Diese Woche machte eine Umfrage Schlagzeilen: Die Piraten haben laut Forsa die Grünen in der Wählergunst abgehängt. 13 Prozent zu 11 Prozent lautet nun das Verhältnis. Das ist ein politisch hochinteressanter Vorgang, aber auch aus sprachlichen Gründen lohnt sich das nähere Hinschauen.
Der Ursprung der beiden Parteien ähnelt sich bekanntlich: Irgendwann formierte sich eine Protestbewegung und zog dann mehr und mehr Wähler an. Während aber der Name der Grünen – Grün als Symbol des Eintretens für die Natur – von Anfang an positiv besetzt war und dies immer blieb, lief die Sache bei den Piraten anders ab.
Geprägt wurde der Begriff Piraten um das Jahr 2000 von der Musik- und Filmindustrie, um damit Personen zu brandmarken, die unrechtmäßig Kopien im Internet zogen. Aber die derart Abqualifizierten drehten den Spieß einfach um, verkauften fortan das Schimpfwort als positiv besetztes Markenzeichen für Bürgerfreiheit – und das hat funktioniert. Wobei hier sicherlich die ganze Aura der Piraterie eine Rolle spielte. Denn mag man sie Piraten nennen oder Seeräuber, Freibeuter oder Korsaren, all die gesetzlosen Außenseiter auf den Weltmeeren umgibt – so ähnlich wie bei Robin Hood – schon immer ein Hauch von sozialromantischer Schwärmerei.
Diese ungebrochene Faszination ist nicht zuletzt an Fastnacht zu erleben, wenn sich ansonsten kreuzbrave Bürger eine schwarze Augenklappe aufsetzen und einen auf Captain Flint machen. Oder aber wenn Millionen von Kinogängern einem Jack Sparrow alias Johnny Depp bei seinen karibischen Kaperfahrten zu Füßen liegen.
In der Sprachwissenschaft gibt es den Begriff des Euphemismus für ein beschönigendes Wort.
Wenn man zum Beispiel einschlafen sagt statt sterben, Minuswachstum statt Rezession, Schadstoffemission statt Luftververgiftung.
Und es gibt das Gegenteil: den Dysphemismus, das herabsetzende Wort. Wenn zum Beispiel ein kritischer Geist als Querulant verunglimpft wird und eine Regierung als Regime, oder wenn man – wie gerade in Syrien zu erleben – oppositionelle Kräfte als Terroristen zusammenkartätscht.
Nun weisen allerdings Sprachpsychologen darauf hin, dass hier auch gegenläufige Prozesse ablaufen. Von einer Euphemismus-Tretmühle spricht man, wenn ein ursprünglich beschönigendes Wort zum negativ besetzten wird. Ein gutes Exempel ist abwickeln: So nannten die Macher der Treuhand verharmlosend das Abschaffen ganzer Industriezweige der Ex-DDR. Durch den andauernden Gebrauch – deswegen Tretmühle – fiel der Euphemismus allerdings auf die Erfinder des Wortes selbst zurück und wurde zum Synonym für einen kaltschnäuzigen Kahlschlag.
Aber auch die gerade umgekehrt arbeitende Dysphemismus-Tretmühle sorgt immer wieder einmal für Bedeutungsveränderungen: So heften sich Homosexuelle heutzutage das frühere Schmähwort schwul wie einen Orden an die Brust. Zum Slutwalk (Schlampenmarsch) treffen sich Frauen, um für ihre sexuelle Selbstbestimmung in punkto Kleidung zu demonstrieren. Und – was zu beweisen war – die neuerdings umschwärmten Freibeuter des Internets lehren die bereits etablierten Parteien das Fürchten, indem sie Gewinn aus ihrem Außenseiterstatus ziehen.
Bis sie eines Tages selbst etabliert sind – und dann lehrt man sie das Fürchten.