Gibt es einen Plural von Heimat? Kann man zwei Heimaten haben? So fragte unlängst ein Freund.
Die Antwort kam schnell und im Brustton der Überzeugung: Natürlich nicht! Und das war falsch.
Der Rechtschreib-Duden kennt sehr wohl den Plural Heimaten. Schaut man im achtbändigen Großen Wörterbuch der deutschen Sprache aus demselben Haus nach, so findet sich dort allerdings der Zusatz Plural ungebräuchlich. In dessen neuester elektronischer Ausgabe auf CD-Rom wiederum wurde das in Plural selten geändert – wohl mit Blick auf Fachsprachen, die zum Beispiel den Begriff Heimaten für die Lebensräume von Tieren kennen.
Nun sind wir normalerweise keine Tiere, und deswegen vertrauen wir weiterhin diesem ungebräuchlich. Zwei Seelen kann man schon in seiner Brust haben, aber zwei Heimaten?
Allerdings gibt es in der Tat Wörter, die keinen Plural kennen. Zu diesen sogenannten Singulariatantum (lateinisch für nur in der Einzahl) zählen konkrete Begriffe wie Obst, Fleisch, Stroh, Lärm, Gewölk, Regen, Schnee, Rauch und Gold. Auch viele abstrakte Begriffe wie All, Armut, Glück, Jugend, Ruhe, Treue, Überfluss, Nähe, Nahrung, Durst, Kälte, Hitze, Stolz, Hass, Wehmut, Furcht, Fleiß, Neid, Scham, Vernunft oder Gesundheit werden nur im Singular verwendet. Dazu kommen schließlich Begriffe, die aus Adjektiven oder Verben zu Substantiven geworden sind: das Schöne, das Deutsche, das Erhabene, das Warten, das Denken oder das Verzeihen.
Dann existiert noch eine besondere Gruppe von Wörtern, die zwei Singulare mit verschiedener Bedeutung haben, wobei sie beim einen den Plural kennen, beim anderen nicht.
Nehmen wir zum Beispiel Angabe. Im Sinne von Hinweis, Nennung, Auskunft kann man zu die Angabe den Plural die Angaben bilden. Meint man aber mit Angabe die Aufschneiderei, so bleibt es beim Singular.
Zu die Creme (Salbe) gibt es den Plural die Cremes, aber die Creme (die oberen Zehntausend) kennen wir nur in der Einzahl.
Mit das Protokoll / die Protokolle meinen wir die Niederschrift / die Niederschriften. Sprechen wir dagegen vom Protokoll im Sinn von diplomatischen Spielregeln, so bleibt es beim Singular.
Dazu passt auch der Schliff, den es als gute Umgangsformen nur in der Einzahl gibt. Diamanten dagegen können einen Schliff oder mehrere Schliffe haben.
Ein schönes Beispiel zum Schluss: Viele Schweine kann man ja haben. Denken wir nur an den windigen Schweinehändler Zsupán aus dem "Zigeunerbaron". "Mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh, ist Schweinespeck", so schmettert er stolz, "fünftausend kerngesunde, hab ich, hübsch kugelrunde."
Aber Glück bringen sie ihm letztlich nicht. Schwein hat man nur im Singular.
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