Mit Redewendungen ist es so eine Sache: Sie etablieren sich irgendwann, aber ihr Hintergrund gerät schnell in Vergessenheit. Ein schönes Beispiel liefert uns gerade die Fußball-WM in Brasilien. Seit Tagen wird quer durch alle Medien über Joachim Löw gelästert, der ob der phasenweise suboptimalen Leistungen seiner Kicker am Spielfeldrand herumtobe "wie das HB-Männchen".
Stichproben bei Leuten unter 40 zeigen: Viele wissen zwar, dass damit eine wütende Reaktion gemeint ist. Aber jenen Unglücksraben, der nach allerlei Missgeschicken jedes Mal ausrastete und sich erst nach dem Genuss eines Glimmstengels wieder entspannte, haben sie meist nicht mehr bewusst erlebt.
1957 als TV-Zeichentrickfigur für die HB-Zigarette erfunden, avancierte Bruno rasch zur Kultfigur.
Immer die gleiche Masche: Ob der Mann mit schwarzer Fliege und dünnen Beinchen einen Rasenmäher startete oder eine Lampe reparierte, ein Bad nahm oder ein Bierfass anstach, stets ging es schief - und er in die Luft. Von dort holte ihn ein kleiner Strahlemann von König wieder auf den Boden herunter: "Halt, mein Freund, wer wird denn gleich an die Decke gehen! Greife lieber zur HB, dann geht alles wie von selbst!"
Wahrscheinlich hat das damals die Mehrzahl der Deutschen auch geglaubt, und HB wurde zur meistverkauften deutschen Zigarette. Einmal abgesehen von der infamen Masche waren die rund 500 Folgen aber sehr gut gemacht. Dass sich sogar Loriot für seine berühmten Pannen-Sketche von dem Comic-Chaoten hatte inspirieren lassen, wurde nicht ohne Grund behauptet. Und noch eine Kleinigkeit am Rande: Für Brunos cholerisches Genuschel ließ man ein Tonband mit einem arabischen Text rückwärts ablaufen. Heute wohl eher ein Unding.
1972 war dann Schluss mit der Zigarettenwerbung im Fernsehen. Bruno explodierte nur noch im Kino, und 1984 kam das endgültige Aus. Auch andere bekannte Werbeträger - ob leibhaftige Menschen oder Comic-Figuren - verschwanden ja irgendwann. Der Camel-Mann zog die durchlöcherten Schuhe aus, der dicke Tschibo-Onkel nahm den schwarzen Homburg ab, und die Ariel-Frontfrau Klementine füllte die letzte Waschmaschine. Die tierische Abteilung dünnte ebenfalls aus. Der Hustinetten-Bär, der Esso-Tiger und die Toyota-Affen sind aus den Spots verschwunden. Allerdings leben Relikte im Alltagsdeutsch weiter. Nichts ist unmöglich…
HB-Männchen-Szenen im Internet sind bei Insidern sogar wieder ein Renner. Ohne den werblichen Schluss, wohlgemerkt! Da folgt dann ein Schnitt, oder aber man hat einen neuen, unverfänglichen Schlenker aus dem Off angehängt: "Halt, mein Freund! Wer wird denn gleich in die Luft gehen. Gut gelaunt, geht alles wie von selbst."
Das muss jetzt nur jemand unserem Jogi-Bär beibringen. Dann geht alles wie von selbst. Auch heute Abend der Sieg der Fußball-Nationalmannschaft über Frankreich.
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