Man kann es nicht oft genug wiederholen: Am dämlichsten sind die Anglizismen, die erkennen lassen, dass es beim Schreiber mit dem Englischen hapert.
Nehmen wir zum Beispiel den Coach Potato. Der geistert zwar zigtausendfach durchs Internet und durch die Medien – auch in unserer Zeitung taucht er immer wieder einmal auf. Aber gemeint ist natürlich der Couch Potato, wie man in den USA seit den Siebzigern einen meist übergewichtigen Zeitgenossen nennt, der mit Bierflasche und Kartoffelchips auf der Couch liegt und stundenlang fernsieht. Mit dem Coach, also dem Trainer, Sportlehrer oder Motivationsberater, hat das rein gar nichts zu tun.
Nur nebenbei erwähnt: Das englische Wort coach heißt zunächst einmal Kutsche, und so nannten Studenten an der Universität Oxford im 19. Jahrhundert witzigerweise ihre Tutoren, die sie erfolgreich durchs Examen kutschierten…
Aber apropos Couch: Für dieses Möbelstück – mit einer Armlehne oder zwei – kursieren im Deutschen ja die unterschiedlichsten Bezeichnungen. Englisch Couch geht auf das französische coucher = hinlegen, schlafen zurück. Sofa kommt von einem arabischen Wort für Ruhebank, und aus dem Persischen stammt der Diwan, womit ursprünglich eine Bettstatt im Büro (!) gemeint war.
Als Ottomane (französisch für osmanisch) bezeichnete man ein Sitzmöbel der Türken, und eine Chaiselongue war – wie der Name verrät – ein verlängerter Stuhl.
Weil Jacques Louis David die Schriftstellerin Julie Récamier im frühen 19. Jahrhundert auf einem Möbel ohne Rückenlehne, aber mit zwei geschwungenen Seitenlehnen verewigt hatte, nannte man dieses Modell nach ihr eine Récamière.
Kanapee wiederum ist nicht etwa chinesisch, sondern kommt ebenfalls aus dem Französischen, geht aber auf das griechische konopeion (von konops = Schnake, Mücke) zurück und heißt nichts anderes als Bett mit Moskitonetz.
Aus unserer Sprache stammt dagegen die Liege, auf der man ganz einfach liegt.
Was uns schließlich noch nach Weimar zum alten Geheimrat Goethe führt. „Mehr Licht!“ sollen seine letzten Worte auf dem Totenbett gewesen sein. Andere behaupten der lebenslang sein Hessisch nicht verleugnende Dichterfürst („Ach, neische, du Schmerzensreische“) habe noch einen letzten Stoßseufzer formulieren und sagen wollen: „Mer liescht hier so schlecht.“ Ob es ein Bett war, ein Sofa oder – bei Goethe immerhin denkbar – ein west-östlicher Diwan, sei dahingestellt.
Freitag, 20. April 2012
Vom Widderstein zur Wilhelmskuppe
"In höheren Lagen ist noch Schneefall möglich." Alle Zeitgenossen, die eher auf Wanderstiefel stehen als auf Skischuhe, hören das bei uns im Süden derzeit mit größtem Missmut. Nichts ist mit den ersten Frühlingstouren auf den Widderstein, die Kanisfluh oder das Nebelhorn, den Säntis, die Schesaplana oder das Hohe Licht.
Aber warum eigentlich der Säntis und die Schesaplana?
Das führt uns zu einem speziellen, aber nicht uninteressanten Thema: dem Geschlecht von Bergnamen. Da gibt es zwar ein paar Gesetzmäßigkeiten, aber dennoch ist Vorsicht geboten.
Viele Bergnamen sind männlich, weil ja auch der Berg im Deutschen männlich ist oder weil wortgeschichtlich ein Maskulinum vorliegt: der Kilimandscharo, der Chimborazo, der Popocatepetl, der Vesuv, der Ortler oder eben der Säntis.
Er hat wohl seinen frühmittelalterlichen Namen von irgendeinem Älpler, der auf Rätoromanisch ein Sambatinus war, sprich: am Samstag geboren.
Und hier ein paar Beispiele aus Deutschland: der Brocken, der Kyffhäuser und der Arber;
aus dem Schwarzwald: der Belchen, der Blauen und der Kniebis;
von der Schwäbischen Alb: der Zoller, der Ipf und der Lupfen.
