"Papademos bleibt nur die Wahl zwischen Skylla und Charybdis", so befand dieser Tage Claus Kleber im ZDF-"heute journal" mit Blick auf die zwei Monster der griechischen Mythologie.
Was er damit meinte, war klar: Erfüllt der Athener Ministerpräsident die Forderungen der EU nicht, so bleibt der Geldhahn zu. Erfüllt er sie, hat er große Probleme an der Heimatfront. Es geht also um die notgedrungene Wahl zwischen zwei Übeln.
Aber woher kommt das?
Auch auf die Gefahr hin, dass wieder einmal der Vorwurf der Bildungshuberei laut wird, wollen wir hier nachhaken. Denn alle diese Ungeheuer der Antike sind zwar schon weit über 2500 Jahre alt, aber sie treiben bis heute ihr Unwesen – zumindest sprachlich.
Mit Skylla und Charybdis bekam es der arme Odysseus zu tun, als er auf seinen Irrfahrten durch eine Meerenge hindurch musste: Auf dem einen Felsen hauste Charybdis, eine in Homers "Odyssee" nicht näher definierte abscheuliche Frauengestalt, die Unmengen von Wasser verschluckte und damit Schiffe zum Kentern brachte. Wollten die Seefahrer ihr aber ausweichen und passten nicht auf, so fielen sie in die Fänge der Skylla, eines hundeähnlichen Mischwesens mit sechs Köpfen sowie zwölf Beinen auf dem anderen Felsen, das sie dann genüsslich verschlang. Auch Odysseus büßte auf diese Art sechs Gefährten ein.
Mehr Glück war dem Helden mit der Sphinx beschieden. Dieses Fabeltier – geflügelter Löwenrumpf mit Mädchenkopf (bei den Ägyptern übrigens mit Männerkopf und ohne Flügel) – hauste auf einem Felsen und tötete jeden Wanderer, der ein ihm gestelltes Rätsel nicht lösen konnte. Daher rührt unser Ausdruck von der rätselhaften Sphinx, wie man eine undurchschaubare Frau gerne nennt. Odysseus aber fand die Lösung, und da stürzte sich das Ungetüm aus Scham in die Tiefe.
Einige Mühe hatte dagegen ein anderer alter Grieche mit einem besonders wüsten Biest. Herakles musste auf seiner Heldentour gegen die Hydra kämpfen, eine riesige Wasserschlange mit neun Köpfen, die unangenehmerweise wieder nachwuchsen, wenn man sie abschlug. Aber was ein echter Heros ist, der schafft so etwas. Auch dieses Ungeheuer lebt bis heute in Sprachgebrauch weiter, wenn man etwa die Mafia als Hydra bezeichnet, weil jeder Kampf gegen die vielköpfige Verbrecherorganisation als aussichtslos erscheint.
Und noch drei letzte Beispiele aus dem absurden Zoo der Antike: Sagt man über einen herrischen Hausmeister, Parkwächter oder Platzwart, er sei ein rechter Zerberus, so erinnert man an Kerberos, den griechischen Höllenhund mit seinen drei Köpfen und Schlangenschwanz, der am Eingang der Unterwelt unerbittlich darüber wachte, dass alles seine Ordnung hatte und niemand entfloh.
Die Chimeira wiederum war eine feuerspeiende Bestie, vorne Löwe, in der Mitte Ziege und hinten Drachen. In diesem Fall führte die völlig abstruse Gestalt zu der übertragenen Bedeutung von Hirngespinst oder Trugbild. Wer also heute Schimären sieht, hat Sinnestäuschungen.
Schließlich gibt es ein Fabeltier, dem man seine griechische Herkunft nicht sofort ansieht: den Greif. Auch dieser geflügelte Löwe mit Raubvogelkopf (lateinisch gryphius, griechisch gryps) geht auf ein Mischwesen aus frühen Kulturen zurück, das später – weil ausnahmsweise als Symbol der Stärke auch positiv belegt – in der Heraldik eine große Rolle spielte. Heute steht er als badischer Greif auf der linken Seite des Landeswappens von Baden-Württemberg, und derzeit wagt er mit seinem Gegenüber, dem württembergischen Hirsch, auf dem Emblem zu den 60-Jahr-Feiern des Landes gar ein flottes Tänzchen.
Die Monster sind halt auch nicht mehr das, was sie mal waren.
Aber kein Wunder, wir haben ja auch keine Helden mehr.
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