnte davor, sie in dieser Frage im Regen stehen zu lassen, sprich: ihr in dieser Frage nicht zu folgen." Und hier muss man mitdenken: "Ansonsten werdet ihr schon sehen, welche Konsequenzen das für die Koalition hat."
Nun hat es – vielleicht auf dem Hintergrund von Warnungen jedweder Art – zur Kanzlermehrheit gereicht. Alles andere wäre für Angela Merkel und den Fortbestand der schwarz-gelben Regierung auch mehr gewesen als nur ein kleiner Lackmus.
Pardon, ein kleiner Lapsus.
Bei Fremdwörtern nie allzu sicher sein!
Siehe oben!
Freitag, 23. September 2011
pp. Benedictus PP.
Keine Star-Postkarte ohne Unterschrift! So wollen es die Fans. Und so tragen nun auch die Zigtausend Karten mit dem Konterfei des Papstes, die bei seinem Besuch in Deutschland kursieren, die Signatur des Heiligen Vaters: Benedictus PP. XIV. Aber für was steht dieses PP.?
Der nicht ganz ernst gemeinte Vorschlag eines Freundes, es könne vielleicht Pontius Pilatus heißen, soll hier aus naheliegenden Gründen nicht weiter erörtert werden. Auch andere ähnliche Kürzel kommen nicht in Frage: pp ist in der Musik die Abkürzung für pianissimo; pp. hinter einem Namen im Geschäftsverkehr bedeutet per procura, weist also auf die dem Unterzeichner erteilte Vollmacht hin; und pp. in der Form etcetera pp. geht zwar auch auf das Lateinische zurück, hat aber wieder eine andere Bedeutung: Es heißt perge, perge, auf Deutsch: fahre fort, fahre fort – wie wenn wir verstärkend sagen: und so weiter, und so fort.
Bleibt noch das Kürzel p.p., das wir zum Beispiel aus der Redewendung vom p.p. Publikum kennen. Wieder steht das Latein Pate: p.p. ist die Abkürzung von prämissis praemittendis, auf Deutsch: unter Voraussetzung des Vorauszusetzenden.
Und was heißt das genau? Ein Beispiel: Als der evangelische Pfarrer Johann Wilhelm Loy 1786 ein Buch über die Freie Reichsstadt Leutkirch schrieb, begann er sein Widmungsschreiben an die Stadtoberen mit folgenden Worten: „Den Hoch Edelgebohrnen, Hoch Edlen, Hochgelahrten, Wohl Ehrenvesten, Hoch und Wohlweisen Bürgermeistern, Stadtammann, Kanzleyverwalter, Geheimen Räthen und Räthen…“ So war es lange Zeit der Brauch, bis man irgendwann – in Österreich liegt der Fall etwas anders – solche Anhäufungen von Titeln leid war und stattdessen nur noch ein pp. vorneweg setzte, sprich: Der Leser sollte all die Ehrenbezeugungen mitdenken, die hier eigentlich hätten ausgeschrieben werden müssen.
Nun wäre ein solches pp. auch vor einem Papstnamen gar nicht so abwegig. Denn dem Mann auf dem Heiligen Stuhl fehlt es wahrlich nicht an Titeln. Der Papst ist Stellvertreter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Bischof von Rom, Oberster Priester der Weltkirche, Bischof der katholischen Kirche, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes, und in Pontifex Maximus (oberster Brückenbauer) lebt gar ein Titel fort, den ganz früh die römisch-heidnischen Oberpriester und später die Caesaren trugen.
Aber nun zurück zu jenem PP. zwischen einem Papstnamen und der jeweiligen Ordnungszahl. Es steht ganz einfach für Papa, ursprünglich das lateinische Wort für Vater, dann übertragen als Ehrentitel auf das Oberhaupt der Kirche – und natürlich ist es auch die Wurzel unseres Wortes Papst.
Der nicht ganz ernst gemeinte Vorschlag eines Freundes, es könne vielleicht Pontius Pilatus heißen, soll hier aus naheliegenden Gründen nicht weiter erörtert werden. Auch andere ähnliche Kürzel kommen nicht in Frage: pp ist in der Musik die Abkürzung für pianissimo; pp. hinter einem Namen im Geschäftsverkehr bedeutet per procura, weist also auf die dem Unterzeichner erteilte Vollmacht hin; und pp. in der Form etcetera pp. geht zwar auch auf das Lateinische zurück, hat aber wieder eine andere Bedeutung: Es heißt perge, perge, auf Deutsch: fahre fort, fahre fort – wie wenn wir verstärkend sagen: und so weiter, und so fort.
