Engländer seien erzkonservativ, heißt es. Aber da kann man sich auch täuschen. So haben Städte in Großbritannien derzeit damit begonnen, Straßennamen ohne Apostroph zu schreiben. Aus der berühmten King’s Road in London wird also die Kings Road.
Warum? Angeblich gibt es Probleme bei Rettungsdiensten, weil ihre Computer-Software die oben hängenden Häkchen nicht einordnen kann und dann Sanitäter in die Irre schickt. Zwar gab es einzelne Proteste von Sprachschützern gegen diese Art von "Vandalismus an der Muttersprache", aber der Staat befürwortet in der Tat eine Umstellung auf Straßennamen ohne Apostroph.
Uns Deutschen kann das nicht gleichgültig sein. Geht es doch gerade jenem Satzzeichen an den Kragen, das Sprachpuristen zwar gerne als Deppen-Apostroph verlästern, andere aber todschick finden. Mit der wachsenden Angloamerikanisierung unseres Lebens wurde bekanntlich auch jener sächsische Genitiv der Engländer zur Modeerscheinung. Allüberall in Gastronomie und Geschäftsleben machte sich das Häkchen breit – von Eva’s Pilsbar bis zu Adam’s Hosenladen.
Dass man diese Apostrophitis mit dem Hinweis auf unsere Regeln zumindest hätte abbremsen können, muss man allerdings sagen dürfen – auch wenn manche das Ganze eh nur als Streit um Kaiser’s Bart sehen. In den Duden-Richtlinien von 1980 stand noch klipp und klar: "Kein Apostroph vor dem Genitiv-s von Namen", also Brechts Gedichte, Goethes Briefe oder Shakespeares Dramen.
Im Duden von 1996 wurde – wohl mit Blick auf die kommende Rechtschreibreform – spezifiziert: Gelegentlich sei ein Apostroph sinnvoll. Etwa bei Andrea’s Blumenecke. Damit werde klar, dass die Grundform des Namens Andrea ist und nicht Andreas. Früher hatte man logisch unterschieden zwischen Andreas Blumenecke (die Blumenecke von Andrea) und Andreas’ Blumenecke (die von Andreas), wobei der Apostroph für die Auslassung des Genitiv-s stand.
Aber mit der endgültigen Reform 2006 kam der wahre Sündenfall. Plötzlich tauchte in den Duden-Richtlinien ohne Not Willi’s Würstchenbude auf – weil man wohl meinte, nun dieser Mode Tribut zollen zu müssen.
Wohin das letztlich führte, zeigen Pluralformen mit Apostroph, die heute zum Beispiel auf immer mehr Speisekarten zu lesen sind: Steak’s vom Grill oder schlimmer noch Forelle’n aus eigener Zucht.
Aber kommt nun Rettung aus England? Wohl kaum. So schnell werden deutsche Häkchen-Fetischisten nicht aufgeben. Und in London heißen Lokale ja weiterhin Smithy’s Wine Bar oder Kaufhäuser Macey’s.
Englische Sprachexperten sehen aber eine andere Gefahr: Nach dem Apostroph könnte aus Gründen der Maschinenlesbarkeit dem Komma das Aus drohen. Sollte das eintreten und dann auch auf uns abfärben, so wäre das in der Tat ein Problem – und allemal gravierender als der Streit um Kaiser’s Bart – auch, wenn der Kaiser Beckenbauer heißt.
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