Warum regen Sie sich immer noch über den Siegeszug des Englischen in unserer Sprache auf? So ist es halt. Basta. Das hört man öfters.
Aber leider finden sich tagtäglich Beweise für manche fragwürdigen Begleiterscheinungen dieser Invasion, die einen zusammenzucken lassen. Hier zwei Beispiele aus der Lebensmittelabteilung:
After Work Wurst las ein Freund unlängst an einer Imbissbude. Da hat halt die After Work Party abgefärbt, die sich schon länger für das Abtanzen nach Büroschluss eingebürgert hat. Na ja, da lacht man noch kurz auf.
Ärgerlich ist ein anderes Wort, das derzeit grassiert: Convenience-Fleischgerichte preist ein großer deutscher Billigmarkt an. Dieses convenience – auf Deutsch Annehmlichkeit, Zweckmäßigkeit – ist kein griffiges und vor allem kein alltägliches Wort. Und warum wird dann trotzdem von Convenience-Gerichten geredet und nicht von Fertiggerichten, was seit rund drei Jahrzehnten als Begriff für diese Art von Waren völlig ausgereicht hat? Wichtig ist eben nur, dass sich der Begriff von der Alltagssprache abhebt. Denn damit wird dem Kunden unter die Weste gejubelt, dass er sich – nach dem Kauf, wohlgemerkt – zu jenem erlesenen Kreis zählen darf, der weiß, was gerade trendy ist.
Übermorgen wird die Fußball-WM der Frauen eröffnet, und schon rüstet eine Nation wieder zum beliebten Public Viewing. Hier hat es überhaupt nichts genützt, darauf hinzuweisen, dass Amerikaner sich bei diesem Wort an die Stirn tippen – weil es dort Aufbahrung von prominenten Toten heißt und nicht Fußballgucken auf Großleinwänden.
Nur noch eine Frage an alle, die heute Convenience-Gerichte kaufen wollen? Wissen Sie was public convenience in britischem Englisch heißt? Bedürfnisanstalt.
Wohl bekomm’s!
Freitag, 17. Juni 2011
Von Elbflorenz in die Eselstadt
Gestern fand sich im Internet ein Hinweis auf ein Festival in Sachsen-Anhalt, bei dem man kurz stutzte: "Die Religionen der Welt zu Gast in Luthers Wittenberg". Diese Formulierung Luthers Wittenberg ist zwar durchaus korrekt. Man spricht ja auch von Zilles Berlin, Goethes Frankfurt, Schillers Marbach oder Hölderlins Tübingen, wenn die Wechselbeziehungen zwischen einer Stadt und einer bekannten Persönlichkeit betont werden sollen. Aber in unserem speziellen Fall hätte man gleich Lutherstadt Wittenberg sagen können – und wäre damit hyperkorrekt gewesen. Denn so heißt der Ort offiziell, und zwar schon lange. Bereits 1922 hatte der Magistrat beschlossen, der Stadt als herausragendem Schauplatz der Reformation den Namen Lutherstadt Wittenberg zu geben, was dann 1938 endgültig bewilligt wurde. Martin Luthers Geburts- und Sterbeort Eisleben zog 1946 nach und nannte sich fortan ebenfalls mit einem Doppelnamen Lutherstadt Eisleben.
Und warum ist das uns eine Sprachplauderei wert?
Weil Wittenberg und Eisleben hier schlichtweg etwas zur Tugend gemacht haben, was ansonsten eher eine Untugend ist. Viele Medienleute scheuen Wiederholungen wie der Teufel das Weihwasser und schwelgen – weil sie es für den besseren Stil halten – lustvoll in Synonymen. Mit Vorliebe bei Städtenamen: Wenn sie im ersten Satz noch von Lindau sprechen, ersetzen sie es im zweiten durch die Inselstadt. Ulm wird sofort zur Donaustadt, Pforzheim zur Schmuckstadt, Karlsruhe zur Fächerstadt, Augsburg zur Fuggerstadt, Bayreuth zur Wagnerstadt, Offenbach zur Lederstadt, Zwickau zur Schumannstadt, Lübeck zur Marzipanstadt…
Und bei einigen Städten geht mit den Schreibern vollends der poetische Gaul durch. Vor immerhin schon rund 300 Jahren nannte einer Berlin einmal Spreeathen, und dabei blieb es bis heute, wobei der Potsdamer Platz heute eher weniger vom Parthenon hat. Ein ähnliches Phänomen haben wir bei Dresden und Elbflorenz oder – um modernere Beispiele zu nehmen – bei Frankfurt und Mainhattan, München und Weißwurstmekka...