Bleibt noch das Kürzel p.p., das wir zum Beispiel aus der Redewendung vom p.p. Publikum kennen. Wieder steht das Latein Pate: p.p. ist die Abkürzung von prämissis praemittendis, auf Deutsch: unter Voraussetzung des Vorauszusetzenden.
Und was heißt das genau? Ein Beispiel: Als der evangelische Pfarrer Johann Wilhelm Loy 1786 ein Buch über die Freie Reichsstadt Leutkirch schrieb, begann er sein Widmungsschreiben an die Stadtoberen mit folgenden Worten: „Den Hoch Edelgebohrnen, Hoch Edlen, Hochgelahrten, Wohl Ehrenvesten, Hoch und Wohlweisen Bürgermeistern, Stadtammann, Kanzleyverwalter, Geheimen Räthen und Räthen…“ So war es lange Zeit der Brauch, bis man irgendwann – in Österreich liegt der Fall etwas anders – solche Anhäufungen von Titeln leid war und stattdessen nur noch ein pp. vorneweg setzte, sprich: Der Leser sollte all die Ehrenbezeugungen mitdenken, die hier eigentlich hätten ausgeschrieben werden müssen.
Nun wäre ein solches pp. auch vor einem Papstnamen gar nicht so abwegig. Denn dem Mann auf dem Heiligen Stuhl fehlt es wahrlich nicht an Titeln. Der Papst ist Stellvertreter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Bischof von Rom, Oberster Priester der Weltkirche, Bischof der katholischen Kirche, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes, und in Pontifex Maximus (oberster Brückenbauer) lebt gar ein Titel fort, den ganz früh die römisch-heidnischen Oberpriester und später die Caesaren trugen.
Aber nun zurück zu jenem PP. zwischen einem Papstnamen und der jeweiligen Ordnungszahl. Es steht ganz einfach für Papa, ursprünglich das lateinische Wort für Vater, dann übertragen als Ehrentitel auf das Oberhaupt der Kirche – und natürlich ist es auch die Wurzel unseres Wortes Papst.
Freitag, 16. September 2011
Alles ist bekanntlich relativ im Leben. Die einen müssen sich nach den Sommerferien wieder so richtig reinhängen, die anderen können rumhängen, nachdem sie ihr Werkzeug schon an die Wand gehängt haben – zumindest bildlich.
Gerade in den letzten Tagen war vielerorts von der Sichelhenke zu lesen, wobei hier ein altes Brauchtum in den Blick rückt. Wenn früher das letzte Getreidefeld abgeerntet war, wurden die Sicheln bis zum nächsten Jahr im Gebälk der Scheune des Bauernhofes aufgehängt. Zudem war es schöne Sitte, dass dann Bauer und Bäuerin für das Gesinde ein großes Fest ausrichteten, um bei Speis und Trank gemeinsam den guten Abschluss der Ernte zu feiern.
Solche Hoffeste sind heute nicht mehr die Regel, aber überlebt hat die Sichelhenke allemal, und wenn sie nur – wie jetzt wieder in Ravensburg – den Namen für ein großes, buntes Treffen der Kreisbauernschaft mitten in der Stadt hergibt.
Aber diese Sichelhenke ist auch aus sprachlichen Gründen interessant. Natürlich kommen einem da sofort der Henkel und der Henker in den Sinn, und in der Tat steckt auch in diesen beiden Wörtern die alte Nebenform henken von hängen, wobei dann entweder ein Krug aufgehängt wurde oder ein Bösewicht.
Gemein ist allerdings, dass dieses Wort hängen in der Vergangenheit entweder starke Formen hat (hängen – hing – gehangen) oder schwache (hängen – hängte – gehängt), je nachdem, ob es intransitiv oder transitiv gebraucht wird. Da kommen manche Zeitgenossen schon mal durcheinander.
Machen wir uns das an Beispielen aus dem alten Wilden Westen klar: "Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand", sang Bruce Low (vulgo: Ernst Gottfried Bielke) trauerumflort in den Fünfzigern, weil sein Pony hingeschieden war. Die Vergangenheitsformen lauten in diesem Fall: "Es hing ein Pferdehalfter ..." und "Es hat ein Pferdehalfter … gehangen".
