Hat die Seele, also das in oberschwäbischen Landen, aber mittlerweile auch weit darüber hinaus hochgeschätzte längliche Weißmehlgebäck, etwas mit Allerseelen zu tun?
Schon öfter haben Leser diese Frage gestellt, und wann ließe sich dieser Punkt besser abhaken, als am heutigen Allerseelentag, 2. November, an dem wie seit rund tausend Jahren in der katholischen Kirche das Gedächtnis der Verstorbenen begangen wird!
In der Tat geht der Name dieser deutschen Baguette wohl auf einen vorchristlichen Brauch zurück, wonach man den Toten, also den armen Seelen, zu ihrem Gedenken Speiseopfer darbrachte, und wie so oft – zum Beispiel bei der Brezel, einem ursprünglich germanischen Gebäck in Form eines Sonnenrades – münzten die Kleriker des Mittelalters einen solchen Ritus auf christliche Inhalte um.
Im Lauf der Jahrhunderte wurden die Seelenbrote dann zu mildtätigen Spenden an Arme und Kinder.
Aber nicht nur das: Seelen setzte man früher auch zur Eheanbahnung ein. Schickte ein strammer Bursch seiner Allerliebsten am Allerseelentag eine besonders große Seele, so war das als eiliger Hochzeitsantrag zu werten. Denn mit dem Heiraten pressierte es. In der Adventszeit durfte nicht gefreit werden.
Einen kleinen Wandermythos, den man in mehreren oberschwäbischen Städten erzählt, wollen wir hier nicht verschweigen: So soll ein Bäcker während der schrecklichen Wirren des Dreißigjährigen Krieges ein Gelübde ablegt haben, jedem Bettler alljährlich zu Allerseelen ein Brot zu schenken, wenn die Pest vorbeiziehen würde. Das Gebet wurde erhört, und die Pest verschonte den Ort. Aber sparsam, wie er nun mal als Schwabe war, ließ der Bäcker mit der Zeit das Brot ein bisschen schrumpfen – auf die heutige Größe.
Ob die Geschichte stimmt? Egal, in die Landschaft passt sie allemal.
Freitag, 2. November 2012
Der Siegeszug der Seele
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