Leben wir in apokalyptischen Zeiten?
Seit Erdbeben, Tsunami und Fukushima die Medien beherrschen, könnte man es meinen. Wobei sich der Gedanke aufdrängt, dass viele, die dieses apokalyptisch andauernd im Munde führen, über den Hintergrund des Begriffes nicht so richtig Bescheid wissen. Allerdings sind es oft gerade jene, die zwar normalerweise ihre ironisch-überhebliche Attitüde der Religionsferne sorgsam pflegen, aber auf das bedeutungsschwere Vokabular der Glaubenswelt aus Wichtigtuerei gerne zurückgreifen. Und wie wenn es noch eines Beweises für diese These bedurft hätte: Vor wenigen Tagen wurde ein TV- Fantasy-Film in höchsten Tönen als postapokalyptisch angepriesen. Und das ist – streng genommen – Unsinn.
Apokalypsen – griechisch apokalypsis = Enthüllung, Offenbarung – waren Schriften, die vor allem in der Zeit vor und um Jesu Geburt kursierten und sich mit dem nahen, meist von schrecklichen Prüfungen, Plagen und letztlich einem unerbittlichen Gottesgericht begleiteten Weltuntergang beschäftigten. Am berühmtesten wurde die "Offenbarung des Johannes", die als letztes Buch des Neuen Testaments vom Ende der Menschheit nach der Ankunft des Messias kündet. Dass nun angesichts all der geheimnisvoll-düsteren Prophezeiungen dieser Schrift das Wort Apokalypse zu einem Synonym für etwas Unheilvolles, Fürchterliches, Verheerendes wurde, kann nicht verwundern. Aber wer diese Assoziation von Jüngstem Gericht und damit von Endgültigkeit vermeiden will, sollte schlichtweg von Katastrophe reden. Damit bezeichneten die Griechen ein Unglück mit entsetzlichen Folgen. Und das ist ja schon schlimm genug.
Aber wenn wir schon bei solchen Metaphern aus dem religiösen Umfeld sind: "In der Halle steht ein Windrad als Menetekel für die erneuerbaren Energien", tönte ein Rundfunksprecher zum Start der Messe in Hannover am letzten Wochenende – und lag damit gründlich falsch.
Der Begriff Menetekel geht auf jene berühmte Geschichte aus dem Alten Testament zurück, wonach beim Festmahl des babylonischen Herrschers Belsazar plötzlich eine Schrift an der Wand erschien, die nur der Prophet Daniel deuten konnte. Mene mene teqel ufarsin las er dem grausamen König vor – aramäisch für gezählt, gewogen, zu leicht befunden und geteilt. Wie es weiterging, wissen wir spätestens seit Heinrich Heine: "Belsazar ward aber in selbiger Nacht / von seinen Knechten umgebracht." Und in der Bedeutung bedrohliche Warnung, unheilkündendes Zeichen ist das Menetekel in unseren Sprachgebrauch eingegangen.
Wahrscheinlich hatte der Radioreporter statt Menetekel eigentlich Fanal sagen wollen, im Sinn von Signal zum Aufbruch für ein neues Energiebewusstsein.
Aber gehen wir nicht zu hart mit ihm ins Gericht. Beim Einsatz von Fremdwörtern passiert schnell mal ein Lackmus. Pardon, ein Lapsus.
Auch bei Lackmus kursieren übrigens abenteuerliche Fehldeutungen, aber das ist eine andere Geschichte.
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