Populäre Titel von Büchern, Gedichten, Opern, Theaterstücken, Filmen etc. reizen zum leicht abgewandelten Zitat, und Journalisten stehen bekanntlich auf so etwas.
"Das Lied von der Locke", "Kabale und Hiebe", "Die Blusen des Böhmen", "Das Land des Hechelns", "Das Schweigen der Belämmerten", "Manche mögen's leis", "Der mit dem Golf tanzt" etc., etc.
So weit, so witzig. Aber manchmal kann man dabei auch ins Grübeln kommen. "Herrn Schlierenzauers Gespür für Schnee" stand letzte Woche auf der SZ-Sportseite - eine hübsche Anspielung auf Peter Hoegs Bestseller "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" aus dem Jahr 1992. Aber war dieser doppelte Genitiv korrekt? Hätte es nicht "Herr Schlierenzauers Gespür ..." heißen müssen? Es heißt ja auch nicht "Fräuleins Smillas Gespür .."?
In der Redaktionskonferenz wurde wohl kurz diskutiert - und dann auch mit dem richtigen Gespür entschieden. Es heißt in der Tat "Herrn Schlierenzauers Gespür für Schnee".
Maßgeblich ist hier die Behandlung von mehrteiligen Eigennamen. Treten Gattungsbezeichnungen - etwa Titel, Berufe oder Verwandtschaftsgrade - vor einen Eigennamen, so werden sie in der Regel nicht gebeugt. Nur der am Schluss stehende Teil bekommt ein Genitiv-s. Es heißt also Kaiser Friedrich Barbarossas Bart, König Ludwigs Schlösser, Außenminister Guido Westerwelles Verbalattacken, Ministerpräsident Günther Oettingers Englischkenntnisse, Metzger Müllers Leberkäse, Onkel Alfreds Schrebergarten und Fräulein Maiers Fotoalbum.
Und nun die Ausnahme: Der Titel Herr wird auch dann gebeugt, wenn er Teil des Gesamtnamens ist. Es heißt also: Das ist Herrn Müllers Auto (Genitiv), Ich habe Herrn Müller heute Morgen getroffen (Akkusativ) und Das wurde mit Herrn Müller so abgemacht (Dativ).
Damit wäre auch erklärt, was manche unserer Leser schon mal umgetrieben hat: Auf Briefumschlägen schreibt man bekanntlich Herrn Max Müller. Eigentlich müsste es An Herrn Max Müller heißen, aber auf dieses an wird im allgemeinen Sprachgebrauch mehr und mehr verzichtet.
Die Beugung von Herr hat dann sogar auf zwei andere Titel abgefärbt, wobei man hier allerdings wählen kann: Ich habe Genossen (Genosse) Wanzke als strammen SED-Mann erlebt. Und auch bei Kollege greift diese Ausnahme: Ich habe Kollegen (Kollege) Biedermann richtig gern.
Beides ist korrekt - allerdings auch relativ selten.
Freitag, 19. Februar 2010
Trackbacks
Trackback-URL für diesen Eintrag
Keine Trackbacks
Kommentare
Ansicht der Kommentare:
(Linear | Verschachtelt)
#1
Norbert Kraas
(Homepage)
am
25.02.2010 10:22
(Antwort)