Von wegen Frollein!
"He, no a Bier!" So tönt ein Rüpel durch den Allgäuer Gasthof - und das Bedienungspersonal zuckt zusammen. Was durchaus verständlich ist. Damit rückt ein Problem ins Blickfeld, das seit geraumer Zeit einer Lösung harrt: Wie ist die korrekte Anrede, wenn man eine Servicekraft im Hotel, Restaurant, Café etc. zu sich an den Tisch rufen will?
Streng genommen fing alles mit dem Niedergang unseres altehrwürdigen Wortes Fräulein an.
Fräulein war bis Ende der 1960er-Jahre die übliche Anrede für eine unverheiratete weibliche Person jedweden Alters - und auch für Bedienungen. Dann aber wollten diese Frauen im Vorgriff auf die heutige Gender-Debatte nicht mehr als geschlechtliches Neutrum durch die Welt laufen, was ja zu einem gewissen Maß verständlich war, und dem trug das Bundesinnenministerium 1972 Rechnung. Fortan waren Herr und Frau die üblichen Anreden im Behördendeutsch, und das setzte sich schnell überall durch. Das Gastgewerbe hinkte allerdings hinterher, und bis heute schreien manche Leute noch ein ungehobeltes Frollein durch den Saal, auch wenn die Kellnerin vielleicht schon mehrfache Großmutter ist.
Aber was bietet sich als Ersatz an? Haken wir - so viel Gender muss sein - zunächst einmal die männliche Seite ab. Herr Ober ist zwar noch üblich, vor allem in gehobenen Häusern, allerdings gilt auch dieser Begriff mehr und mehr als altmodisch. Deswegen war es auch ausgemachter Blödsinn, als die Deutsche Knigge-Gesellschaft 2012 allen Ernstes den Begriff Frau Ober vorschlug. Frau Oberin hatte man sich gerade noch verkniffen - wohl wegen der Nähe zu Weihwasser statt zu Wein oder Bier. Aber Frau Ober, so meinte man, sei immerhin eine passable Abkürzung von Frau Oberkellnerin. Kein Wunder, dass dieser Vorschlag keine Chance hatte.
Und was machen die Gäste nun? Sie rufen "Hallo!", "He!", "Bedienung!", "Wirtschaft!", schnippen mit den Fingern, wedeln wie wild mit den Händen - alles höchst unbefriedigend. Beim Hotel- und Gaststättenverband hat man heute Vorschläge, die auch bei den Betroffenen auf Gegenliebe stoßen: Zunächst sollte es der Gast per diskretem Handzeichen versuchen, noch besser per Blickkontakt. Das ist recht und gut, bringt aber nicht allzu viel, wenn die Kellnerin bei Hochbetrieb mit Tunnelblick durchs Lokal wuselt. Vielversprechender ist die Idee, dass sich Servicekräfte am Tisch kurz mit ihrem Namen vorstellen, oder - am besten - dass sie Namensschilder tragen. Dann kann man sie direkt ansprechen. Allerdings sollten Vor- und Zuname draufstehen, um jegliche plumpe Anmache zu vermeiden.
Es gibt also Möglichkeiten. Hauptsache höflich! Denn Unhöflichkeit kann kontraproduktiv sein: "He, zahlen!", brüllte einmal ein Gast durch die Wirtschaft. Das nahm die Kellnerin ganz wörtlich: "Eins - zwei - drei - vier ..."