Kleines Häkchen, große Wirkung. In unserer Plauderei von letzter Woche über den Apostroph war auch die Rede vom Streit um des Kaisers Bart. Da kamen manche Leser nicht ohne guten Grund ins Grübeln, woher diese Redensart eigentlich stammt. Also haken wir nach.
Die Bedeutung ist klar: Da streiten sich Leute über etwas, was des Streitens nicht wert ist. Aber was hat der Kaiser damit zu tun, genauer: sein Bart? Wie so oft bei sprichwörtlichen Redewendungen sind hier mehrere Deutungen im Umlauf.
So soll zum einen Karl der Große auf manchen Siegeln mittelalterlicher Urkunden einen Bart getragen haben, auf manchen nicht. Damit lagen Fälschungen nahe, was erbitterte Rechtshändel nach sich ziehen konnte. Diese Lesart krankt allerdings daran, dass ein solcher Streit um des Kaisers Bart nun wirklich keine Lappalie war – und das widerspricht der späteren Bedeutung der Redensart.
Zum anderen könnte die Wendung auf Kaiser Barbarossa zurückzuführen sein, der bekanntlich – glauben wir der Sage – bis heute im thüringischen Kyffhäuser sitzt und auf bessere Zeiten wartet. War sein langer Bart, der durch den Tisch wuchs, nun weiß, weil er schon seit Jahrhunderten im Berg weilte? Oder war er rot, weil er ja nicht umsonst Barbarossa heißt? In der Tat ein eher sinnloser, da nicht zu schlichtender Streit. Dazu passt – etwas anders akzentuiert – auch Emanuel Geibels 1842 geschriebenes Gedicht "Von des Kaisers Bart". Da geraten sich drei junge Burschen im Wirtshaus wegen der Farbe von Barbarossas Bart in die Haare. Schwarz, braun oder weiß – das ist die bei einem Rothaarigen eher hirnrissige Frage. Nachdem auch einiges Blut geflossen ist, gehen sie im Zorn auseinander. Die letzten Verse heißen: "Zankt, wenn ihr sitzt beim Weine, nicht um des Kaisers Bart!"
Vieles spricht für eine volksetymologische Wurzel der Redensart. Der römische Dichter Horaz machte sich einst über die müßige Diskussion lustig, ob man Ziegenhaare ebenso wie beim Schaf auch als Wolle bezeichnen könne. Sein Zitat de lana caprina rixari (sich wegen Ziegenwolle zanken) fand Eingang in mehrere europäische Sprachen, zum Beispiel ins Italienische als disputare della lana caprina oder ins Englische als to contend about a goat’s wool.
Im Deutschen wurde diese lana caprina allerdings irgendwann zu Geißenhaare, dann zu Geißenbart – und schließlich missverstanden als Kaisers Bart. Darüber hinaus kursieren weitere Interpretationen.
Allerdings gibt es wichtigere Dinge im Leben als hochherrschaftliche Haartrachten, und deswegen kein weiteres Wort mehr über Kaisers Bart! Das sei hiermit geschworen – beim Barte des Propheten.
Freitag, 2. Mai 2014
Barbarossa und die Ziegenwolle
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