Warum sind eigentlich Tomaten treulos? Eine gute Frage – und nicht so einfach zu beantworten. Viele Redensarten, die mit Pflanzen, mit Blumen, Obst und Gemüse zu tun haben, sind ja in der Regel leicht herzuleiten. Warum jemand eine Pflaume, eine Mimose oder ein Mauerblümchen ist, eine taube Nuss, ein süßes Früchtchen oder eine alte Zwiebel, rein wie eine Lilie, blau wie ein Veilchen oder scharf wie ein Rettich erschließt sich jeweils ohne längere sprachgeschichtliche Sondierungen. Desgleichen, warum man sich in die Nesseln setzt, eingeht wie eine Primel, das Gras wachsen hört oder sich auf den Lorbeeren ausruht. Alles kein Problem.
Aber es gibt dann doch Redewendungen, die sich nicht auf Anhieb selbst erklären. Jemanden über den grünen Klee loben, also seine guten Eigenschaften fast übertrieben herauszustreichen, hat mit der alten Symbolik des Klees zu tun. Er galt mit seiner tiefgrünen Farbe schon immer als Inbegriff der Frische und des kräftigen Gedeihens, war also sehr positiv besetzt.
Wenn mit jemand nicht gut Kirschen essen ist, so geht das auf frühere Zeiten zurück, als die Kirsche noch ein Luxusgut war und allenfalls in Schloss- und Klostergärten angebaut wurde. Zu verstehen ist die Redensart als eine Warnung vor zu vertraulichem Umgang mit den hohen Herren, die Untergebene nur zu gerne mit Kirschkernen bombardierten.
Und nun zur treulosen Tomate. Da gibt es drei Lesarten: Vielleicht hat die Redensart damit zu tun, dass die ersten Tomatenanbauer in unseren Breiten ihre Schwierigkeiten mit diesem exotischen Gemüse hatten und zunächst meinten, es lohne ihre Mühe nicht.
Die zweite, weniger plausible Erklärung bezieht sich auf die alte Bezeichnung Paradies- oder Liebesapfel für die Tomate. Weil man damals meinte, Tomaten seien giftig, wäre dann treulos eine Umschreibung für die vergiftete, enttäuschte Liebe.
Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass die treulose Tomate aus dem Ersten Weltkrieg stammt. Weil das eigentlich mit Deutschland und Ungarn-Österreich verbündete Italien nicht in den Krieg eingriff und sich 1915 gar noch auf die Seite der Alliierten schlug, galten die Italiener als wortbrüchig und treulos. Da sie den Anbau der problematischen Tomaten schon perfektioniert hatten und diese zudem lustvoll verzehrten, wurden sie damit identifiziert.
Wenn das stimmt, so ist diese Redensart also alles andere als freundlich. Im Gegenteil: Wir haben es dann mit einem sogenannten Ethnophaulismus zu tun. So heißt das schöne Fremdwort für abwertende Bezeichnungen von Nationalitäten (griechisch ethnos = Volk, phaulis = wertlos, böse), mit denen sich so trefflich Ersatzkriege führen lassen. Deswegen sollte man mit ihnen sehr vorsichtig umgehen. Wir mögen es ja auch nicht, wenn die Italiener Wurstel zu uns sagen.
Übrigens hat diese Plauderei rein gar nichts zu tun mit dem Spiel von Bayern München gegen Juventus Turin am Mittwochabend. Oder doch? Da hatten Juve-Spieler zuvor in der Tat den „Krieg“ gegen die Bajuwaren ausgerufen. Auch ein Missgriff. Aber der Krieg blieb dann aus. Die Italiener verloren allerdings. Und warum? Gegen diese Bayern war einfach kein Kraut gewachsen.
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