Unser Staat ist derzeit arm dran. Angesichts all der notleidenden Banken – gerade zum Unwort des Jahres erklärt – bleibt ihm ja nichts anderes übrig, als Geld in die Hand zu nehmen. So hört man es allerorten. Aber Hand aufs Herz: Haben Sie sich nicht auch schon mal gewundert, wie inflationär seit geraumer Zeit Geld in die Hand genommen wird – von der Kanzlerin und vom Finanzminister, vom Bankdirektor und vom Firmenchef, vom TV-Moderator und vom Zeitungsredakteur? Unwort-verdächtig ist dieses In die Hand nehmen zwar nicht, aber ein schönes Beispiel dafür, wie eine Redewendung plötzlich auftaucht und dann als so schick empfunden wird, dass Hinz und Kunz meinen, sie benutzen zu müssen.
Sucht man in unserem SZ-Archiv, so findet sich der erste Eintrag in einem Wirtschaftsartikel aus dem Jahr 2000. Bei der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) spuckt die Suchmaschine einen noch etwas älteren Beleg aus: Schon in einem Antrag der Grünen von 1999 war die Rede davon, dass man Geld in die Hand nehmen müsse. Aber vorher: Fehlanzeige. So führt etwa der Redensarten-Duden von 1992 die Wendung gar nicht an. Im 20. Jahrhundert hat der Deutsche wohl Geld ausgegeben, bezahlt, berappt, hingeblättert, entrichtet, gelöhnt, aber nicht in die Hand genommen.
Geht man allerdings um einiges weiter zurück, so taucht der Ausdruck durchaus mal auf. Und jetzt wird es interessant: Könnte es sein, dass eine der grünen Parteigrößen mal zufällig – nomen est omen – im „Grünen Heinrich“ von Gottfried Keller las und dort die Redewendung fand? In dem 1851 erschienenen Entwicklungsroman des großen Schweizer Autors steht tatsächlich: Du musst jetzt bares Geld in die Hand nehmen.
Diese Formulierung bares Geld, also echtes, richtiges Geld, weist dann auch den Weg, wie man sich die Entstehung der Redewendung erklären kann. Obwohl zwischendurch vergessen, stammt sie aus einer Zeit, da man nicht per Online Banking bezahlte, sondern Geld vor allem noch etwas wortwörtlich Handfestes war. Daher rühren auch viele andere Beispiele: Da kostet etwas eine Stange Geld, weil man die Münzen in Papier rollt, da wird Geld vorgeschossen, weil man es schnell über den Tisch hinüber schiebt, da liegt das Geld auf der Straße, da zieht man es jemand aus der Tasche, lässt es springen oder wirft es zum Fenster hinaus.
Eine berühmte Redewendung wollen wir nicht vergessen: Geld stinkt nicht. Das erklärte einst Kaiser Vespasian, weil er sich durch die Besteuerung der öffentlichen Latrinen, wo die Römer bei der Erledigung ihrer Geschäfte stundenlang debattierten, große Einnahmen erhoffte. Und das waren dann, pardon, die sprichwörtlichen Geldscheißer – natürlich nur im übertragenen Sinn.
Freitag, 23. Januar 2009
Wenn man Geld in die Hand nimmt
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