Jeder kennt die Folterqualen, wenn man im Morgengrauen wohlig im warmen Pfühl liegt, aber ein Nachbar unbedingt meint, seine Windschutzscheibe freikratzen zu müssen. Da reifen Mordgelüste. Dabei sollte man ja eigentlich froh sein, wenn er sein Auto enteist und sich nicht als Kamikaze-Fahrer in den Verkehr stürzt.
Aber apropos enteist: Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum auf Sprudelflaschen oft enteisent steht? Und zwar mit einem eher befremdlichen t am Schluss statt des zunächst viel logischer erscheinenden d?
Weil schon mehrere Leser uns deswegen angeschrieben haben, hier die Erklärung: Es gibt das Verb enteisenen mit der Bedeutung vom Eisengehalt befreien, und dessen Partizip Perfekt lautet enteisent.
Ein Satz zur Verdeutlichung: „Um zu verhindern, dass in stark eisenhaltigem Wasser durch Zufuhr von Sauerstoff unansehnlicher Rost ausflockt, wird es in einer Enteisenungsanlage, einem sogenannten Rieseler, enteisent.“ Einen ähnlichen Fall haben wir bei entmanganen also vom Mangangehalt befreien. Da heißt das Partizip Perfekt entmangant.
Nun kennen wir aber auch das Verb enteisen (vom Eis befreien), und da fängt die Verwirrung an. Denn während das Partizip Präsens von enteisenen logischerweise enteisenend heißt, lautet es beim Verb enteisen schlichtweg enteisend, also vom Eis befreiend, und das verführt dann eben zu falschen Schlüssen.
Zwar gab es einmal eine Zeit, da österreichische Winzer die Süßkraft von Frostschutzmitteln wie Glykol für ihre schändlichen Zwecke entdeckten und somit das Etikett enteisend auch auf Weinflaschen hätte prangen können. Aber auf Sprudelflaschen ergibt es keinen Sinn.
Bleibt uns nun nur noch, auf die enteisende Strahlkraft der Sonne zu setzen, damit wir bald wieder mit Goethe jubilieren können: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / durch des Frühlings holden belebenden Blick, / im Tale grünet Hoffnungsglück; / der alte Winter, in seiner Schwäche, / zog sich in rauhe Berge zurück…“
Gerade meckert das Korrekturprogramm. Rauh schreibt man heute eben rau, also ohne h. Mit dem Wort Pfühl im ersten Satz hatte der PC übrigens auch seine Probleme. So ist es halt leider mit schönen, alten Wörtern. Wilhelm Busch baute sie – wie in „Max und Moritz“ – noch gerne in seine Verse ein: „Drittens aber nimmt man auch / ihre Federn zum Gebrauch / in die Kissen und die Pfühle, / denn man liegt nicht gerne kühle.“ Heute gelten sie als völlig überholt.
Aber wie dem auch sei: Ob man nun im Pfühl liegt oder im Bett, der enteisende Nachbar ist immer eine Nervensäge.
Freitag, 27. Januar 2012
Eis oder Eisen, das ist hier die Frage
Trackbacks
Trackback-URL für diesen Eintrag
Keine Trackbacks