Vor wenigen Tagen ging es in einem SZ-Leitartikel um die dringend gebotene Vermittlung von Politik. Dies müsse, so stand da, "in einem Deutsch geschehen, das Otto Normalverbraucher versteht".
Jeder kennt diesen Otto Normalverbraucher, der immer dann auftaucht, wenn es um den Durchschnittsbürger geht – quasi der Lebenspartner von Lieschen Müller. Kulturjournalisten lassen ihn auch mal zu Otto Normalleser oder Otto Normalhörer mutieren, Statistiker bemühen mit Vorliebe Otto Normalverdiener, TV-Experten berufen sich auf Otto Normalzuschauer, und als es letztes Jahr um den Tabakkonsum in Kneipen ging, tauchte unversehens Otto Normalraucher aus dem Qualm auf.
Wie auch immer, der Ur-Otto erblickte kurz nach dem Debakel von 1945 das Licht der Welt, genauer: der Kino-Welt. In Robert Stemmles satirisch-kabarettistischem Film Berliner Ballade drehte sich alles um einen armen Soldaten namens Otto Normalverbraucher, der aus der Gefangenschaft nach Berlin zurückkehrt, seine Wohnung zum Teil zerstört und vor allem besetzt vorfindet und sich nun irgendwie durchschlagen muss. Normalverbraucher war eine der Zuteilungskategorien, die auf den Lebensmittelkarten standen. Anders als etwa Kriegsinvaliden, Schwerstarbeiter oder stillende Mütter erhielt ein Normalverbraucher keinerlei Zulagen. So wie ihm ging es allerdings dem Gros der Deutschen – es war eben die Norm. Kein Wunder, dass der Name sprichwörtlich wurde.
Auch bei anderen Filmfiguren kennen wir dieses Phänomen. Nur drei Beispiele: Vom großen Zampano reden wir, wenn einer partout alle Strippen ziehen will. Hier stand Anthony Quinn Pate, der sich in Fellinis Film "La Strada" von 1954 als Prahlhans aufplusterte.
Auch Arnold Schwarzeneggers Terminator, ein galaktischer Killer aus dem gleichnamigen Film von 1984, lebt im Volksmund munter weiter – als Vollstrecker in allen Lebenslagen.
Und wenn wir jemanden einen Rambo nennen, dann haben wir den Muskelprotz Sylvester Stallone vor Augen, der 1982 seinen Siegeszug als tumber Film-Brutalo antrat.
Aber zurück zu Otto Normalverbraucher: Gespielt wurde die Hauptrolle 1948 von Gert Fröbe, damals eher ein Strich in der Nachkriegslandschaft und figürlich noch weit entfernt von jenem feisten Gangster Goldfinger, den er lustvoll im James-Bond-Film aus dem Jahr 1964 verkörperte.
Auch Agent 007 war stilbildend: Bis heute bestellen manche Zeitgenossen an der Hotelbar ihren Martini gerne "geschüttelt, nicht gerührt" – Normalverbraucher sind das eher nicht.
Freitag, 15. Oktober 2010
Von Otto, Lieschen, Arnold und James
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