"Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein". So sang Reinhard Mey 1974. Knapp 40 Jahre später belegte der Altbarde mit diesem Lied immer noch Platz 74 auf der über 1000 Titel umfassenden Liste der SWR1-Hitparade. Respekt! Aber Mey hatte damals auch anderes auf Lager: "Einen Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars", reimte er, und die BRD amüsierte sich über seine Abrechnung mit dem Bürokratenjargon.
Warum dieses Kramen in der Erinnerung? Weil das Amtsdeutsch nicht ausgestorben ist. Gestelzt, gespreizt, verschraubt, uninspiriert und seelenlos kommt immer noch vieles daher, das aus offiziellen Schreibstuben in unseren Briefkästen oder Mail-Boxen landet und oft genug auch den Weg in die Medien findet. Man denke nur an die Fachsprache in städtischen Bebauungsplänen.
Da gibt es die Spontanvegetation (Wildwuchs), das Begleitgrün (angelegte Grünflächen), und zwischen drin bleibt – so man Glück hat – etwas Platz für raumübergreifendes Großgrün (Bäume).
Unter Beelterung verstehen Beamte das Vermitteln einer Pfegefamilie, statt des Blinkers muss der Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt werden, und vor dem Fußballstadion stehen keine Drehkreuze sondern Personenvereinzelungsanlagen.
Kein Wunder, dass Behörden damit immer wieder Spott auf sich ziehen. So findet sich im Internet eine Persiflage auf Rotkäppchen, in der eine unbeschulte Minderjährige beim Übertreten des amtlichen Blumenpflückverbotes einem polizeilich nicht gemeldeten Wolf ohne festen Wohnsitz begegnet, der dann in gesetzeswidriger Amtsanmaßung Einsicht in das zu Transportzwecken von Konsumgütern dienende Korbbehältnis verlangt, später bei der Großmutter der R. unter Vorlage falscher Papiere vorsprachig wird und mit der Verschlingung der Bettlägerigen einen strafbaren Mundraub zur Durchführung bringt…
Sage keiner, das sei völlig abwegig!
Und was kann man – wenn schon die Ämter eher schwerfällig sind - selbst gegen diese Unsitte tun? Zum Beispiel zurückhaltend sein bei Wörtern aus der Verwaltungswelt, die übrigens sehr oft - wie Verwaltung - mit der Vorsilbe ver- beginnen. Wir müssen uns zwar nicht wie die Schweizer mit dem Ungetüm Vernehmlassungsverfahren herumschlagen - so heißt dort das Einholen von Stellungnahmen zu einem Gesetzgebungsverfahren.
Aber auch eine Formulierung wie Die Gesetzeslage verunmöglicht die Genehmigung sollte tabu sein. Und wenn in Polizeiberichten immer wieder von verunfallten Autos die Rede ist, so muss man das ja nicht in den eigenen Wortschatz übernehmen.
Sonst verunfallt auch unsere Sprache. Und das hat sie nicht verdient.
Freitag, 15. November 2013
Wenn die Sprache verunfallt
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