Bei Bergen mit zusammengesetzten Namen richtet sich das Geschlecht nach dem Grundwort: der Mount Everest, der Monte Rosa, der Piz Buin, der Gran Sasso, der Patscherkofel, der Großglockner, der Lemberg, der Biberkopf, der Wendelstein und der Hochgrat sind männlich.
Den sächlichen Artikel haben logischerweise das Fellhorn und das Söllereck.
Die Kanisfluh aber, die Kanzelwand, die Wasserkuppe und natürlich die Zugspitze – immerhin Deutschlands höchster Berg – haben durch ihr Grundwort eine weibliche Anmutung.
Zudem sind die meisten auf a endenden Bergnamen weiblich: die Marmolata in den Dolomiten, die Bellavista in der Berninagruppe oder eben die Schesaplana, was rätoromanisch so viel heißt wie Flacher Stein. Aber der Ätna tanzt aus der Reihe. Sein Name soll auf ein noch vorgriechisches Wort für brennend zurückgehen. Feuer spuckt er ja bis heute – erst dieser Tage wieder.
Kunterbunt durcheinander läuft es auch bei den Gebirgsnamen. Viele stehen zwar im Plural, weil – etwas vereinfacht gesagt – bei dem kollektiven Begriff Gebirge immer mehrere Berge assoziiert werden: also die Anden, die Kordilleren, die Alpen, die Cevennen, die Vogesen oder die Karpaten.
Ist der Name aber ein Singular und das Geschlecht nicht wie bei der Schwarzwald sofort erkennbar, so heißt es aufpassen: Korrekt sind der Atlas, der Ural, der Apennin, der Harz, der Taunus, der Hunsrück, der Spessart und der Elm. Aber fährt man in die Rhön, die Eifel oder die Haardt in der Pfalz, so hat man es wieder mit femininen Erhebungen zu tun.
Und warum fehlt bislang die Wilhelmskuppe? Weil es sie nicht mehr gibt. Aber eigentlich gibt es sie doch noch: So hieß einst der Kilimandscharo, und zur Kolonialzeit zwischen 1902 und 1918 galt er mit seinen 5895 Metern – gegenüber lächerlichen 2962 der Zugspitze – unter dem Namen Wilhelmskuppe oder Kaiser-Wilhelm-Spitze als höchster Berg des Deutschen Reiches.
In den Sechzigern gab es mal einen hübschen französischen Schlager mit dem Titel "Les neiges du Kilimandjaro". Für uns Deutsche war es der Schnee von vorgestern.
Aber warum eigentlich der Säntis und die Schesaplana?
Das führt uns zu einem speziellen, aber nicht uninteressanten Thema: dem Geschlecht von Bergnamen. Da gibt es zwar ein paar Gesetzmäßigkeiten, aber dennoch ist Vorsicht geboten.
Viele Bergnamen sind männlich, weil ja auch der Berg im Deutschen männlich ist oder weil wortgeschichtlich ein Maskulinum vorliegt: der Kilimandscharo, der Chimborazo, der Popocatepetl, der Vesuv, der Ortler oder eben der Säntis.
Er hat wohl seinen frühmittelalterlichen Namen von irgendeinem Älpler, der auf Rätoromanisch ein Sambatinus war, sprich: am Samstag geboren.
Und hier ein paar Beispiele aus Deutschland: der Brocken, der Kyffhäuser und der Arber;
aus dem Schwarzwald: der Belchen, der Blauen und der Kniebis;
von der Schwäbischen Alb: der Zoller, der Ipf und der Lupfen.
Bei Bergen mit zusammengesetzten Namen richtet sich das Geschlecht nach dem Grundwort: der Mount Everest, der Monte Rosa, der Piz Buin, der Gran Sasso, der Patscherkofel, der Großglockner, der Lemberg, der Biberkopf, der Wendelstein und der Hochgrat sind männlich.
Den sächlichen Artikel haben logischerweise das Fellhorn und das Söllereck.
Die Kanisfluh aber, die Kanzelwand, die Wasserkuppe und natürlich die Zugspitze – immerhin Deutschlands höchster Berg – haben durch ihr Grundwort eine weibliche Anmutung.
Zudem sind die meisten auf a endenden Bergnamen weiblich: die Marmolata in den Dolomiten, die Bellavista in der Berninagruppe oder eben die Schesaplana, was rätoromanisch so viel heißt wie Flacher Stein. Aber der Ätna tanzt aus der Reihe. Sein Name soll auf ein noch vorgriechisches Wort für brennend zurückgehen. Feuer spuckt er ja bis heute – erst dieser Tage wieder.