Und nun nehmen wir uns den ergreifenden Text eines anderen Liedes vor: "Hang down your head, Tom Dooley, hang down your head and cry. Hang down your head, Tom Dooley, alles ist nun vorbei. Morgen, da kommt die Stunde, dann führt man dich hinaus. Ja, morgen, da musst du hängen, ja, morgen ist alles aus."
Nun hatte dieser Tom allen Grund, seinen Kopf hängen zu lassen. 1866 erstach er seine Geliebte Laura und wurde zum Tod durch den Strang verurteilt. Sprich: Man hängte ihn (transitiv), und da hing er dann (intransitiv).
Nur noch eines am Rande: Wer zufällig Henke heißt, muss nun keinen trüben Gedanken nachhängen. Dieser Familienname hat mit Galgenvögeln rein gar nichts zu tun. Er geht vielmehr auf die alte Koseform Henk des Vornamens Heinrich zurück. Dem entspricht dann auch Hank, die Kurzversion von Henry im Amerikanischen.
Aber was hatte der US-Countrymusiker Hank Williams in seinem Repertoire? "Hang down your head, Tom Dooley". Ach, hol’s doch der Henker!
Gerade in den letzten Tagen war vielerorts von der Sichelhenke zu lesen, wobei hier ein altes Brauchtum in den Blick rückt. Wenn früher das letzte Getreidefeld abgeerntet war, wurden die Sicheln bis zum nächsten Jahr im Gebälk der Scheune des Bauernhofes aufgehängt. Zudem war es schöne Sitte, dass dann Bauer und Bäuerin für das Gesinde ein großes Fest ausrichteten, um bei Speis und Trank gemeinsam den guten Abschluss der Ernte zu feiern.
Solche Hoffeste sind heute nicht mehr die Regel, aber überlebt hat die Sichelhenke allemal, und wenn sie nur – wie jetzt wieder in Ravensburg – den Namen für ein großes, buntes Treffen der Kreisbauernschaft mitten in der Stadt hergibt.
Aber diese Sichelhenke ist auch aus sprachlichen Gründen interessant. Natürlich kommen einem da sofort der Henkel und der Henker in den Sinn, und in der Tat steckt auch in diesen beiden Wörtern die alte Nebenform henken von hängen, wobei dann entweder ein Krug aufgehängt wurde oder ein Bösewicht.
Gemein ist allerdings, dass dieses Wort hängen in der Vergangenheit entweder starke Formen hat (hängen – hing – gehangen) oder schwache (hängen – hängte – gehängt), je nachdem, ob es intransitiv oder transitiv gebraucht wird. Da kommen manche Zeitgenossen schon mal durcheinander.
Machen wir uns das an Beispielen aus dem alten Wilden Westen klar: "Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand", sang Bruce Low (vulgo: Ernst Gottfried Bielke) trauerumflort in den Fünfzigern, weil sein Pony hingeschieden war. Die Vergangenheitsformen lauten in diesem Fall: "Es hing ein Pferdehalfter ..." und "Es hat ein Pferdehalfter … gehangen".
Und nun nehmen wir uns den ergreifenden Text eines anderen Liedes vor: "Hang down your head, Tom Dooley, hang down your head and cry. Hang down your head, Tom Dooley, alles ist nun vorbei. Morgen, da kommt die Stunde, dann führt man dich hinaus. Ja, morgen, da musst du hängen, ja, morgen ist alles aus."
Nun hatte dieser Tom allen Grund, seinen Kopf hängen zu lassen. 1866 erstach er seine Geliebte Laura und wurde zum Tod durch den Strang verurteilt. Sprich: Man hängte ihn (transitiv), und da hing er dann (intransitiv).
Nur noch eines am Rande: Wer zufällig Henke heißt, muss nun keinen trüben Gedanken nachhängen. Dieser Familienname hat mit Galgenvögeln rein gar nichts zu tun. Er geht vielmehr auf die alte Koseform Henk des Vornamens Heinrich zurück. Dem entspricht dann auch Hank, die Kurzversion von Henry im Amerikanischen.
Aber was hatte der US-Countrymusiker Hank Williams in seinem Repertoire? "Hang down your head, Tom Dooley". Ach, hol’s doch der Henker!
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