Also Veilchen sind auch nichts anderes als Unkraut", verkündet die Gattin beiläufig im Garten - und reizt damit zum Widerspruch. Denn diesen despektierlichen Unterton hat das Blümchen nicht verdient. Nur wenige Pflanzen können mit einem solch schillernden kulturhistorischen Hintergrund aufwarten. Symbol der Bescheidenheit, der Reinheit, der Anmut, der Demut, der Liebe, der Treue, des Frühlings … aus Literatur und Kunst nicht wegzudenken. Und auch an antiken Mythen rund um seine Entstehung fehlt es nicht. So wurde die bildhübsche Tochter des Titans Atlas - der mit der Welt auf den Schultern - einst vom Sonnengott verfolgt. Sie floh jedoch vor ihm und bat in ihrer Verzweiflung Göttervater Zeus um Hilfe. Er hatte Mitleid und verwandelte das schüchterne Kind in ein Veilchen. Geschützt vor den Strahlen des hitzigen Freiers gedeiht es seither im Gebüsch.
Aber auch der Name des Veilchens ist interessant. Die Römer nannten es viola, woraus schon im Mittelalter unser Veiel wurde und später die Verkleinerungsform Veilchen. Dieses lateinische viola steckt auch in Violett, wobei wir uns das Wort für veilchenfarbig aus Frankreich besorgt haben. Dort heißt das Veilchen la violette.
Wie komplex die Farbenlehre ist, sieht man übrigens gerade an solchen Bezeichnungen für die Mischungen von Rot und Blau: Violett ist eine reine Mixtur dieser beiden Farben zu relativ gleichen Teilen. Tendiert das Violett stark in Richtung Rot, so erhält man Magenta. So heißt ein Ort nahe Mailand, wo 1859 bei einer Schlacht im italienischen Unabhängigkeitskrieg so viel Blut geflossen sein soll, dass der Boden diese Farbe annahm. (Ob die Telekom das weiß?)
Hellt man Violett mit weißer Farbe auf, so wird es zu Lila, und dieser Name für den Flieder - französisch lilas und englisch lilac - kam über das Arabische und Persische aus Indien. Wird noch mehr Weiß hinzu gemischt, so entsteht Rosa, wobei Pink, das englische Wort für Rosa und eine beliebte Modefarbe, angeblich eine Spur intensiver ist.
Zurück zu Violett. Sowohl bei Katholiken wie Protestanten ist es die Kirchenfarbe der Buße - etwa während der Advents- und der Fastenzeit. Aber es ist auch die Farbe der Macht, unter anderem bei der Kleidung hoher Würdenträger wie den katholischen Bischöfen. Dabei klingt eine uralte Tradition an: Purpurfarben - eine Variante von Violett - waren die Togen der römischen Kaiser. Gewonnen wurde dieses Purpur aus dem Sekret bestimmter Schnecken, vor allem im Orient, aber auch in Italien. Und warum es als einer der teuersten Farbstoffe der Welt gilt, liegt auf der Hand: Ein Chemiker hat einmal ausgerechnet, dass man zum Färben eines Krönungsmantels rund drei Millionen Purpurschnecken brauchte.
Der Kommentar der Gattin, konfrontiert mit dieser Purpur-Geschichte, war wieder von der eher nüchternen Art: "Wäre der Schleim von Nacktschnecken auch für irgendetwas nützlich, dann gäbe es vielleicht nicht so furchtbar viele davon."
Wo sie recht hat, hat sie recht.