Gesocks an allen Fronten
Dass sich Gegner mit denselben Waffen bekämpfen, ist nichts Außergewöhnliches. Derzeit erleben wir es auf sprachlichem Gebiet. Ein Wort hat Hochkonjunktur: Gesocks.
Wann dieser Begriff - ein Synonym für Gesindel, Pöbel, Pack, Mob, Bagage, Gelichter etc. - genau entstanden ist, lässt sich nicht sagen. Irgendwann im 20. Jahrhundert kam er auf, und zu tun hat er wohl mit der Redensart sich auf die Socken machen im Sinn von nicht sesshaft sein, herumstreunen.
Jedenfalls wimmelt es auf den Internetseiten gerade von Gesocks, und interessanterweise sind es zwei Lager, die sich mit exakt demselben Schmutz bombardieren: Die einen schäumen über das dreckige Gesocks, das uns aus dem Orient überrennt, die anderen wettern über das braune Gesocks, das sich zum Protest gegen eben diese Migration auf der Straße zusammenrottet.
Nebenbei bemerkt: Wie ein Google-Test der letzten 24 Stunden beweist, werden auch Berliner Politiker, Fifa-Funktionäre und Punk-Musiker gerne mal als Gesocks abgestempelt. Hauptsache, Schaum vor dem Mund.
Für die Durchschlagkraft dieses Schimpfworts spricht übrigens ein Vorfall, der zwar etwas zurückliegt, aber als symptomatisch gelten darf: "Frohsinn on the rocks fürs bessere Gesocks" - so höhnte einst der für seine ebenso brillanten wie ätzenden Büttenreden bekannte Mainzer Fassenachter Herbert Bonewitz über die TV-Prunksitzungen. Nur knapp entging er der Steinigung durch seine Artgenossen unter der Narrenkappe.
Will sagen: Das Verletzungspotenzial von Verbalinjurien wie Gesocks ist enorm. Deswegen auch die derzeitige Inflation. Was noch zu einer generellen Anmerkung reizt: Im Augenblick werden unzählige mehr oder minder schlaue Überlegungen angestellt, wie man die unsägliche Schmähflut noch einmal eindämmen könnte, die aus dem Internet und den sogenannten sozialen Medien schwappt. Mit Kopfschütteln registriert man dabei, dass unter den Klägern auch viele sind, die doch die ungezügelten Kommentare in ihren Medien flehentlich herbeigesehnt und die enthemmende Anonymität stillschweigend geduldet haben - wenn nur die "Schreiben Sie uns doch bitte Ihre Meinung!"-Spalten gefüllt wurden. Sie wurden gefüllt - aber zu einem Großteil mit Hasstiraden, die nun alle Kriterien der Volksverhetzung erfüllen.
Goethe wird viel zitiert im Zusammenhang mit dieser Debatte über die fehlende Internet-Kultur: Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los. Was unbestritten in die richtige Richtung weist. Aber auch Schiller passt hier bestens: Es bringt nicht gute Frucht, wenn Hass dem Hass begegnet.