Vor lauter WM-Berichterstattung gingen andere Meldungen in der Zeitung fast unter - so man nicht zufällig hängen blieb. Zum Beispiel am Titel "Deutsche wählen immer ausgefallenere Vornamen". In der Tat haben Forscher des Namenkundlichen Instituts der Universität Leipzig herausgefunden, dass der Trend zur eigenwilligen Namensgebung anhält. Je seltener ein Vorname, umso größer seine Attraktion. Aber umgekehrt gilt auch: Je exotischer die Wahl, umso eher ist mit Widerstand auf dem Standesamt zu rechnen.
Dieser Widerstand hat Tradition. Früher setzte es sehr schnell Verdikte, wenn jemand die Norm bedroht sah. Auch wenn NS-Fanatiker den Vornamen Hitlerike liebend gerne sanktioniert gesehen hätten, er ging nicht durch, weil er gegen das "Gesetz zum Schutz nationaler Symbole" von 1933 verstieß... Aber auch nach 1945 war man noch sehr restriktiv. Glühende Verehrer von Elvis Presley schafften es nicht, ihre Tochter Elvisa zu taufen.
Eltern, die sich an den Idealen des Arbeiter- und Bauernstaats im Osten orientieren wollten, hatten mit Traktora keine Chance. Und Pan, Rasputin oder Pepsi Cola wurden als Jungennamen ebenfalls abgeschmettert.
Heute wird das Namensrecht zunehmend liberaler ausgelegt. Zwar gilt immer noch das Wohl des Kindes als Richtschnur. Falls die Gefahr droht, dass jemand später unter seinem Vornamen leiden muss, legt das Standesamt aus gutem Grund ein Veto ein. So klingt Satan zwar recht griffig, könnte aber bei Bewerbungen zur Belastung werden.
Auch Borussia, Schröder, Sputnik, Woodstock, Tomtom, Verleihnix, Waldmeister, Joghurt oder Bierstübl schafften es bislang noch nicht über die bürokratische Hürde.
Aber ansonsten wird schnell ein Auge zugedrückt. Die heute möglichen Namen auf der Leipziger Liste sprechen Bände: Jazz, Slupy, Tarzan, Pumuckl, Sioux, Minza, Sittich…
Dann steht auf dieser Liste noch Fürchtegott. Da möchte man allerdings einwenden, dass es sich hier nicht um irgendeine abwegige Neuschöpfung handelt, sondern um einen altehrwürdigen Vornamen. Fromme Namen wie Bringfried, Friedensreich, Christlieb, Leberecht, Gottlob oder Traugott waren früher vor allem in evangelischen Familien sehr beliebt. Und bei Fürchtegott - übrigens die Übersetzung des griechisch-lateinischen Namens Timotheus - fällt einem sofort der Pastorensohn Christian Fürchtegott Gellert aus dem 18. Jahrhundert ein. Er schrieb etliche Kirchenlieder, unter anderem "Die Himmel rühmen", das durch die Vertonung Beethovens weltweit bekannt wurde.
Apropos Fürchtegott: Wenn uns schon ein medialer Wortspieler nach dem denkwürdigen WM-Finale den Titel Götzseidank beschert hat, wollen wir beim Kalauern nicht hintanstehen. Für argentinische Knaben böte sich nach Mario Götzes Sonntagsschuss ein Vorname durchaus an: Fürchtegötze.