Kunterbunt durcheinander läuft es auch bei den Gebirgsnamen. Viele stehen zwar im Plural, weil – etwas vereinfacht gesagt – bei dem kollektiven Begriff Gebirge immer mehrere Berge assoziiert werden: also die Anden, die Kordilleren, die Alpen, die Cevennen, die Vogesen oder die Karpaten.
Ist der Name aber ein Singular und das Geschlecht nicht wie bei der Schwarzwald sofort erkennbar, so heißt es aufpassen: Korrekt sind der Atlas, der Ural, der Apennin, der Harz, der Taunus, der Hunsrück, der Spessart und der Elm. Aber fährt man in die Rhön, die Eifel oder die Haardt in der Pfalz, so hat man es wieder mit femininen Erhebungen zu tun.
Und warum fehlt bislang die Wilhelmskuppe? Weil es sie nicht mehr gibt. Aber eigentlich gibt es sie doch noch: So hieß einst der Kilimandscharo, und zur Kolonialzeit zwischen 1902 und 1918 galt er mit seinen 5895 Metern – gegenüber lächerlichen 2962 der Zugspitze – unter dem Namen Wilhelmskuppe oder Kaiser-Wilhelm-Spitze als höchster Berg des Deutschen Reiches.
In den Sechzigern gab es mal einen hübschen französischen Schlager mit dem Titel "Les neiges du Kilimandjaro". Für uns Deutsche war es der Schnee von vorgestern.
Freitag, 13. April 2012
Diese Woche machte eine Umfrage Schlagzeilen: Die Piraten haben laut Forsa die Grünen in der Wählergunst abgehängt. 13 Prozent zu 11 Prozent lautet nun das Verhältnis. Das ist ein politisch hochinteressanter Vorgang, aber auch aus sprachlichen Gründen lohnt sich das nähere Hinschauen.
Der Ursprung der beiden Parteien ähnelt sich bekanntlich: Irgendwann formierte sich eine Protestbewegung und zog dann mehr und mehr Wähler an. Während aber der Name der Grünen – Grün als Symbol des Eintretens für die Natur – von Anfang an positiv besetzt war und dies immer blieb, lief die Sache bei den Piraten anders ab.
Geprägt wurde der Begriff Piraten um das Jahr 2000 von der Musik- und Filmindustrie, um damit Personen zu brandmarken, die unrechtmäßig Kopien im Internet zogen. Aber die derart Abqualifizierten drehten den Spieß einfach um, verkauften fortan das Schimpfwort als positiv besetztes Markenzeichen für Bürgerfreiheit – und das hat funktioniert. Wobei hier sicherlich die ganze Aura der Piraterie eine Rolle spielte. Denn mag man sie Piraten nennen oder Seeräuber, Freibeuter oder Korsaren, all die gesetzlosen Außenseiter auf den Weltmeeren umgibt – so ähnlich wie bei Robin Hood – schon immer ein Hauch von sozialromantischer Schwärmerei.
Diese ungebrochene Faszination ist nicht zuletzt an Fastnacht zu erleben, wenn sich ansonsten kreuzbrave Bürger eine schwarze Augenklappe aufsetzen und einen auf Captain Flint machen. Oder aber wenn Millionen von Kinogängern einem Jack Sparrow alias Johnny Depp bei seinen karibischen Kaperfahrten zu Füßen liegen.
In der Sprachwissenschaft gibt es den Begriff des Euphemismus für ein beschönigendes Wort.
Wenn man zum Beispiel einschlafen sagt statt sterben, Minuswachstum statt Rezession, Schadstoffemission statt Luftververgiftung.
Und es gibt das Gegenteil: den Dysphemismus, das herabsetzende Wort. Wenn zum Beispiel ein kritischer Geist als Querulant verunglimpft wird und eine Regierung als Regime, oder wenn man – wie gerade in Syrien zu erleben – oppositionelle Kräfte als Terroristen zusammenkartätscht.
Nun weisen allerdings Sprachpsychologen darauf hin, dass hier auch gegenläufige Prozesse ablaufen. Von einer Euphemismus-Tretmühle spricht man, wenn ein ursprünglich beschönigendes Wort zum negativ besetzten wird. Ein gutes Exempel ist abwickeln: So nannten die Macher der Treuhand verharmlosend das Abschaffen ganzer Industriezweige der Ex-DDR. Durch den andauernden Gebrauch – deswegen Tretmühle – fiel der Euphemismus allerdings auf die Erfinder des Wortes selbst zurück und wurde zum Synonym für einen kaltschnäuzigen Kahlschlag.