Das mag ja alles aufs erste ganz gut klingen, zutreffend, originell, manchmal auch witzig. Aber durch die ständige Wiederholung ist der Abnutzungsgrad dann doch sehr hoch. Und manchmal schleichen sich auch kuriose Fehleinschätzungen ein: Bei Freiburg wäre es zum Beispiel besser, auf das Synonym Schwarzwaldmetropole zu verzichten. So schön die südbadische Stadt auch sein mag, als Metropole geht sie eigentlich nicht durch, und im Schwarzwald liegt sie auch nicht, sondern allenfalls zu seinen Füßen im Breisgau.
Wobei diese Synonymitis übrigens nicht auf Städtenamen beschränkt ist. Nur ein Beispiel: Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie oft ein Esel zum Grautier mutiert? Da sieht man dann vor lauter Grautieren schnell rot?
Dabei hat es der gute, alte Esel doch schon zu hohen dichterischen Ehren gebracht. Man denke nur an Christian Morgenstern:
Und warum ist das uns eine Sprachplauderei wert?
Weil Wittenberg und Eisleben hier schlichtweg etwas zur Tugend gemacht haben, was ansonsten eher eine Untugend ist. Viele Medienleute scheuen Wiederholungen wie der Teufel das Weihwasser und schwelgen – weil sie es für den besseren Stil halten – lustvoll in Synonymen. Mit Vorliebe bei Städtenamen: Wenn sie im ersten Satz noch von Lindau sprechen, ersetzen sie es im zweiten durch die Inselstadt. Ulm wird sofort zur Donaustadt, Pforzheim zur Schmuckstadt, Karlsruhe zur Fächerstadt, Augsburg zur Fuggerstadt, Bayreuth zur Wagnerstadt, Offenbach zur Lederstadt, Zwickau zur Schumannstadt, Lübeck zur Marzipanstadt…
Und bei einigen Städten geht mit den Schreibern vollends der poetische Gaul durch. Vor immerhin schon rund 300 Jahren nannte einer Berlin einmal Spreeathen, und dabei blieb es bis heute, wobei der Potsdamer Platz heute eher weniger vom Parthenon hat. Ein ähnliches Phänomen haben wir bei Dresden und Elbflorenz oder – um modernere Beispiele zu nehmen – bei Frankfurt und Mainhattan, München und Weißwurstmekka...
Das mag ja alles aufs erste ganz gut klingen, zutreffend, originell, manchmal auch witzig. Aber durch die ständige Wiederholung ist der Abnutzungsgrad dann doch sehr hoch. Und manchmal schleichen sich auch kuriose Fehleinschätzungen ein: Bei Freiburg wäre es zum Beispiel besser, auf das Synonym Schwarzwaldmetropole zu verzichten. So schön die südbadische Stadt auch sein mag, als Metropole geht sie eigentlich nicht durch, und im Schwarzwald liegt sie auch nicht, sondern allenfalls zu seinen Füßen im Breisgau.
Wobei diese Synonymitis übrigens nicht auf Städtenamen beschränkt ist. Nur ein Beispiel: Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie oft ein Esel zum Grautier mutiert? Da sieht man dann vor lauter Grautieren schnell rot?
Dabei hat es der gute, alte Esel doch schon zu hohen dichterischen Ehren gebracht. Man denke nur an Christian Morgenstern:
Ein finstrer Esel sprach einmalWie viele Esel fröhlich in Hardegsen leben, wäre übrigens auch interessant zu wissen. Warum Hardegsen? Der Ort zwischen Hannover und Göttingen ist Deutschlands Eselstadt.
zu seinem ehlichen Gemahl:
"Ich bin so dumm, du bist so dumm,
wir wollen sterben gehen, kumm!"
Doch wie es kommt so öfter eben:
Die beiden blieben fröhlich leben.
Freitag, 10. Juni 2011
Die Zeit der Gurken und der Leiden
Zurzeit ist eine Gemüsesorte in aller Munde – oder genau genommen gerade nicht in aller Munde, weil niemand sie mehr essen will: die Gurke. Und da es in dieser Rubrik oft um die Herkunft von Wörtern geht, wollen wir auch bei der Gurke mal die Wurzeln freilegen.
