Gibt es im Schwarzwald gewisse Sprachdefizite? Als Schwarzwälder stellt man dies natürlich zunächst einmal entrüstet in Abrede. Ein Erlebnis aus den Ferien legt allerdings Gegenteiliges nahe: Auf der Suche nach einem schönen Wanderziel hatte unser Hotelier flugs einen Vorschlag: "Zwei Kilometer über uns gibt es einen Rastplatz namens Schöne Aussicht mit einem fantastischen Rundblick", meinte er. Also gingen wir es an. Schöner Aussichtsweg stand am Anfang des Waldpfads. Nach geraumer Zeit hieß es plötzlich Schöne Aussichtsweg. Und schließlich folgte noch Schöne-Aussichts-Weg. Falsch sind alle drei Versionen. Die richtige Form heißt Schöne-Aussicht-Weg.
Hier die Erklärung: Schöner Aussichtsweg ergibt keinen Sinn, weil es ja nicht um die Schönheit irgendeines Aussichtswegs geht. Schöne Aussichtsweg ist schlichtweg grammatikalisch falsch - es heißt ja der Aussichtsweg. Und bei Schöne-Aussichts-Weg darf kein Genitiv-s nach Aussicht stehen. Denn Schöne Aussicht ist in diesem Fall ein Eigenname, und dann wird einfach per Bindestrich durchgekoppelt: Schöne-Aussicht-Weg.
Bei dem s in Aussichtsweg handelt es sich zudem um ein sogenanntes Fugen-s, und dessen Sinn und Zweck ist es, zwei Bestandteile eines Wortes zu verbinden. Also wird hier normalerweise nicht getrennt.
Etwas kompliziert. Aber die Regeln bei der Benennung unserer Straßen sind in der Tat vertrackt. Nicht umsonst bietet die Duden-Redaktion den einschlägigen Stellen in den Kommunen immer wieder an, sich beim Aussuchen von Straßennamen für neue Baugebiete an ihre Sprachexperten zu wenden. Das machen natürlich viele Schultes nicht und wursteln drauf los - mit bekannten Folgen.
Bei der Weite dieses Felds müssen wir uns hier auf ein paar Grundregeln beschränken:
Zusammen schreibt man Namen, die aus einem ersten Bestandteil - normalem Substantiv oder Eigennamen - und einem für Straßennamen typischen Zweitglied wie Straße, Weg, Gasse, Platz, Promenade, Ufer, Steg etc. bestehen. Also Waldstraße, Amselweg, Zuckerbäckergasse, Alemannenplatz, Adenauerpromenade…
Steht vorne ein Orts-, Völker- oder Familiennamen auf -er, so wird nicht getrennt, wenn dieses -er schon Teil des Namens ist. Also Finkenwerderstraße, Römerplatz oder Schillergasse.
Bei Ableitungen auf -er von geografischen Eigennamen wird in der Regel getrennt. Also Stuttgarter Straße, Karlsruher Weg oder Allgäuer Platz.
Bindestriche muss man unbedingt durchgehend setzen, wenn der erste Bestandteil aus mehreren Worten besteht: Theodor-Heuß-Straße, Albrecht-Dürer-Weg, Alte-Kanzlei-Gasse oder Neue-Heimat-Platz. Den Längenrekord hält hier übrigens bundesweit die Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße in Dingolfing.
Wie schon gesagt, etwas kompliziert.
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