Wann ist man ein älterer Herr? Zum Beispiel, wenn man als Rentner am Donnerstag zunächst einmal vergisst, dass für die SZ am Freitag eine Sprachplauderei fällig ist. Da könnte es dann schon sein, dass man von irgendjemand als älterer Herr abgestempelt wird?
Aber – so paradox es klingen mag – es ist immer noch besser als die Bezeichnung alter Herr. Warum? Wir haben hier eine Sonderform des Komparativs, von manchen Sprachexperten auch als absoluter Komparativ bezeichnet. Der Grammatik-Duden erklärt es so: Wenn die Vergleichsgröße fehlt, bezieht sich der Komparativ oft nicht auf den Positiv des entsprechenden Adjektivs, sondern auf dessen Gegenbegriff. Etwas weniger geschwollen: Man denkt das Gegenteil mit, und dann stimmt der Vergleich.
Nehmen wir den Satz: Er hielt eine längere Rede. Gemeint ist damit eine Rede, die länger als eine kurze Rede ist – und nicht etwa eine, die noch länger ist als eine lange Rede.
Solche Fälle gibt es mehr, als man im ersten Moment glaubt: Eine größere Stadt ist nicht so groß wie eine große Stadt, sondern kleiner.
Wenn in einem Viertel die reicheren Leute wohnen, sind sie zwar reicher als Hartz-IV-Empfänger, aber noch lange keine Millionäre.
Ein höherer Verlust an der Börse ist zwar mehr als Peanuts, aber noch nicht die ganz große Pleite.
Wenn es einem Kranken besser geht, geht es ihm noch lange nicht gut.
Und eine breitere Straße ist nicht so breit wie eine breite Straße.
Daraus folgern wir jetzt: Ein älterer Herr ist zwar älter als ein junger, jedoch noch gar nicht so weit weg von einem jüngeren Herrn, der ja nur etwas älter ist als ein ganz junger. Vor allem aber ist er noch keineswegs so alt wie ein alter Herr.
Und was will man mehr als Rentner!
Freitag, 1. Juli 2011
Von wegen alter Herr!
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