Nach Deutschland kam das Wort schon im 16. Jahrhundert aus dem Slawischen. Auf Russisch heißt das Kürbisgewächs ogurec, auf Polnisch ogorek, auf Tschechisch okurka. Allen gemein ist letztlich die Abstammung aus einem mittelgriechischen Wort aguros, das wiederum auf dem altgriechischen aoros beruht, was so viel heißt wie unreif. Die Gurke wurde so genannt, weil man sie grün, also quasi unreif, erntet.
Wenn nun die Engländer cucumber sagen, die Franzosen concombre und die Holländer komkommer, so kommt hier die zweite alte Sprache ins Spiel. In diesen Fällen hat das lateinische cucumer das Vorbild abgegeben. Aber nicht nur dort: Wenn die Alemannen in ihrem Dialekt noch Gugummere sagen, die Schwaben Gugommer und die Bayern Gukummer, so liegt das vielleicht daran, dass es die Römer waren, die ihnen einst diesseits des Limes den Gartenbau beibrachten.
Und nun noch ein Blick auf die Saure-Gurken-Zeit, also jene Zeit, in der sprichwörtlich die Geschäfte nicht gut laufen und die Journalisten kaum etwas zum Schreiben finden. In Lexika zum Thema Redensarten liest man eine aufs erste plausible Erklärung: Danach sollen Berliner Kaufleute diesen Ausdruck geprägt haben, weil just während der Zeit der Gurkenernte und der Ferien im Hochsommer ihr Umsatz einbrach.
Aber laut Experten für Jiddisch drängt sich auch eine andere Interpretation auf: So sollen hier auf dem Umweg über das Rotwelsche die beiden hebräischen Wörter sarot (Leiden) und jakrut (Teuerung) in deutsche Wörter umgemünzt worden sein. Die Saure-Gurken-Zeit wäre also die Zeit des Leidens und der Teuerung.
In der Tat: Für die Gemüsebauern sind diese Wochen eine echte Leidenszeit. Und wer jetzt die riesigen Halden der zum Unterpflügen aufgetürmten Gurken sieht, der leidet mit.
Nach Deutschland kam das Wort schon im 16. Jahrhundert aus dem Slawischen. Auf Russisch heißt das Kürbisgewächs ogurec, auf Polnisch ogorek, auf Tschechisch okurka. Allen gemein ist letztlich die Abstammung aus einem mittelgriechischen Wort aguros, das wiederum auf dem altgriechischen aoros beruht, was so viel heißt wie unreif. Die Gurke wurde so genannt, weil man sie grün, also quasi unreif, erntet.
Wenn nun die Engländer cucumber sagen, die Franzosen concombre und die Holländer komkommer, so kommt hier die zweite alte Sprache ins Spiel. In diesen Fällen hat das lateinische cucumer das Vorbild abgegeben. Aber nicht nur dort: Wenn die Alemannen in ihrem Dialekt noch Gugummere sagen, die Schwaben Gugommer und die Bayern Gukummer, so liegt das vielleicht daran, dass es die Römer waren, die ihnen einst diesseits des Limes den Gartenbau beibrachten.
Und nun noch ein Blick auf die Saure-Gurken-Zeit, also jene Zeit, in der sprichwörtlich die Geschäfte nicht gut laufen und die Journalisten kaum etwas zum Schreiben finden. In Lexika zum Thema Redensarten liest man eine aufs erste plausible Erklärung: Danach sollen Berliner Kaufleute diesen Ausdruck geprägt haben, weil just während der Zeit der Gurkenernte und der Ferien im Hochsommer ihr Umsatz einbrach.
Aber laut Experten für Jiddisch drängt sich auch eine andere Interpretation auf: So sollen hier auf dem Umweg über das Rotwelsche die beiden hebräischen Wörter sarot (Leiden) und jakrut (Teuerung) in deutsche Wörter umgemünzt worden sein. Die Saure-Gurken-Zeit wäre also die Zeit des Leidens und der Teuerung.
In der Tat: Für die Gemüsebauern sind diese Wochen eine echte Leidenszeit. Und wer jetzt die riesigen Halden der zum Unterpflügen aufgetürmten Gurken sieht, der leidet mit.
Freitag, 3. Juni 2011
Galan und Galantine
Stehtische bei Empfängen haben ihre eigenen Gesetze. Da schwärmt man von überirdischen Genüssen – wie jetzt beim glanzvollen Auftakt des "Schwäbischen Frühlings" vom Andante Sostenuto aus Schuberts Streichquintett C-Dur. Oder aber man rätselt über sehr irdische Genüsse: ob es nun Rehgelatine heißt oder Rehgalantine.
