Fällt irgendwo das Wort Plagiat, so reizt das – wie aus gegebenem Anlass zu erleben – im wahrsten Sinn des Wortes zum Nachblättern. So blätterte eine ganze Nation gestern im Nachhinein, um sich ein Bild davon zu machen, wo Karl-Theodor zu Guttenberg im Vorhinein geblättert hatte. Da wollen wir nicht zurückstehen und blättern auch – allerdings im Lexikon. Wir gehen einmal der Frage nach, woher dieser Begriff Plagiat eigentlich kommt.
Und diese Geschichte ist nicht ohne Reiz.
Gegen Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus lebte in Rom der Dichter Marcus Valerius Martialis, kurz Martial genannt. Von den Kaisern Titus und Domitian ob seiner Lobeshymnen hoch geschätzt, kam er bald zu Ansehen und Wohlstand. Dies ließ einen Kollegen namens Fidentius nicht ruhen, der Gedichte Martials frech unter seinem eigenen Namen vortrug. Darauf bezichtigte ihn Martial, ein plagium begangen zu haben. Dieses lateinische Wort aber heißt nichts anderes als Menschenraub, und ein plagiarius ist ein Seelenverkäufer. Denn, so Martials unerbittliche Argumentation, seine Gedichte, seine geistigen Kinder quasi, seien wie freie Menschen, die dieser Fidentius in die Sklaverei geführt habe.
Dass Martial selbst Sklaven besessen haben soll, sei am Rande angemerkt – Ironie des Schicksals. Aber das soll es ja geben.
"Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche", sagt man heute gerne in einem solchen Fall. Wobei auch bei diesem hübschen Spruch ein Flair von Plagiat im Spiel ist: Denn er wird oft Robert Gernhardt zugeschrieben, könnte auch vom ganzen Duktus her durchaus von ihm sein. Aber in Wirklichkeit stammt er von F. W. Bernstein.
Auch hierzu die passende Geschichte: Der Satz fiel Bernstein (vulgo Fritz Weigle aus Göppingen) angeblich ein, als die beiden Nonsens-Poeten der legendären Neuen Frankfurter Schule irgendwann in den Sechzigern miteinander im Auto saßen und sich spontan in Tier-Zweizeilern übten. Aber Gernhardt konterte schon Sekunden später und auch nicht ohne Witz: "Die größten Kritiker der Molche waren früher eben solche." Er hatte also beim Abkupfern seinen eigenen Grips bemüht.
Und weil der gute Herr zu Guttenberg genau das nicht getan hat, ist er derzeit in so großer Beweisnot.
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