Nehmen wir nur einmal den berühmtesten Gedankenstrich der deutschen Literatur, den Heinrich von Kleist in seiner 1808 erschienenen wunderbaren Novelle "Die Marquise von O…" setzte: Während der napoleonischen Kriege erstürmt eine Rotte russischer Soldaten einen Palast in Oberitalien, in dem auch besagte Marquise wohnt. Ein russischer Graf bringt die völlig erschöpfte Dame vor der Soldateska in Sicherheit. Und dann folgt der Satz:
"Hier – traf er, da bald darauf ihre erschrockenen Frauen erschienen, Anstalten, einen Arzt zu rufen; versicherte, indem er sich den Hut aufsetzte, dass sie sich bald erholen würde; und kehrte in den Kampf zurück."Dezenter kann man nicht andeuten, dass der edle Retter en passant die ohnmächtige Marquise schwängerte.
Heute hat der Gedankenstrich mehr Funktionen als nur die Auslassung, und weil hier der Wildwuchs wuchert, ein paar Anmerkungen: Eine wichtige Aufgabe des Halbgeviertstrichs, wie er im Deutsch der Schriftsetzer heißt, ist das Markieren von Einschüben zur näheren Erklärung oder zur Hervorhebung.
Ein aktuelles Beispiel:
"Freiburgs Trainer Christian Streich – sonst immer für ein Bonmot gut – war nach dem verlorenen Pokalhalbfinale ziemlich bedient."
Auch ein ganzer Satz lässt sich zwischen zwei Gedankenstrichen einschieben.
"Freiburgs Trainer Christian Streich – er lässt sich sonst ja kein Bonmot entgehen – war nach dem verlorenen Pokalhalbfinale ziemlich bedient."Was der Duden auch erlaubt:
"Freiburgs Trainer Christian Streich fürchtet – wohl nicht zu Unrecht –, dass jetzt ein Ausverkauf seiner guten Spieler droht."Diese direkte Abfolge von zweitem Gedankenstrich und Komma vor dem Relativpronomen ist für Sprachästheten allerdings gewöhnungsbedürftig.
Was man noch beachten muss: Ob nach dem ersten Gedankenstrich eines Einschubs ein Satz mit Prädikat, also gebeugtem Verb, folgt oder ohne Prädikat, der Anfang wird immer kleingeschrieben. Wenn allerdings ein Gedankenstrich in einer Zeitungsunterzeile zwei verschiedene inhaltliche Blöcke trennt, wird nach dem Gedankenstrich großgeschrieben:
"Bittere Niederlage des SC Freiburg – Zum Saisonende droht Ausverkauf".
Eine wichtige Funktion des Gedankenstrichs ist zudem das kurze Innehalten vor einer unerwarteten Wende oder einem ironischen Schlenker. Ein hübsches Beispiel:
"Er bekam ein Zimmer mit fließend Wasser – an den Wänden."Diese Pointe zündet ja nur, wenn ein Gedankenstrich gesetzt wird. Aber übertreiben darf man diese Stilfigur nicht, sonst schleift sich die Wirkung schnell ab.
Manche Stuttgarter haben übrigens den Sieg von Mittwochabend schon wieder als Bestätigung ihres geliebten Schlachtrufs interpretiert: "Wir können alles – außer Hochdeutsch."
Ein möglicher Konter der frustrierten Freiburger wäre: "Ihr könnt alles – außer Badisch." Das wäre gedankenstrichtechnisch ebenso richtig, nützt den Breisgauern jetzt aber leider nichts mehr.
Da bietet sich dann nur noch die Kurzform an: "Ihr könnt uns – !" Auch richtig, und auch sehr direkt. Siehe oben!
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