Gemeldet hat sich ein einziger Leser, aber ein besonderer. Denn a) ist er in Sachen Antike unschlagbar und b) verfolgt er mit Argusaugen, ob diesbezüglich etwas Falsches in der Zeitung steht. Dafür gebührt ihm einmal offiziell Dank!
Aber wenn wir noch einmal vom Gott Janus reden, hier eine Anmerkung, die letzte Woche aus Platzgründen unterblieb: Wie gesagt, war der doppelköpfige Janus unter anderem der Hüter der Pforten. Und mit den Toren seines Heiligtums auf dem Forum Romanum hatte es eine besondere Bewandtnis: Dort feierten die Römer den Beginn ihrer Feldzüge, und während der Kampfhandlungen blieben die Pforten dann offen stehen. In Friedenszeiten wurden sie geschlossen - was in Rom allerdings nicht allzu oft vorkam. Den Philosophen Friedrich Schleiermacher (1768-1834) regte dies zu einem geistreichen Worträtsel an:
War ein Tempel in Rom das Erste, so war in der Welt das Zweite, und die Welt war das Ganze.Die Lösung: zu-frieden. Und wer hat uns diese Scharade gesteckt? Natürlich der getreue Antiken-Experte.
Verblüffend ist nun die Linie, die man von diesem römischen Tempel bis in unsere Region ziehen kann. In einer Handschrift aus dem Kloster Weingarten wurde schon 1827 ein Spruch aus dem 13. Jahrhundert entdeckt, der seither als Weingartener Reisesegen zu den Schätzen der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart zählt. Sein noch im Stab-reim verfasster Mittelteil ist um einiges älter als der Rest und zählt zu den frühen Zeugnissen in deutscher Sprache:
Ic dir nach sihe ic dir nach sendiUnd nun in freier Übersetzung:
Mit min funf fingirin funvi undi funfzic engili
Got dich gisundi heim dich gisendi
Offin si dir diz sigidor sami si dir diz selgidor
Bislozin si dir diz wagidor sami si dir diz wafindor.
Ich sehe dir nach, ich sende dir nachHier macht sich also einer auf eine beschwerliche Reise zu Wasser und zu Land, zu der ihm die Zurückbleibenden eine Schar Schutzengel und Gottes Geleit wünschen. Das Meer soll ruhig bleiben - und das Waffentor geschlossen, sprich: wohin er geht, sollen die Waffen schweigen. Die Parallele zum Januskult liegt auf der Hand. Vielleicht gibt es sogar eine gemeinsame Quelle für diese Vorstellung von einem Tor als Symbol für Krieg und Frieden zugleich.
mit meinen fünf Fingern fünfundfünfzig Engel.
Gott möge dich gesund wieder heimgeleiten.
Geöffnet sei dir das Siegestor, ebenso das Segeltor.
Verschlossen bleibe dir das Wogentor, ebenso das Waffentor.
Anrührend ist dieser uralte, magisch-poetische Segensspruch aber allemal - und nachdenkenswert zum Jahresbeginn obendrein.
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