Urban Priol ist kein Kabarettist mit Glacéhandschuhen. Wenn er reinhaut, dann richtig. Und eine Person bekommt immer volle Dresche: Angela Merkel. Bei "Neues aus der Anstalt" am Dienstagabend im ZDF war es wieder soweit. Da wurde sie gar als Bankzinsenluder verlästert. Aber das hatte zumindest einen gewissen Sprachwitz. Denn Bankzinsenluder ist ganz einfach ein Anagramm von Bundeskanzlerin – exakt dieselben Buchstaben, nur anders angeordnet.
Womit wir bei einer Art der Wortspielerei wären, die es seit der Antike gibt. Von Lykophron aus Chalkis weiß man, dass er schon um 300 vor Christus anagrammatisierte – von griechisch anagraphein = umschreiben. Während jener Dichter aber noch sein eigenes Hirn bemühen musste, erledigt das heute der Anagramm-Generator im Internet. Man gibt Wörter oder sogar ganze Sätze ein, und in Sekundenschnelle baut der Rechner aus genau diesen Buchstaben Hunderte von neuen Wörtern oder neuen Sätzen – mal mehr, mal weniger sinnvoll. Dabei ist allerdings erstaunlich, wie oft bei diesem Durchschütteln etwas Verwertbares herauskommt – Scrabble-Spieler kennen das Phänomen.
Ganz einfache Anagramme sind Eva – Ave oder Sicht – Stich. Auch auf Feier – Eifer oder Giebel – Eigelb kann man kommen. Komplizierter sind dann schon Paarungen wie Ferienreise – Serienreife, Dichterkreis – Kreidestrich, Peitschenwurm – Wimperntusche, Fronteinsatz – Zitronensaft, Grenzausgleich – Schlagzeugerin oder Meinungsforscher – Erscheinungsform.
Der Letterwechsel – so das deutsche Wort für Anagramm – wurde auch schon immer lustvoll für Pseudonyme eingesetzt. So schrieb der alte Franzose François Rabelais sein berühmtes Buch „Gargantua et Pantagruel“ unter dem Namen Alcofribas Nasier. Und der Umbau von Vor- und Nachnamen zu allerlei Neuschöpfungen funktioniert weiterhin, wie einschlägige Internet-Auftritte – etwa www.wolfenter.de – beweisen. Schon mal von Urban Farbenzecke, Irene Heidekelch, Ferdi Fischotter, Ute Nasenkater, Demetrius Bond, Bengt Affenferse, Noel Mastpferd, Erwin Almrast und Lothar Goethe gehört? Dahinter verbergen sich Franz Beckenbauer, Elke Heidenreich, Ottfried Fischer, Renate Kuenast, Edmund Stoiber, Stefan Effenberg, Manfred Stolpe, Martin Walser und Otto Rehhagel. Auch Geschlechtsumwandlungen sind möglich: So wird aus Stefan Raab eine Berta Fasan, aus Dieter Bohlen eine Helen Tordieb, aus Michael Schuhmacher eine Emma Schlauchreich, und hinter Urs von Bachfelde, was zunächst nach altem Schweizer Adel klingt, steckt niemand anderes als Verona Feldbusch.
Zurück zu Priol und seinem Kabarett. Einen hat er an diesem Abend verschont: Rupert Siebeneck.
Den kennen Sie nicht? Wir haben einmal für die SZ den Anagramm-Generator angeworfen, Peer Steinbrück (ü = ue) hineingesteckt, worauf dann neben so bemerkenswerten Wortfolgen wie Ererbt CSU Kneipe, Trueber Speck nie oder Serbe pickt Neuer auch jener Rupert Siebeneck ausgespuckt wurde.
Und Steinbrück hat ja in der Tat ein paar Ecken, an denen ein Kabarettist hängen bleiben könnte.
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