Wie kann man Eyjafjallajökull aussprechen, ohne dass einem die Zunge entgleist? Ganz Deutschland hat geübt in den letzten Tagen. In der Tat ist dieses isländische Wort nicht gerade leichtgängig. Aber erstens sollten wir Deutsche da vorsichtig sein. Auch wir haben Wortungetüme, die anderen Völkern größte Probleme bereiten. Bei Franzosen etwa könnte die Aussprache von Streichholzschächtelchen eine Halsentzündung auslösen.
Zweitens verbietet sich jedes geringschätzige Lächeln angesichts des ehrwürdigen Alters dieser Sprache. Denn Isländisch, neben Norwegisch, Dänisch und Schwedisch eine Spielart des Nordgermanischen, weist eine Besonderheit auf, die diesen anderen skandinavischen Sprachen, aber auch dem Deutschen abgeht: Es hat sich seit rund 1000 Jahren kaum verändert. Kämen die Wikinger nochma ls aus dem Jenseits der Geschichte und würden an Islands Gestaden landen, so wäre die Kommunikation kein Problem. Und nun stellen Sie sich mal vor, ein Minnesänger träte mit einem mittelhochdeutschen Lied bei DSDS auf. Da bliebe selbst einem Dieter Bohlen die Spucke weg, denn er verstünde allenfalls Bahnhof.
Woher kommt nun dieses Bewahren eines archaischen Sprachzustandes? Zum einen mag es an der Abgeschiedenheit der Insel im Nordmeer liegen. Sprachen verändern sich schneller, wenn sie in Kontakt mit anderen Sprachen treten. Zum anderen aber scheint dieser Traditionalismus vor allem mit dem Einfluss der berühmten Sagas zu tun haben, jenen künstlerisch hochstehenden Erzählungen aus dem frühen Mittelalter, über die sich die Isländer bis heute definieren. Sie wurden wohl immer als derart wichtiges Erbe angesehen, dass sie auch die Sprachkultur bestimmten und jegliche Tendenz zur Veränderung abbremsten.
Dieser Sprachpurismus wirkt übrigens nach bis heute: Als vor einigen Jahren der Siegeszug des Computers begann, wurde sofort nach einem isländischen Wort gesucht. Man einigte sich auf: tölva, zusammengezogen aus tala (Zahl) und völva (Wahrsagerin). Und so heißt er nun.
Noch mal kurz zurück zum Eyjafjallajökull. Dieses Wort für Inselberggletscher wird wohl kaum als Fachausdruck in unsere Sprache aufgenommen werden. Dazu ist es zu speziell. Aber das heißt nicht, dass wir keine Wörter aus dem Isländischen im Deutschen hätten. Besagte Sagas gehören dazu, aber natürlich auch der Geysir, die heiße Quellfontäne, die es vor allem auf Island gibt. Der Tölt ist eine Pferdegangart und der Dorsch ein getrockneter Kabeljau. Oder was wäre die Wagnersche Götterdämmerung ohne Walküren, jene Jungfern, die die Gefallenen vom Schlachtfeld in die Walhall, die Halle der Helden, bringen! Auch der Berserker (eigentlich: Krieger im Bärenfellhemd) und die Flagge (eigentlich: das Flatternde) gehören hierher.
Und bei Steak nehmen wir zwar als selbstverständlich an, dass wir das Wort den US-Cowboys zu verdanken haben. Aber auch das Steak kommt ursprünglich aus dem Isländischen. Die alten Nordgermanen steckten das Fleisch an einen Bratspieß (altisländisch steikja), damit es nicht in die Asche fiel.
Doch das wollen wir jetzt nicht mehr vertiefen. Von Asche haben wir alle die Nase voll.
Freitag, 23. April 2010
Aus Island kommt nicht nur Asche
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