Mit solchen Problemen wird konfrontiert, wer um Anregungen für Sprachglossen bittet. Nun gibt es auf Fragen meist auch eine Antwort. Hier könnte man anführen, dass die ersten drei Adjektive von Substantiven abgeleitet sind, also von Sommer, Herbst und Winter, während Frühling selbst auf ein Adjektiv – nämlich früh – zurückgeht und damit die weitere Adjektivbildung anderen Gesetzen folgt. Aber in diese trockene Materie wollen wir uns jetzt nicht weiter vertiefen.
Am Tag nach Frühlingsanfang bietet sich ein Blick auf jenes Wort an, das viel älter ist als Frühling. Bis ins 16. Jahrhundert kannten die Deutschen nur den Lenz. Lengizinmanoth hieß der Frühling im Althochdeutschen, Lenzmonat, Lenzmond. In diesem lengizin steckt das Wort lang. Der Name bezieht sich also darauf, dass die Tage immer länger werden.
Im Altenglischen haben wir den Parallelfall: Die Angelsachsen nannten den Frühling lencten. Allerdings verlor das Wort seine Bedeutung später zugunsten von spring, wie die Engländer heute zum Frühling sagen. Lencten lebt nur noch in lent weiter. So heißt die Fastenzeit, und da denkt man zunächst einmal an Kasteiung.
Im Deutschen wuchs dem Wort Lenz eine hübschere Rolle zu. Noch Martin Luther kannte nur den Lenz.
"Der Lenz ist herbei gekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserem Land",übersetzte er im Hohelied (2,12). Aber einmal im Alltagsgebrauch vom Frühling abgelöst, wechselte Lenz vollends in die Gefilde der Poesie. In unzähligen Gedichten wird er beschworen, und wenn im Volkslied der Aufbruch der Natur nach dem Winter besungen werden sollte, war der Lenz gefragt. "Nun will der Lenz uns grüßen" ist das bekannteste.
Dass man auch bei Goethe fündig wird, verwundert nicht.
"O wie achtet ich sonst auf alle Zeiten des Jahres;/ Grüßte den kommenden Lenz, sehnte dem Herbste mich nach! / Aber nun ist nicht Sommer noch Winter, seit mich Beglückten / Amors Fittich bedeckt, ewiger Frühling umschwebt."So schrieb er voller Verzückung in seinen "Venezianischen Epigrammen". In "Faust I" mochte er es allerdings etwas direkter:
"Der Frühling webt schon in den Birken, / Und selbst die Fichte fühlt ihn schon; / Sollt er nicht auch auf unsre Glieder wirken?"So lässt er Faust in der Walpurgisnacht den Mephisto fragen.
Da sind wir dann gar nicht mehr so weit weg von den Comedian Harmonists:
"Veronika, der Lenz ist da, / die Mädchen singen tralala. / Die ganze Welt ist wie verhext, / Veronika, der Spargel wächst!",so sangen sie 1930. Und wie heißt es da weiter:
"Der Herr Sohn, der Papa / schwärmen für Veronika, / das macht der Frühling./ Jeder klopft heimlich an, jeder fragt sie: / Wo und wann komm' ich endlich mal dran?"
Goethe hätte es wohl gefallen.
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