Um es gleich klarzustellen: Rehgalantine ist richtig, und dieser Spezialbegriff steht für mit einer feinen Aspikschicht überzogene Scheiben einer kalten Pastete aus Fleisch und Farce.
Aber beide Wörter sind eng verwandt. Die gemeinsame Wurzel von Galantine, Gelatine (farblose, leimartige Substanz aus Knochensud), Gallert (eingedickter Fleischsaft, Sülze) und Gelee (eingedickter Frucht- oder auch Fleischsaft) ist das lateinische gelare (gefrieren). Und wer nun – un gelato, prego! – an Eiskaltes in Italien denkt, liegt richtig.
Aspik ist übrigens das Gleiche wie Gallert, aber ob das Wort wirklich auf die kalte, glänzende Haut der Aspisviper, einer bei uns nur im Südschwarzwald vorkommenden Giftschlange, anspielt, ist nicht restlos geklärt. Sehr appetitlich klingt es eh nicht.
Auf jeden Fall hat sich damit erledigt, was man ja kurz argwöhnen könnte, dass nämlich Galantine die weibliche Form von Galan wäre – analog zu heute leicht altmodisch klingenden Paaren wie Albert/Albertine, Clemens/Clementine, Ernst/Ernestine oder Leo/Leontine, und an Brillant/Brillantine denkt man ja auch kurz.
Zu Galan – früher: ein gegenüber Damen sehr höflicher Herr, heute etwas abwertend: ein Liebhaber – gibt es keine weibliche Form.
Wobei, pardon, die Parallele naheliegt: Die Sultanine ist ja auch nicht die Frau eines Sultans. Ein echter Sultan, zumindest einer von diesen alten Muselmanen aus "Tausendundeiner Nacht", hatte ohnehin viele, in manchen Fällen vielleicht auch zu viele Frauen.
Insofern machte es sich Heinz Erhardt zu einfach:
So schweift man an Stehtischen ab – anstatt bei Schuberts Andante Sostenuto zu bleiben. Es war überirdisch.
Um es gleich klarzustellen: Rehgalantine ist richtig, und dieser Spezialbegriff steht für mit einer feinen Aspikschicht überzogene Scheiben einer kalten Pastete aus Fleisch und Farce.
Aber beide Wörter sind eng verwandt. Die gemeinsame Wurzel von Galantine, Gelatine (farblose, leimartige Substanz aus Knochensud), Gallert (eingedickter Fleischsaft, Sülze) und Gelee (eingedickter Frucht- oder auch Fleischsaft) ist das lateinische gelare (gefrieren). Und wer nun – un gelato, prego! – an Eiskaltes in Italien denkt, liegt richtig.
Aspik ist übrigens das Gleiche wie Gallert, aber ob das Wort wirklich auf die kalte, glänzende Haut der Aspisviper, einer bei uns nur im Südschwarzwald vorkommenden Giftschlange, anspielt, ist nicht restlos geklärt. Sehr appetitlich klingt es eh nicht.
Auf jeden Fall hat sich damit erledigt, was man ja kurz argwöhnen könnte, dass nämlich Galantine die weibliche Form von Galan wäre – analog zu heute leicht altmodisch klingenden Paaren wie Albert/Albertine, Clemens/Clementine, Ernst/Ernestine oder Leo/Leontine, und an Brillant/Brillantine denkt man ja auch kurz.
Zu Galan – früher: ein gegenüber Damen sehr höflicher Herr, heute etwas abwertend: ein Liebhaber – gibt es keine weibliche Form.
Wobei, pardon, die Parallele naheliegt: Die Sultanine ist ja auch nicht die Frau eines Sultans. Ein echter Sultan, zumindest einer von diesen alten Muselmanen aus "Tausendundeiner Nacht", hatte ohnehin viele, in manchen Fällen vielleicht auch zu viele Frauen.
Insofern machte es sich Heinz Erhardt zu einfach:
"Es war einmal ein Muselmann, der trank sich einen Dusel an, wann immer er nur kunnt, er rief dann stets sein Muselweib, wo sie denn mit dem Fusel bleib, denn Durst ist nicht gesund..."So dichtete er, und um des hübschen Reims willen wollen wir ihm den Singular durchgehen lassen. Aber da dieses Poem – wie viele heute sagen – ohnehin nicht political correct ist, verzichten wir auf den Rest.
So schweift man an Stehtischen ab – anstatt bei Schuberts Andante Sostenuto zu bleiben. Es war überirdisch.
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