Aber auch die gerade umgekehrt arbeitende Dysphemismus-Tretmühle sorgt immer wieder einmal für Bedeutungsveränderungen: So heften sich Homosexuelle heutzutage das frühere Schmähwort schwul wie einen Orden an die Brust. Zum Slutwalk (Schlampenmarsch) treffen sich Frauen, um für ihre sexuelle Selbstbestimmung in punkto Kleidung zu demonstrieren. Und – was zu beweisen war – die neuerdings umschwärmten Freibeuter des Internets lehren die bereits etablierten Parteien das Fürchten, indem sie Gewinn aus ihrem Außenseiterstatus ziehen.
Bis sie eines Tages selbst etabliert sind – und dann lehrt man sie das Fürchten.
Der Ursprung der beiden Parteien ähnelt sich bekanntlich: Irgendwann formierte sich eine Protestbewegung und zog dann mehr und mehr Wähler an. Während aber der Name der Grünen – Grün als Symbol des Eintretens für die Natur – von Anfang an positiv besetzt war und dies immer blieb, lief die Sache bei den Piraten anders ab.
Geprägt wurde der Begriff Piraten um das Jahr 2000 von der Musik- und Filmindustrie, um damit Personen zu brandmarken, die unrechtmäßig Kopien im Internet zogen. Aber die derart Abqualifizierten drehten den Spieß einfach um, verkauften fortan das Schimpfwort als positiv besetztes Markenzeichen für Bürgerfreiheit – und das hat funktioniert. Wobei hier sicherlich die ganze Aura der Piraterie eine Rolle spielte. Denn mag man sie Piraten nennen oder Seeräuber, Freibeuter oder Korsaren, all die gesetzlosen Außenseiter auf den Weltmeeren umgibt – so ähnlich wie bei Robin Hood – schon immer ein Hauch von sozialromantischer Schwärmerei.
Diese ungebrochene Faszination ist nicht zuletzt an Fastnacht zu erleben, wenn sich ansonsten kreuzbrave Bürger eine schwarze Augenklappe aufsetzen und einen auf Captain Flint machen. Oder aber wenn Millionen von Kinogängern einem Jack Sparrow alias Johnny Depp bei seinen karibischen Kaperfahrten zu Füßen liegen.
In der Sprachwissenschaft gibt es den Begriff des Euphemismus für ein beschönigendes Wort.
Wenn man zum Beispiel einschlafen sagt statt sterben, Minuswachstum statt Rezession, Schadstoffemission statt Luftververgiftung.
Und es gibt das Gegenteil: den Dysphemismus, das herabsetzende Wort. Wenn zum Beispiel ein kritischer Geist als Querulant verunglimpft wird und eine Regierung als Regime, oder wenn man – wie gerade in Syrien zu erleben – oppositionelle Kräfte als Terroristen zusammenkartätscht.
Nun weisen allerdings Sprachpsychologen darauf hin, dass hier auch gegenläufige Prozesse ablaufen. Von einer Euphemismus-Tretmühle spricht man, wenn ein ursprünglich beschönigendes Wort zum negativ besetzten wird. Ein gutes Exempel ist abwickeln: So nannten die Macher der Treuhand verharmlosend das Abschaffen ganzer Industriezweige der Ex-DDR. Durch den andauernden Gebrauch – deswegen Tretmühle – fiel der Euphemismus allerdings auf die Erfinder des Wortes selbst zurück und wurde zum Synonym für einen kaltschnäuzigen Kahlschlag.
Aber auch die gerade umgekehrt arbeitende Dysphemismus-Tretmühle sorgt immer wieder einmal für Bedeutungsveränderungen: So heften sich Homosexuelle heutzutage das frühere Schmähwort schwul wie einen Orden an die Brust. Zum Slutwalk (Schlampenmarsch) treffen sich Frauen, um für ihre sexuelle Selbstbestimmung in punkto Kleidung zu demonstrieren. Und – was zu beweisen war – die neuerdings umschwärmten Freibeuter des Internets lehren die bereits etablierten Parteien das Fürchten, indem sie Gewinn aus ihrem Außenseiterstatus ziehen.
Bis sie eines Tages selbst etabliert sind – und dann lehrt man sie das Fürchten.
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