Mit dem 95-jährigen Stéphane Hessel sei die Ikone der Occupy-Bewegung gestorben. So hieß es vorgestern querbeet in den Nachrichten. Nicht genug damit: Er sei auch eine Ikone der Empörung gewesen und eine Ikone der Zivilcourage.
Aber Hessel ist beileibe nicht die einzige Ikone in diesen Tagen: In Oscar Pistorius, der vor zwei Wochen verhaftet wurde, sah man sofort die beschädigte Ikone des Behindertensports. Und unlängst trat bei einer Kochshow in einem oberschwäbischen Städtchen ein Herr auf, den man die Ikone des Grillens nennt.
Nun ist Ikone (von griechisch eikón = Bild, Abbild) ein altehrwürdiges Wort mit einer tiefen spirituellen Dimension. So heißen die geweihten Kultbilder der orthodoxen Kirche des Ostens, die seit rund 1500 Jahren zur Verehrung Gottes und der Heiligen aufrufen und als Mittler zwischen dem Diesseits und dem Jenseits gelten. Aber in der Medienflut der letzten Jahrzehnte ging dieser Begriff mehr und mehr seiner ursprünglichen Bedeutung verlustig. Der große Fremdwörter-Duden von 2007 notiert, dass Ikone heute auch für eine Person oder Sache als Verkörperung bestimmter Werte stehen kann. Da greift dann allerdings ein anderes Phänomen: Ein solcher bildungsbürgerlicher Begriff kann schnell zum schicken Modewort werden, das mit der Zeit durch den gedankenlosen Einsatz zur Lachnummer verkommt.
Vor geraumer Zeit haben wir uns an dieser Stelle über den inflationären Gebrauch von Mekka ausgelassen, wo einem beim Googeln die absonderlichsten Verbindungen begegnen – vom Mekka der FKK-Kultur über das Mekka der Goißlschnalzler , das Mekka der Puppenstubensammler und das Mekka der Tischfußballer bis zum Mekka der Snowboarder.
Aber auch bei Ikone sind – wie Tests im Internet beweisen – auf der nach oben offenen Skala des Aberwitzes wohl keine Grenzen gesetzt. Manches mag gerade noch angehen: Helmut Schmidt als Ikone der SPD oder Udo Jürgens als Ikone der Unterhaltungsmusik, Mutter Teresa als Ikone der Nächstenliebe oder Larry Hagman als Ikone des westlichen Kapitalismus. Bei der Ikone der Ausbeutung (Lance Armstrong), der Ikone der Magersüchtigen (Victoria Beckham) sowie der Ikone der Meenzer Fassenacht (Margit Sponheimer) wird es schon problematischer.
Unzählig sind die von den Medien hochgestylten Pop-, Rock-, Sex- und Porno-Ikonen, die die Assoziation eines Kultbilds nun wirklich nicht verdienen.
Berge können mittlerweile diesen Ikonen-Status haben: Der Großglockner ragt als Ikone der Ostalpen auf.
Auch Autos: Der alte Trabbi wird als Ikone der Wiedervereinigung gefeiert. Ein Gebäude wie das Pergamon-Museum hat man zur Ikone Berlins ernannt. Selbst die Nase wird bedient: Chanel N. 5, ist angeblich die Ikone des Parfums. Und der Strichcode als Ikone der Konsumgesellschaft kommt so absurd daher, dass es schon wieder was Amüsantes hat.
Erhebt sich nur noch eine Frage: Wo liegt das Mekka der Ikonen?
Freitag, 1. März 2013
Das Mekka der Ikonen
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