Kennen Sie auch irgendwelche überkandidelte Zeitgenossen? Mit Sicherheit. Und mit Sicherheit wissen Sie, was überkandidelt bedeutet. In gehobener Sprache kennen wir es auch als extravagant, affektiert, exaltiert, exzentrisch, überzüchtet oder verstiegen. Im Alltagsdeutsch hingegen finden sich Ausdrücke von schrill über schräg, übergeschnappt, spleenig und durchgeknallt bis ballaballa. Und besonders hübsch ist die österreichische Variante gschupft, die übrigens mit unseren schwäbischen Schupfnudeln zu tun hat, was wir jetzt aber nicht vertiefen wollen.
Was steckt nun hinter dem doch etwas seltsam klingenden überkandidelt? Da gab es im Lateinischen das Wort candidus, das wie so oft in dieser Sprache eine Art Mehrzweckwaffe war. Denn es hieß weiß, weißglänzend, schneeweiß, strahlend, unschuldig, ungetrübt, ungekünstelt, einfach, aufrichtig, redlich, glücklich, fröhlich… Unter anderem lebt es in unserem Wort Kandidat fort. Bei den Römern mussten sich Bewerber um Staatsämter in einer toga candida vorstellen, einer glänzend weißen Toga, und wurden so zu candidati.
Auch das Wort Kandelaber für einen Kerzenständer oder Straßenleuchter (lateinisch candela = Kerze) geht auf diese Wurzel zurück. Manche üblen Hefepilze heißen wegen ihrer Farbe Candida.
Und candidus im Sinn von glücklich, fröhlich hat über ein niederdeutsches kandidel für vergnügt, lustig zu diesem überkandidelt geführt - also noch fideler als fidel, schlichtweg überdreht.
Aber so naheliegend es auch erscheinen mag, der Kandiszucker hat mit candidus nichts zu tun. Dieser meist an Fäden oder Stäbchen auskristallisierte Zucker bekam seinen Namen auf dem Umweg über Italien vom arabischen Wort qandi für gezuckert, das wiederum auf arabisch qand (Zucker) beruht. Kandiszucker heißt also Zuckerzucker, was eigentlich unsinnig ist.
Auf diesem Hintergrund verstehen wir endlich, warum Peter Kraus 1958 von seinem Sugar-Sugar-Baby sang - und das übrigens mit seinen mittlerweile 75 Lenzen immer noch gerne tut. Sugar-Sugar-Baby, oh-oh, Sugar-Sugar-Baby, mmm-hhh, sei doch lieb zu mi-hir …
Für die Nachgeborenen nebenbei noch angemerkt: So fing das damals an mit den Anglizismen.