Letzte Woche hatten wir es hier vom Gebot der Ehrlichkeit. Dass man irgendwann etwas offenlegt, was man lange verschwiegen hat. Oder anders gesagt: dass man aus seinem Herzen keine Mördergrube mehr macht. Aber warum eigentlich Mördergrube?
Auch ohne es groß zu merken, reden wir ja permanent biblisch, sprich: wir benutzen unzählige Redewendungen, die aus dem Alten oder Neuen Testament stammen. So auch in diesem Fall: Bei Matthäus 21,12-13 steht die berühmte Geschichte von der Tempelreinigung, die uns mit einem ganz anderen Jesus bekannt macht: Von wegen sanftmütig! Voller Zorn stößt er die Tische der Händler und Geldwechsler um, und dann folgt sein Verdikt: "Es steht geschrieben: ,Mein Haus soll ein Bethaus heißen', ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht." Hier zitiert nach einer Luther-Bibel von 1913.
Mördergrube - ein knallhartes Wort! Beim näheren Hinschauen wird klar, dass der Reformator im sogenannten Septembertestament von 1522 - wie so oft - seiner Lust an einer kraftstrotzenden Sprache gefrönt hat.
Denn der griechische Urtext spricht nicht direkt von Mördern, sondern eher von Räubern. Auch in der Vulgata, der lateinischen Bibelrevision des Hieronymus aus der Spätantike, ist nur von der spelunca latronum die Rede, also von der Räuberhöhle. Katholische Bibelübersetzungen durch die Jahrhunderte hielten sich in der Regel an diese Lesart, desgleichen die Einheitsübersetzung. Und besonders bemerkenswert: In der heutigen offiziellen Luther-Version der Evangelischen Kirche von 1984 steht Räuberhöhle.
Aber wie auch immer: In der Redensart wird das Herz nun mal mit einer Mördergrube verglichen, wo sich üble Gesellen herumtreiben und wohl - wie in dem sprichwörtlichen Keller - ein paar Leichen herumliegen. Der Hintergedanke dieses recht drastischen Bildes ist, dass man sich das Herz als eine Art Tempel vorzustellen hat, also einen ursprünglich reinen Ort, der allerdings zu einem Schlupfwinkel unreiner Gedanken geworden ist. Und da gibt es dann nur eine Lösung: Der Betroffene befreit sich, indem er zur Selbstreinigung seine Gefühle und Ansichten, seine Ängste und Ressentiments nicht mehr verheimlicht. Oder um es anders zu sagen: indem er sein Herz ausschüttet. Er muss ja sein Herz nicht gerade auf der Zunge tragen, aber sich ein Herz nehmen und sich einmal alles vom Herzen reden.
Damit fällt der Blick auf die über 70 Redensarten im Deutschen, die mit unserem Herzen zu tun haben. Aber weil man an dieser Stelle nicht nach Herzenslust weiterschreiben darf, halten wir jetzt die Zunge im Zaum.
Auch ein Zitat aus der Bibel: Jakobusbrief 1, 26.
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