Manchmal kann man richtig liegen – und doch ein bisschen daneben. So gibt es Formulierungen, die zwar durch einschlägige Standardwerke abgedeckt sind, aber stilistisch fragwürdig klingen. Zum Beispiel regelrecht. Nehmen wir einen Satz aus der täglichen Berichterstattung über die Unruheherde der Erde: "Bei den Übergriffen des Militärs wurde die Zivilbevölkerung regelrecht abgeschlachtet". Hier will uns jemand die Abscheulichkeit dieses Vorgangs besonders drastisch schildern.
In der Tat steht regelrecht im übertragenen Sinn für Begriffe wie geradezu, buchstäblich, im wahrsten Sinn. In seiner ursprünglichen Bedeutung heißt es jedoch einwandfrei, ordnungsgerecht, vorschriftsmäßig oder regelgemäß. Aber gibt es feste Regeln, nach denen man jemand abschlachtet? Um diese Assoziation zum vermeiden, schreibt man lieber gleich geradezu.
Einen ähnlichen Fall haben wir übrigens bei förmlich. "Durch den Abgang der Mure wurden die Waggons förmlich auseinandergerissen", war dieser Tage nach dem Zugunglück in Südtirol zu hören. Auch hier wird förmlich im Sinn von geradezu, buchstäblich, im wahrsten Sinn gebraucht, das Wort signalisiert aber eigentlich, dass etwas der Form entsprechend oder vorschriftsgemäß passiert. Und haben Sie schon mal eine vorschriftsgemäß abgehende Schlammlawine erlebt?
Apropos Lawine: "Die Rettungsmannschaften suchten in den Schneemassen fieberhaft nach Überlebenden", so ist immer wieder nach Lawinenunglücken zu lesen. Auch dieses fieberhaft wird oft gedankenlos hingeschrieben, wenn ein rasches Vorgehen oder hektische Eile ausgedrückt werden soll. Hier allerdings hinkt das Bild, denn zum Schnee passt das Fieberhafte ja nur bedingt. Oder passt es doch? Auch wir fiebern ja jetzt nach all dem Schnee wärmeren Tagen entgegen, weil wir von dem langen Winter regelrecht die Nase voll haben.
Fazit: Manchmal kann man ein bisschen daneben liegen – und doch richtig.
Freitag, 16. April 2010
Wer fiebert schon im Schnee!
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